Der alte Standort des Multikulti liegt am Busbahnhof. Foto: Fritsch

Gegen den möglichen Umzug des Szenetreffs in die Inselstraße formiert sich Widerstand.

Nagold - 17 lange Jahre gab es das "Multikulti" am Busbahnhof Nagold. Jetzt will das Szenelokal in die Inselstraße umziehen. Doch es formiert sich Widerstand.

Eine elegante ältere Dame mit Sonnenbrille schlendert vom Einkauf durch die Inselstraße. Ob Sie denn wisse, dass hier demnächst das "Multikulti" einziehen solle? Die Dame nickt freundlich, aber bestimmt. "Wir haben schon Unterschriften dagegen gesammelt", sagt sie. Der Lärm, allein die Autos, die nachts einen Parkplatz suchten – das gehe gar nicht. Dann zeigt sie mit dem Kinn auf die neuen und schicken Häuser mit Eigentumswohnungen. "Das sind teure Wohnungen."

Auch Bernd Stoll aus der nahen Gerberstraße ist strikt gegen den Umzug des Szene-Treffs in die Nähe seiner Wohnung. In einem Brief an den "Schwarzwälder Boten" hat er sich Luft gemacht, auch auf Facebook hat er seinen Unwillen kundgetan, auch dem Oberbürgermeister habe er geschrieben. "Das Multikulti hat jetzt die Genehmigung zum Umbau/Ausbau des Gebäudes Inselstraße 30 vormals Sport Grimm", schreibt Scholl auf Facebook. Nun solle hier "der lauteste Laden", das "lärmintensivste Lokal" der Stadt angesiedelt werden. "Steht auf und wehrt Euch", fordert der Empörte.

Zwar räumt auch Stoll ein, dass es sich bei der Inselstraße um ein sogenanntes "Mischgebiet" handele – kein reines Wohngebiet also, in dem auf strenge Ruhe gepocht werden kann. Doch bisher habe es hier lediglich Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe gegeben – und keinen lauten Jugendtreff mit zeitweiser Livemusik bis in die späte Nacht oder bis in die frühen Morgen. "Vor kurzer Zeit wurden hier noch viele neue Wohnungen gebaut, ohne dass man auf eine solche Möglichkeit hingewiesen wurde", heißt es in dem Leserbrief.

Auch auf Facebook schlagen die Wogen der Empörung hoch

"Die Eigentümerin des Gebäudes ist wahrlich eine große Nummer in Nagold", schreibt Stoll offenbar mit Blick auf die Chefin der Firma Häfele weiter. "Aber muss man deshalb alles genehmigen?...Für uns Betroffene hat das Ganze ein ‚Geschmäckle’, wohnt doch keiner der Stadtoberen oder Stadträte im weiteren Umfeld." Sträflich übergangen fühlt sich Stoll, über 100 Unterschriften habe man bereits gesammelt, zudem eine Petition beim Oberbürgermeister eingereicht. Auch auf Facebook schlagen die Wogen der Empörung hoch, Dutzende Nutzer mischen sich ein, nicht immer ganz sachlich, nicht immer in bestem Deutsch – doch Wut und Empörung sind unüberhörbar. Viele Anwohner fühlen sich schlichtweg übergangen.

Christos Chatziioannou, Geschäftsführer des Multikulti, sieht die Lage freilich etwas anders. Er hat große Pläne, zweistöckig solle das neue Projekt werden, zwar auch hier zeitweise mit Livemusik und vielen jungen Leuten. Aber dennoch ganz anders. Der Mann klingt geradezu beschwörend. "Nein, es wird nicht laut werden, das garantiere ich Euch, ich gebe mein Wort." Das neue Multikulti werde mit dem alten nicht viel gemeinsam haben, viel mehr "Clubatmosphäre mit Barmusik, mehr Hintergrundmusik", meint "Chris", wie er von seinen Gästen genannt werde. Nach 22 Uhr werde auch niemand mehr vor dem Lokal stehen, niemand unter den Anwohnern brauche Angst vor Lärm zu haben. "Ich will hier nichts eröffnen und jeden Tag Ärger haben", beschwört er. "Das will ich nicht." Das sind große Vorsätze, sie klingen gut – doch viele Anwohner der Inselstraße und Umgebung werden sich fragen, ob "Chris" seine Versprechungen auch tatsächlich einhalten kann.

Und die Reaktion der Stadt? "Grundsätzlich ist der Stadtverwaltung die Problematik bekannt", teilt Pressesprecherin Tina Block im Namen des abwesenden OB Jürgen Großmann mit. Das klingt eher schmallippig und sehr zurückhaltend. "Es handelt sich um ein laufendes Verfahren, deshalb können wir keine näheren Auskünfte erteilen", was wiederum etwas arg juristisch anmutet. "Grundsätzlich gilt jedoch: Wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, muss die Stadt die Nutzungsänderung genehmigen." Heißt das, dass der Stadt tatsächlich die Hände völlig gebunden sind, als könne sie in den Streit nicht eingreifen, etwa indem sie Alternativen ins Spiel bringt? "Den Anwohnern steht es natürlich offen, Rechtsmittel einzulegen", heißt es abschließend.

"Eine Genehmigung ist also noch nicht erfolgt"

Allerdings: Der Darstellung von Herrn Stoll widerspricht die Stadt ganz entschieden. Tatsächlich sei bisher lediglich das Anhörungsverfahren eingeleitet worden, das derzeit laufe. "Insofern befinden wir uns mitten im Verfahren. Eine Genehmigung ist also noch nicht erfolgt."

Jetzt hätten die Anwohner vier Wochen Zeit, um Einwände geltend zu machen. Wenn es danach noch weiterhin Streit gebe, müsse sich das Regierungspräsidium in Karlsruhe mit dem Fall befassen.

Und, so verlautet aus dem Rathaus weiter: Bei der Inselstraße handele es sich in der Tat um ein "Mischgebiet": Dort sei Gastronomie zulässig, Vergnügungsstätten jedoch ausgeschlossen.

Mancher wird sich jetzt fragen: Handelt es sich bei dem Treff nun um einen Gastronomiebetrieb oder um eine Vergnügungsstätte? Fest steht nur: Es dürfte auch weiterhin reichlich Wirbel geben um das geplante, neue Multikulti. Und bald stehen Kommunalwahlen an.