Der Abitursjahrgang soll ab 4. Mai in den Räumen des OHG 2 für die bald anstehenden Prüfungen fit gemacht werden.Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Pandemie: Provisorien der Online-Bildung werden strukturierter / Kursstufenschüler ab 4. Mai wieder im OHG

Sie müssen Prioritäten setzen. Flexibel müssen sie sein. Und dabei immer im Auge behalten, dass keiner verloren geht. Den Schulen wird aktuell viel abverlangt. Am OHG bereitet man sich auf die Rückkehr der ersten Schüler vor. Und, dass aus Provisorien strukturierte Unterrichtsformen entstehen.

Nagold. Wie lange das noch so weitergeht? Wann wieder ein normaler Schulbetrieb möglich ist? Fragen wie diese treiben derzeit nicht nur die Eltern, Schüler und Lehrer am OHG um. Allein: Es fehlen die verlässlichen Antworten. Und so geht man am OHG wie an so vielen Schulen in der Region dazu über, dem Lernen in diesen Corona-Zeiten neue, feste Strukturen zu geben. Und da setzt die Schulleitung ganz klar auf die weitere Professionalisierung des Online-Unterrichts. Der Schüler, der zumindest in weiten Teilen zu Hause unterrichtet wird, per Chat und Video-Stream – an dieses Bild wird man sich in den nächsten Wochen und Monaten gewöhnen müssen. "Da muss man ganz realistisch sein", sagt Ulrich Hamann, stellvertretender Schulleiter am OHG. Abstands- und Hygieneregeln gilt es natürlich auch an den Schulen zu beachten. Und da sind wir schon bei Problem Nummer eins: der Beförderung der Schüler. "Die Busse waren ja vor Corona schon übervoll", sagt Hamann. Maximal ein Drittel könnte vielleicht noch in einem Schulbus befördert werden, um nicht gegen Abstandsregeln und Hygienevorschriften zu verstoßen. Dreimal so viele Schulbusse wie bisher? Kaum vorstellbar.

Zehn Schüler pro Klassenzimmer

Weiter geht’s mit den Problemen spätestens in den Klassenzimmern. Auch am OHG sitzen die Schüler meist dicht gedrängt in den Räumen. In Corona-Zeiten ist das undenkbar. Auf etwa zehn Kinder pro Klassenzimmer kommt Direktor Walter Kinkelin in seiner Beispielrechnung. Wie das funktionieren soll?

Diese Frage stellt sich zunächst noch nicht für die Schule. Einen Schritt nach dem anderen will man gehen. Und die Priorität liegt nun ganz auf den Abschlussschülern. Auch 2020 wird es einen Abiturjahrgang geben. Ab 4. Mai sollen die Schüler der Kursstufe 2 wieder in die Schule kommen. Dabei gelten strenge Vorschriften, zum Beispiel auch in Sachen Hygiene. Räumlich wird der Abi-Jahrgang die Klassenzimmer im OHG 2 für sich einnehmen. Zehn Schüler sitzen dann maximal in einem Raum. "Größere Kurse müssen wir da auf zwei Klassenzimmer aufteilen", sagt Kinkelin. Er verbreitet Zuversicht, mit den Großen ist das zu schaffen. So werden die Abiturienten bis zu ihren Prüfungen, die zwei Wochen vor den Pfingstferien beginnen, ja auch nur noch in ihren Prüfungsfächern unterrichtet. Wegen der Verschiebung des Abiturs und der Konzentration auf die Prüfungsfächer geht Vize-Schulleiter Hamann auch davon aus, dass die aktuellen Abiturienten mindestens genauso gut vorbereitet sind auf die Prüfungen wie ihre Vorgänger-Jahrgänge. "Vielleicht sogar besser, wenn sie die Zeit daheim genutzt haben."

Weit mehr als nur ein Corona-Lückenbüßer

Die Abis werden ab 4. Mai nicht die einzigen Schüler am OHG sein: Der Jahrgang darunter, die Kursstufe 1, kehrt ebenfalls ins reale Schulleben zurück. Die Elftklässler verteilen sich auf die Räume im OHG 1. Auch sie bekommen noch nicht das Komplettprogramm serviert. Klassischen Unterricht gibt es für sie nur in ihren Leistungsfächern sowie in Deutsch und Mathematik. Ebenfalls ausgebaut wird zudem die Notfallbetreuung für Schulkinder bis zur siebten Klasse. Doch mehr Unterricht wird es in den Schulräumen zumindest bis zum Ende der Pfingstferien nicht geben.

