Wolfgang Kubicki ist bekannt für klare Worte. Foto: M. Bernklau Foto: Schwarzwälder Bote

FDP: Wolfgang Kubicki, Vize von Parlament und Partei, spricht im Nagolder Kubus / Funklöcher "nicht hinnehmbar"

Der Vizepräsident des Bundestags kam aus Weil der Stadt und zog anderntags weiter zur Dieseldemo nach Stuttgart. Wolfgang Kubicki, auf Wahlkampftour für die Liberalen, schaute bei der FDP des Kreises im Nagolder Kubus vorbei.

Nagold. Wolfgang Kubicki ist kein Mann des großen und lauten Worts – aber immer für ein paar Spitzen, Sottisen und klare Sprache gut. Herbert Müller, Kreisvorsitzender der FDP, hatte dem Partei- und Parlamentsvize im Januar in Althengstett das Versprechen abgerungen, wiederzukommen, wenn es den Liberalen gelänge, komplette Listen für die im Mai anstehenden Kommunal- und Europawahlen aufzustellen. Kubicki hielt Wort und kam.

Nachdem der Calwer Architekt Hans-Peter Held und der Nagolder Mathematiker Rudolf Rentschler für 50 Jahre Parteitreue geehrt worden waren, traf Kubicki mit kleiner Verspätung ein und ergriff für eine gute Stunde das Wort im eher kleinen Kreis des doch ganz gut besuchten Kubus. Sieben Funklöcher habe er gehabt auf der kurzen Fahrt, spöttelte er und war damit bei einem seiner wichtigen Themen: der Digitalisierung.

Der smarte Anwalt und Volkswirt aus dem hohen Norden Schleswig-Holsteins – Markenzeichen: Silberhaar und Dreitagebart – holte aber in freier Rede zu einer politischen Tour d’horizon aus, die ihn am Ende bis in die Ukraine führte. Er eröffnete aber mit einem Appell für die Bedeutung beider anstehender Wahlen, der kommunalen ebenso wie der zum Europaparlament. Der Brexit und was das britische Unterhaus damit mache, sei "ein schlechtes Signal in schlechter Zeit", so der Berliner Parlamentarier.

Für Kubicki gibt es keinen Grund, vor einem US-Präsidenten Trump zu kuschen, ob er nun mit Strafzöllen drohe oder höhere Rüstungsausgaben verlange. "Wir können als Europa auch Bußgelder verhängen", meinte er. Bei aller Macht und Bedeutung der amerikanischen Konzerne habe Europa "das größere kreative Potenzial". Man müsse "die Leute nur lassen", ist seine liberale Devise.

Allerdings müsse dabei Vernunft regieren. Eine Energiewende, bei der Abermillionen Euro "für Strom bezahlt werden, den niemand kriegt", sei nicht besonders sinnvoll, auch wenn die Windräder seiner Heimat an der Küste noch so viel produzierten. Dafür dürfe das G5-Netz "nicht erst 2026 kommen", forderte er.

"Alles können außer Hochdeutsch?"

Und Kubicki verkniff sich seine Spitzen nicht. In Thüringen würden – "kein Witz" – elektronische Steuererklärungen von Hand in alte Formulare übertragen. Dass ausgerechnet Baden-Württemberg das Land mit den größten Funklöchern sei, findet er "nicht hinnehmbar" und verwies auf ein Hotel in Sindelfingen, in dem er keinen Netzanschluss bekommen habe, um mit seiner Frau zu chatten. "Alles können außer Hochdeutsch?", fragte er sein schwäbisches Publikum süffisant. In seiner Kanzlei behebe kurzerhand eine 17-jährige Auszubildende mit Realschulabschluss die meisten IT-Probleme.

Er selber habe als junger Mensch "in Brokdorf gegen Atomkraft protestiert". Aber für noch mehr Windkraft habe man die nötigen Flächen nicht mehr. "Noch mehr Windräder, an der Küste, im Schwarzwald oder im Harz – das sieht nicht nur scheiße aus", spottete Kubicki, "da werden nebenbei auch Millionen von Zugvögeln geschreddert". Fahrverbote wie in Stuttgart hält Kubicki für Unfug, für eine "echte Enteignung entgegen staatlichen Zusagen". Das sei "unverhältnismäßig, ungehörig und verachtend" für die betroffenen 80 000 Diesel-Besitzer. Die Feinstaub-Konzentrationen seien in U-Bahn-Schächten mit Abstand am höchsten, monierte er. "Soll man die jetzt alle zusperren?"

An die Adresse der Grünen, "die jede Umgehungsstraße bekämpft haben" und "meinen Freund Robert Habeck", den grünen Parteichef, richtete er den Hinweis, dass auch Elektroautos Straßen bräuchten. Nötig, so Kubicki, sei eine "wirklich kluge Mobilitätspolitik", auch beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Er plädierte für CO2-Zertifikate, bei denen "die Bürger sich frei entscheiden können".

"Geht zur Schule und lernt! Wir brauchen Techniker!"

Allerdings müsse man Gerichtsentscheidungen respektieren, die auf die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte pochten. Für das Klima, spottete Kubicki, sollte man aber "lieber Regenwald am Amazonas aufkaufen". Den "Friday-for-Future"-Schülern empfahl er statt eines Protests für abstrakte Klimaziele: "Geht zur Schule und lernt! Wir brauchen Techniker!" Keine einzige der düsteren Umwelt-Prognosen des Club of Rome von 1972 habe sich bewahrheitet.

Einen außenpolitischen Ausflug machte Kubicki zunächst auch am abstrakten Ziel von zwei Prozent Aufwand für die Verteidigung fest und nannte es "mein Lieblingsthema". Mit einem Witz begann er: "Wenn wir die ›Gorch Fock‹ weiter reparieren, dann schaffen wir das." Den ultimativen amerikanischen Forderungen an die NATO-Mitglieder hielt er aber entgegen: "Wir sind trotzdem kein besetztes Land mehr!" Kubicki plädierte für einen pragmatischen Umgang mit Russland auch nach der Krim-Annexion. Die Türkei halte völkerrechtswidrig seit Jahrzehnten den Norden Zyperns besetzt und sei trotzdem immer NATO-Mitglied geblieben. Und die Ukraine aber sei mit ihrem Wunsch nach dem Westen nicht der richtige Partner gegen Putin: "Das ist das korrupteste Land der Welt", sagte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende. "Wenn der ukrainische Botschafter will, dass die Krim mit NATO-Soldaten wieder freigekämpft werden soll, dann hat der ’n Hau", kanzelte er alle Kalten Krieger ab.

Man dürfe bei solchen Fragen "nicht stehenbleiben". Trotz Trump aber ist für Kubicki im transatlantischen Verhältnis zu den Amerikanern klar: "Wir wollen Freunde bleiben. Schon wegen der Steaks." Es gebe keine besseren, versicherte der liberale Lebemann.