Lisa Fitz greift zur Gitarre und singt. Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder Bote

Kabarett: Mit ihrem "Flüsterwitz"-Programm ist Lisa Fitz wieder in Nagolds Alter Seminarturnhalle zu Gast

Nagold. Mit weniger Mummenschanz und Rollenspiel, dafür mit mehr klassischem Kabarett aus Plaudern, Pointen, ein paar Parodien und straffen Songs kam Lisa Fitz nach zweieinhalb Jahren wieder in die vollbesetzte Alte Seminarturnhalle zurück. "Flüsterwitz", ein sehr schönes Programm, das die Nagolder bejubelten – mit einem kleinen Makel.

Neben sich zwei Leuchtzeichen in Silhouetten, einen Bajonettkämpfer und eine Friedenstaube nach Picasso-Art. Aber Krieg und Frieden bleiben eher Randthemen an diesem Abend. Kokett spielt Lisa Fitz mit ihrem Alter und dem Lampenfieber. Es glühe inzwischen "eher oben". Aber da richtig, findet die fesche Grand Dame des bayerischen Kabaretts. Als "kleine Energieübung" lässt sie das Publikum aufstehen und ordnet danach an: "Setzen!". Klappt.

"Frei reden, solange es noch geht", das heißt bei Lisa Fitz auch ein bisschen Gift und Galle. Den robust bayerischen Schmähungen der lebenslustigen Feministin entgehen natürlich auch Frauen nicht: eine korrupte und kriegstreibende "Flinten-Uschi" (von der Leyen) oder die Kanzlerin, die sich nach dem angekündigten Rücktritt gerade gebärde "wie eine Kröte auf der Autobahn". Umgekehrt schickt sie ein kleines verehrungsvolles Fürbittgebet an Dieter Hildebrandt selig gen Himmel, den Mann, Münchner und Kabarett-Gottvater. Und sie zitiert seine Medienkritik: "Die Öffentlich-Rechtlichen haben die Hosen gestrichen voll, und die Privaten zeigen, was drin ist."

Mut ist ihr Thema – und Angst. In Form von allerlei Phobien geistert sie ebenso durch die Welt wie der Hang zum Verzagen, gegen den die Liedermacherin Lisa Fitz zur Gitarre in alten (mit Konstantin Wecker geschriebenen) Songs poetisch ankämpft: "Nacht werd’s scho wieder" oder "Gedanken". Frivole Frechheiten der modernen Frau hat sie aber auch auf Lager, als die "die vier F", ein bisschen hinterm Englisch versteckt: "Find, follow, fuck and forget him". Sie zitiert viel an diesem Abend, unter anderem die Anarchistin, Pazifistin und rebellische Feministin Emma Goldman: "Das gewalttätigste Element einer Gesellschaft ist die Unwissenheit."

Ausgerechnet mit dieser jüdisch-stämmigen Amerikanerin leitet sie über zu jenem Song, der ihr im Februar den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen hatte, dem musikalisch minimalistisch sehr gut gemachten Poem "Ich sehe was, was du nicht siehst". Die einschlägigste von mehreren heiklen Passagen kam eher leise, das erste Wort "Rothschild" – der antikapitalistische Code der Judenhasser schlechthin – war kaum zu hören: "Wer nennt die Namen und die Sünden dieser feinen Herrn. Rothschilds, Rockefeller, Soros & Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten. Die Masterminds und grauen Eminenzen JP Morgans, Goldman Sachs und deren Schranzen, ..." reimt sie sich eine fatale Reihe von Schurken und Drahtziehern zusammen.

Sowas muss man doch wohl noch sagen dürfen? Das antijüdische Menetekel dabei ist aber, dass man – oder Lisa Fitz – inzwischen meint, es so sagen zu müssen und nicht anders: mit dem unüberhörbaren Unterton der "jüdischen Weltverschwörung". George Soros, der ungarische Holocaust-Überlebende, kapitalismus- und kommunismuskritische Milliardär, als Uni-Stifter einer "Offenen Gesellschaft" erster Staatsfeind für Victor Orban, kommt am Ende. Dazwischen die Bio-Rheinpfälzer Rockefeller – geschenkt. Leider ist das Lied voll von solchen Codes. Schade – oder schlimm. Denn für ein Versehen ist Lisa Fitz ganz sicher viel zu g’scheit.

für ein Versehen ist Lisa Fitz ganz sicher viel zu g’scheit

Vielleicht sieht sie es als Ausgleich, wenn sie nach der Pause zornig ein anderes Mastermind benennt: den Sicherheitsberater von vier amerikanischen Präsidenten Zbigniew Brzezinski – "Ex-Pollak, hasst Russen" – und Kurt Biedenkopf als einen von dessen begeisterten Gefolgsleuten outet. Wie Schröder, Köhler, Ackermann, Clinton oder Merz – alles keine Juden. Sie stänkert gegen "Titti-tainment" und klärt ihre niederbayrische Nachbarin Wimmer von der Frauen-CSU über "Massenverblödungswaffen" auf, als diese aufs Fernsehen schimpft.

Mit Basecap und Sonnenbrille widmet Lisa Fitz der digitalen Jugend ihr Lied von der Revolution, die zwar in der Luft liegt, aber bei alle dem "Laberpack" in den Foren digital "verpufft". Beim Thema "Populismus" bekommt Lieblingsfeindin "Flinten-Uschi" nachgewiesen, dass sie originale Führer-Gedanken recycelt. Auch der Verteidigugsministerin gilt das Fitz-Verdikt, sie solle "Denkschwäche nicht als Ichstärke ausgeben".

Angesichts reicher iranischer Besucher in ihrer Sauna, die züchtige Bekleidung durchsetzen wollten, schleudert die Feministin ins Publikum: "Kein Schritt zurück!". Sie jodelt aber auch, erzählt von ihrer kleinen Kinderheimat Krailling. "Die weißen Tauben sind müde", singt Lisa Fitz und schließt mit dem Vierzeiler "Die Gedanken sind frei". Die stehenden Ovationen heizt die Entertainerin dann ungeniert an. Aber die Begeisterung der Nagolder war schon echt.