Und danach? Das ist ein wenig Kaffeesatzleserei. Doch natürlich kann man auch am OHG die Fakten interpretieren – sozusagen eins und eins zusammenzählen. Zehn Kinder pro Klassenraum? Sicherheitsabstände in Schulbussen? Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass der seit Mitte März geltende Ausnahmezustand, die Zeit der Provisorien, womöglich sogar bis nach den Sommerferien anhält. Und auch dafür gilt es sich zu rüsten. Nicht nur mental.

Das Home-Schooling – also der Online-Unterricht zu Hause – bekommt da einen ganz anderen Stellenwert, wird zu weit mehr als nur einem Corona-Lückenbüßer. "Bisher haben wir auf allen Kanälen kommuniziert mit den Schülern. Und das hat durchaus geklappt", erzählt Ralf Bieg, der als Abteilungsleiter am OHG unter anderem für die Bereiche Mittelstufe, Fortbildung aber auch Evaluation zuständig ist. Doch diese Zeit des Improvisierens geht nun zu Ende.

Am OHG steigt man in diesen Tagen auf das Microsoft-Programm "Teams" um. "Teams ist eine gute Lösung", sagt Bieg. Auch andere Schulen – zum Teil in der Region – hätten damit gute Erfahrungen gesammelt. Videokonferenzen, Chatten, Daten austauschen, Aufgaben lösen, Cloudspeicherung – all das sei in Teams möglich.

"Wir sind alle zusammen am Üben"

Eine der Herausforderungen dabei: Eigentlich würde man solch eine gravierende Umstellung und Vereinheitlichung des Unterrichtens mit Seminaren vorbereiten. Doch klassische Schulungen unterbleiben. "Wir sind alle zusammen am Üben", erzählt Bieg. Mit seiner Tablettklasse, einer zehnten Klasse am OHG, sammelte er viele wertvolle Erfahrungen. Alle Lehrer würden sich auf den Einsatz vorbereiten – und auch gegenseitig unterstützen.

Matthias Flury, ebenfalls Mitglied der Schulleitung, verweist unterdessen darauf, dass man als Klassenlehrer auch dafür sensibilisiert werde, darauf zu achten, dass kein Schüler abgehängt werde. "Nicht jeder Schüler hat ein eigenes Tablet", verdeutlicht er. Als ein Vorteil von "Teams" gilt zwar auch, dass relativ komfortabel mit dem Handy gearbeitet werden könnte. Dennoch wolle man sicherstellen, dass wirklich alle aktiv am Unterricht teilnehmen können. Das geht wohl nur im engen Miteinander von Schülern, Lehrern und Eltern. "Wir versuchen zu unterstützen, wo es geht", sagt Flury. Und Ulrich Hamann verweist darauf, dass es Möglichkeiten gebe, gebrauchte Geräte zu richten und zur Verfügung zu stellen. Für den Klassenlehrer – er soll beim Online-Unterricht das entscheidende Bindeglied zu den Schülern sein – komme es auch darauf an, "gezielter hinzugucken". Kommunikation ist und bleibt wichtig – das gilt auch beim Heimunterricht per Video-Chat.

Am OHG sieht man sich für die Rückkehr der ersten Schüler am 4. Mai gerüstet. Und weitere könnten folgen. Nur ein Vollbetrieb ist wohl selbst auf längere Sicht nicht denkbar. Ein Maximum von etwa 250 Schülern pro Tag sei den Vorschriften folgend denkbar, berechnet Hamann. Rund 1060 Schüler hat das Gymnasium. Längst denkt man aus diesem Grund auch am OHG über neue Wege nach – zusätzlich zum Online-Unterricht könnte durchaus eine Präsenz in der Schule geschaffen werden, vielleicht einmal in der Woche, oder im Schichtbetrieb?

Noch sind das Gedankenspiele. Und noch gilt es, andere Prioritäten abzuarbeiten. Doch undenkbar ist in diesen Zeiten wenig. Im Gegenteil: Das ist einer der positiven Nebeneffekte von Corona – es darf quergedacht werden. Auch der Einsatz der modernen Technik funktioniert auf einmal überraschend gut. Digitalisierung ist plötzlich mehr als ein überstrapaziertes Schlagwort. Ulrich Hamann ist überzeugt: "Bei der Digitalisierungs-Thematik sind wir jetzt einen Riesenschritt weiter."

Und Schulleiter Walter Kinkelin macht noch einen Pluspunkt aus: Das Gemeinschaftsgefühl wird stärker. Wie in jeder Krise. "Was wir gerade erleben, das schweißt zusammen."