Wo ist Maries Spindel? Knecht Wilhelm, Gold-Marie, Vater Erwin und Pech-Marie versuchen’s mit einer Google-Suche. Fotos: Hofmann Foto: Schwarzwälder Bote

Musikalisches Märchen: Kooperationsprojekt "Frau Holle" bei allen drei Aufführungen ausverkauft

Wenn es Ende März bei sommerlichen Temperaturen zu schneien beginnt, dann kann das eigentlich nur mit einem Märchen zusammenhängen. Oder mit dem Klimawandel? Oder eben, wie in diesem Fall mit beidem: Die diesjährige musikalische Märchenproduktion "Frau Holle" widmete sich einem brandaktuellen Thema.

Nagold. Nimmt sich der Nagolder Jurist und kreative Tausendsassa Rafael Hummel einen klassischen Grimmschen Märchenstoff vor, dann bleibt nicht mehr viel übrig vom Original. Moderne Varianten aus einem alten Märchen zu schaffen, das ist sein Spezialgebiet. Jahr für Jahr kann man das verfolgen bei den unterhaltsamen und erfolgreichen Produktionen des Musikalischen Märchens. So auch in diesem Jahr, als sich die junge Schauspieltruppe der Hummelschen Variante von "Frau Holle" annahm.

Ja, es wurden auch Betten ausgeschüttelt. Und ja, gar bezaubernd war das Bild, wie es auf der Bühne des Kubus schneite. Auch eine Pech-Marie und eine Gold-Marie gab es zu sehen. Ansonsten hatte das Stück aber nicht viel mit dem Original zu tun. Frau Holle bekam da kurzerhand einen Ehemann hinzugedichtet. Der liebt den Sommer, sie bekanntlich den Winter. Und so kämpften sie erbittert um die Wetter-Vorherrschaft auf der Erde. Pech-Marie und Gold-Marie gesellen sich ebenso zum munteren Ränke-Spiel dazu wie ihr schwäbelnder Vater Erwin, der fesche Knecht Wilhelm oder auch das pfiffige Fräulein Jaqueline.

Voller Spiellust und Humor

Mit jeder Menge Humor verwebt das Stück den klassischen Märchenstoff mit der aktuell drohenden Klimakatastrophe. Dieser Mix ist nicht einfach – und doch wieder geglückt. Voller Spiellust und Humor agierte die gut aufeinander eingespielte Schauspieltruppe auf der Bühne. Es durfte gelacht werden, sehr viel sogar. Es durfte gestaunt werden, es durfte mitgesummt werden. Und dann und wann durften sich die Besucher auch durchaus selbst ertappt fühlen – als kleiner Teil der großen Erderwärmung.

"Frau Holle" sprach tatsächlich alle an – kleine Kinder, die sicher nicht alles verstanden, sich aber trotzdem köstlich amüsierten, aber auch deren Eltern, die Omas und Opas – eben jeder, der gekommen war. Das Musikalische Märchen hat den Anspruch, die ganze Familie unterhalten zu wollen. Und dem wurde man auch 2019 voll gerecht.

Unter der Regie von Autor Rafael Hummel sowie Andreas Schäfer setzten die sieben Schauspieler das Skript auf mitreißende Art und Weise um. Ob nun Leonie Dengler als überdrehte Frau Holle, Till Niklas Köbele als Sonnyboy Herr Holle, Ronja Graack als clevere Holle-Assistentin Fräulein Jaqueline, Aileen Hofmann als strebsam-biedere Gold-Marie, Mira Hofmann als zickig-punkige Pech-Marie, Tim Schneider als gutgläubiger Knecht oder Andreas Schäfer als schwäbelnder Hof-Besitzer Erwin – die Schauspielleistung aller Akteure war überzeugend, mitreißend, voller Herzblut. Kurzum: höchst unterhaltsam.

Das gefiel natürlich auch dem Publikum. In der gut einstündigen Aufführung wurden die Zuschauer bestens unterhalten. Drei Aufführungen gab es – alle drei waren übrigens bereits eine Woche vorher ausverkauft. Schade eigentlich, dass man es nicht schafft, eine vierte Vorstellung auf die Beine zu stellen. Voll hätte man die bestimmt auch noch bekommen. Das Musikalische Märchen ist eben eine beliebte Marke in Nagold.

Das liegt auch an dem guten Miteinander ganz verschiedener Akteure. Denn die Schauspieltruppe ist nur ein Teil der Märchen-Inszenierung. Die Musik und die Bildende Kunst sind weitere wichtige Parts. So sind die städtische Musikschule, das OHG und die Jugendkunstschule gleichberechtigte Partner in dieser Kooperation.

"Thank you for the Music" spielten beispielsweise die rund 30 jungen Musiker in Florian Hummels Nagolder Jugendorchester, neben weiteren Stücken von Badelt, Bothe, Klarke oder auch Carl Maria von Weber. Für ein Kinder- und Jugendorchester war die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihren Part zum Gesamterfolg beitrugen, eine imponierende Leistung. Sie präsentierten sich gut vorbereitet für die Aufführungen. Spielten mit Eifer. Und hatten nebenbei auch ganz offensichtlich ihre Freude an dem Spiel auf der Bühne, das sie umrahmen durften.

Musik gab es zudem in Form von vier Pop-Songs, die allesamt aus der Feder von Rafael Hummel stammten. Die Schauspieler/Sänger performten die Songs mit viel Liebe zum Detail. Auch das hat sich mittlerweile zu einem Markenzeichen der Musikalischen Märchen entwickelt.

Für ein tolles Ambiente und auch den märchenhaften Charme sorgte die Jugendkunstschule. In der Kunstwerkstatt von Reiner Haag gestalteten Schüler die bunten und kreativen Kulissen. Sie rundeten die Märchenaufführung mehr als nur ab. Auch die Kulissen waren fester Bestandteil dieses Feuerwerks Nagolder Kreativität.

Viele fleißige Hände unterstützten die Märchentruppe bei ihren Aufführungen hinter den Kulissen. Annika Scherer, Anna Köhler und Jule Finger halfen beim Bühnenbild; Michaela Hummel gestaltete das Plakat und war federführend für die Bereiche Maske, Requisiten und Kostüme. Licht und Ton lag in den Händen der Bühnentechnik AG des OHG mit Jannik Vollmer, Tamara Pirslin und Aaron Schaible sowie AG-Leiter Frank Meyer. Die Konzeption liegt seit vielen Jahren in den Händen von Florian Hummel und Dorothee Müller.