Fawzi Haimor dirigierte die Musiker souverän. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder Bote

Konzert: Württembergische Philharmonie Reutlingen hinterlässt in Nagold einen sehr guten Eindruck

Das jüngste Gastspiel der Württembergischen Philharmonie Reutlingen hinterließ beim Nagolder Publikum einen bleibenden Eindruck.

Nagold. Unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Fawzi Haimor präsentierte das Orchester seine musikalischen Vorzüge in faszinierender Vielfalt, wobei das Klangbild deutlich an Frische, Ausdruckskraft und Farbigkeit gewann. Die Sinfoniker blühten regelrecht auf und begeisterten restlos das Publikum in der Nagolder Stadthalle.

Bereits vor dem Konzert erläuterte Stadtmusikdirektor Florian Hummel die Eckdaten des von französischem Impressionismus geprägten Programmkonzepts und pries zu Recht die vier "außergewöhnlichen Stücke" an. Diese entstanden im Geiste der Pariser Boheme zwischen 1897 und 1928 als eigenwillige, teils dem tonalen System abneigende, eindrucksvolle Gebilde von reizender Schönheit. Als eine wichtige Inspirationsquelle für Künstler jedes Genres erwiesen sich die Eindrücke während der Pariser Weltausstellung im Jahre 1889.

Das meist gespielte Werk von Paul Dukas, das Orchesterscherzo "Zauberlehrling", erschien in der Reutlinger Auffassung als eine musikalische Illustration der gleichnamigen Ballade von Johann Wolfgang von Goethe und als Verstärker ihrer tragikomischen Aussagekraft zugleich. In der vorzüglich dargestellten Anfangsstimmung (seien sie vergessen, ihr heiklen Pizzicati) herrschte eine magische Atmosphäre der Zauberwelt, neblige Klang-Schleier verhüllten die Geheimnisse der Hexen-Werkstatt, dann nahm das Unglück seinen Lauf und die außer Kontrolle geratene gewaltige Macht erreichte ihren dramatischen Höhepunkt in einem ungebremstem Besen-Ritt aller Instrumente. Klasse.

Lebhaftigkeit, Spannungssteigerungen, Kontraste der Dynamik und Reichtum der Klangfarben beschreiben auch das mozartisch getupfte Konzert für zwei Klaviere von Francis Poulenc mit Andreas Grau und Götz Schumacher als Solisten.

Fawzi Haimor leitet sein Ensemble locker-elegant und souverän

Während die zwei ersten Konzertsätze mit perlender Klavier-Virtuosität glänzten und die selektive Anschlagsart hie und da die Rachmaninowsche Klangfülle erreichte oder an Chopinsche Subtilität erinnerte, gestalteten die Pianisten den langsamen Satz mit einer poetisch gefärbten Musizierfreude und genossen geradezu die beispielhafte Zusammenarbeit mit dem Orchester und dem Dirigenten. Nach dieser Glanzleistung rief die nachfolgende Zugabe erneut eine Applauswelle hervor.

Fawzi Haimor leitete sein Ensemble locker-elegant und souverän, fern jeder diktatorischen Strenge oder Selbstgefälligkeit. Mehr noch: Es schien, dass sich der Dirigent mit dem Orchester identifizierte oder verschmolz und lediglich als Spiritus Rector und Koordinator diente. Diese intuitive Art der Motivation zahlte sich aus, die Musiker spielten nach der Pause die Orchesterfantasie "Le boeuf sur le toit" (Der Ochse auf dem Dach) von Darius Milhaud mit gleicher Ungezwungenheit und wie sonst in jeder Hinsicht diszipliniert.

Im swingend-motorischem Treiben der brasilianisch-iberisch geprägten, reichlich mit Tempo- und Dynamikwechsel sowie surrealen Klangreibungen gefüllten Musik, verriet jedes erfüllte Partitur-Detail die instrumentale Flexibilität und Herzblut der Philharmoniker. Kein Wunder, dass sie die "Wow"-Rufe erneut als Ansporn verstanden und mit gleicher Kraft die Rhapsodie "Ein Amerikaner in Paris" von Georg Gershwin interpretierten. Es war nicht schwer sich vorzustellen, welche Faszination die Seine-Metropole auf den amerikanischen Komponisten um 1928 ausübte. In seinem Auftragswerk für die New Yorker Philharmoniker fing er in seiner Jazz-Sprache die überschäumende Lebensfreude und Unbekümmertheit der Stadt meisterhaft auf, wo dem täglichen Straßentumult die Sinnlichkeit der Nacht folgt. Aus swingender Rhythmik, Akzenten, eingehender Melodik sowie Steigerungen und Abflauen der Klangintensität setzten die Musiker ein lebendiges, pulsierendes Stadtbild zusammen.

Der Schlussapplaus gipfelte in einer Ovation, dann sorgte eine Broadway-Zugabe im Walzertakt für Neujahrskonzert-Stimmung und verursacht einen Beifall-Nachschub. Bezeichnenderweise ließ sich Haimor nicht am Dirigentenpult feiern, sondern forderte die Solo-Instrumentalisten zum Aufstehen auf und genoss den Erfolg inmitten seiner Mannschaft. Chapeau bas.