Vor dem Tübinger Landgericht ging der Prozess rund um den Cuttermesser-Angriff eines Sohnes auf seinen Vater weiter. Nun sagte der Vater als Zeuge aus. Foto: Brian Jackson - stock.adobe.com

Im Nagolder Cuttermesser-Prozess vor dem Tübinger Landgericht hat jetzt der 75-jährige Vater des Angeklagten als Zeuge ausgesagt – und den Sohn schwer beschuldigt. Demnach erfolgte der Messerangriff ohne Vorwarnung von hinten.

Den 1. Dezember vergangenes Jahr vergisst der 75-jährige Nagolder Unternehmer nicht so schnell. Nach einem heftigen Disput mit seinem 48-jährigen Sohn wegen diverser gegenteiliger unternehmerischer Ansichten, vor allem finanzieller Ungereimtheiten, soll der Sohn ausgerastet sein und auf den Vater mit einem sogenannten Cuttermesser eingestochen haben.

 

Der 48-Jährige sitzt jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank der Tübinger Schwurgerichtskammer. Bei der Messerattacke am 1. Dezember 2023 wurde der Vater so schwer am Hals, dem Kopf und im Gesicht sowie am Arm verletzt, dass Lebensgefahr für den 75-Jährigen bestand.

Vor einer Anklage wegen versuchter Tötung blieb der Sohn allerdings verschont – durch seine rasche Hilfe für den verletzten Vater und weil er einen Notarzt rief. Geblieben ist aber noch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung.

Der Vater und Zeuge wurde vom Vorsitzenden Richter dahingehend aufgeklärt, dass er als Vater des Angeklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht habe. Er könne schweigen oder aber etwas sagen. Was er aber sage, dass müsse die Wahrheit sein.

Was geschah am 1. Dezember 2023?

Der Vater entschied sich, auszusagen. Demnach erinnert er sich nur noch daran, dass er mit seinem Sohn an jenem 1. Dezember vergangenen Jahres von Nagold nach Stuttgart zum Steuerberater fahren wollte. Dort sollten unklare finanzielle Ungereimtheiten bei der Buchhaltung der Jahre 2020 und 2021 geklärt werden. Doch zu der Fahrt kam es nicht.

Gegen 8 Uhr morgens, so der Vater, saß er am Esstisch und habe Zeitung gelesen. Er sei absolut ahnungslos gewesen, als der angeklagte Sohn plötzlich von hinten, für ihn sozusagen unsichtbar, an ihn herantrat und mit einer Hand seinen Kopf heruntergezogen habe. Dann sei ein Stich gegen seinen Hals erfolgt, sagte der Zeuge. Er habe laut aufgeschrien und seinem Sohn gesagt: „Spinnst du?“

Vier Tage im Koma

Dass dann weitere Stiche und Schnitte gegen Kopf, Hals und Gesicht erfolgten, daran erinnerte der Vater sich im Zeugenstand nicht mehr. Er wusste nur noch, dass er um Hilfe rief und dann ins Nagolder Krankenhaus eingeliefert wurde.

Dort sei er vier Tage lang im Koma gelegen, ehe er dann nach den Not-Operationen wach wurde und in das Calwer Krankenhaus gebracht worden sei. Insgesamt dauerte der Aufenthalt dort auch vier Tage, sagt er. Und dort habe ihn dann auch die Kriminalpolizei zum Tatablauf vernommen.

Auf Rückfragen der Richter betont der Zeuge, dass sein Sohn bei dem Angriff von hinten kein einziges Wort gesagt habe, es sei ganz still gewesen. Er habe versucht, sich gegen den Angriff seines Sohnes zu wehren, dabei wurde er auch noch an der Hand verletzt.

Wurde Geld veruntreut?

Den Hintergrund des Angriffs sieht der Vater in einer möglichen „Geld-Veruntreuung“ des Sohnes. Er habe vom Unternehmen offenbar Gelder an sich umgeleitet, sagt er. Über die genaue Höhe weiß er nur, dass es ein fünfstelliger Betrag sei. Aber das habe er erst erfahren, als er in der Klinik war.

Er betonte, dass er mit seinem Sohn in den letzten Jahren immer gut in der gemeinsamen Firma zusammen gearbeitet habe. Er habe den Sohn und dessen Familie immer unterstützt und sogar dessen Wohnung mit einem sechsstelligen Betrag finanziert. Natürlich habe es auch immer wieder Diskussionen zwischen ihnen gegeben, ein richtiger Streit aber nicht.

In dem Verfahren werden noch die Mutter des Angeklagten, eine Sachverständige der Gerichtsmedizin Tübingen sowie ein psychiatrischer Gutachter vernommen. Die Verletzungen des Vaters waren lebensgefährlich, heißt es in der Anklageschrift gegen den Sohn. Stiche oder Schnitte mit einem solchen Cuttermesser sind nach Meinung der Mediziner immer lebensbedrohend, da gerade im Hals wichtige Versorgungsorgane betroffen sind. Die Gutachten sollen am nächsten Prozesstag vorgetragen werden.