Die beiden Alt-Stadträte Klaus Drissner (rechts) und Rainer Schmid ließen, von Weihrauch umweht, den Nagolder Geist wieder aus der Flasche. Foto: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder Bote

Neujahrsessen: Verwaltung und Bürgervertreter feiern im Adler – bei Sitzungsstatistik und mahnenden Tönen

Nagold. Beim Neujahrsessen des Nagolder Gemeinderats lag etwas Wehmut in der Luft. Was die beiden Alt-Stadträte Klaus Drissner und Rainer Schmid, beide freiwillig aus ihrem Amt geschieden, zu ihrem Abschied von dem Ratskollegium zum Besten gaben, erinnerte manchen Zuhörer an jene glanzvollen Zeiten, als noch das hochwohllöbliche Nagelgericht für außergewöhnlich gewöhnliche Leistungen in der Nagolder Kommunalpolitik den rostigen Nagel verlieh. Auch Drissner und Schmid legten die Finger in – die vom Kommunalwahlkampf geschlagenen – Wunden und wünschten sich in Reimform den Nagolder Geist zurück.

Zuvor war es aber wieder an Stadtoberhaupt Jürgen Großmann, vor seinem im Gasthaus "Adler" versammelten Verwaltungsteam,vor Alt- und Neustadträten in leutseligem Ton Bilanz eines zurückliegenden Jahres zu ziehen, um festzustellen, dass man schon wieder mitten "im Hamsterrad unterwegs" sei. Traditionell in dieser Runde ist die Statistik, wie lange und wie oft Nagolds gewählte Bürgervertreter im Gemeinderat und seinen Ausschüssen tagten und wie viele Tagesordnungspunkte sie abhakten. Das Kommunalwahljahr 2019 war demnach mit 480 behandelten Themen eher ruhig, mit einer durchschnittlichen Sitzungsdauer von 2,1 Stunden aber auch besonders effektiv.

Was dem OB, wie er sagte, Mut für die Zukunft macht: "Junge Menschen in der Stadt bekommen wieder mehr Kinder." Für diese jungen Familien schaffe man Platz in Baugebieten, wie sie nun in Vollmaringen und Hochdorf entstehen. Auch finanzpolitisch liege man auf Kurs: Mit zu erwartenden 15 Millionen Euro Gewerbesteuer liege man "im Korridor".

Nach bodenständiger Kost aus Markklößchensuppe und gefüllter Kalbsbrust sinnierte Stadtrat Hans Stollsteimer mit einem Gedicht über die Zeit, bevor Klaus Drissner und Rainer Schmid ihren Kollegen nochmals die Leviten lasen.

Grund für den Zorn der beiden: der Nagolder Geist – "von uns aufgebaut, zerstört nun auf Dauer? Da werden wir Alten mächtig sauer." In ihrem großkoalitionären Scherbengericht – Drissner gehörte der CDU an, Schmid der SPD – geißelten sie: "Profilierungssucht, populistische Eitelkeit, macht sich, wie man hört, im Gremium breit." Um dann schließlich, weihrauchgeschwängert, durch die Stockinger Stube zu schreiten und unter dem Applaus der Auditoriums zu fordern: "Es scheint, unser Klima liegt in Schutt und Asche, der Geist muss wieder aus der Flasche."

Dass ausgerechnet die SPD-Fraktion, die vor allem von ihren konservativen Kollegen für den Verlust dieses einst so besonderen parteiübergreifenden Konsenses im Nagolder Stadtrat verantwortlich gemacht wird, diesen poetischen Rüffel der beiden Alt-Stadträte nahezu komplett versäumte, ließ bei manchem Stadtrat den Verdacht nach einem "Boykott" der Genossen aufkommen. Marco Ackermann, der an diesem Abend seine fünfköpfige Fraktion allein vertrat, versicherte aber auf Nachfrage, dass die Abwesenheit seiner vier Kollegen allein dem einen oder anderen Urlaub oder dem Zufall geschuldet sei.