Wegen des Verdachts der Vergewaltigung stehen derzeit zwei Afghanen vor dem Landgericht Tübingen. Foto: Bernklau

Zwei Afghanen sollen in Flüchtlingsunterkunft 51-Jährigen vergewaltigt haben. Aussagen widersprechen sich.

Tübingen/Nagold - Zwei afghanische Asylbewerber müssen sich seit Mittwoch vor dem Landgericht Tübingen verantworten, weil sie im Januar gemeinsam einen 51-jährigen Mann aus dem Kreis Freudenstadt in der Gündringer Asylbewerber-Unterkunft Immenstall vergewaltigt haben sollen.

Ein paar Sachen sind unstrittig. Dass es fürchterlich geregnet hat am Abend des Neujahrstags. Dass der Mann nach der in Stuttgart verbrachten Silvesternacht mit der Bahn auf dem Heimweg über Pforzheim war und in Hochdorf hätte umsteigen müssen. Dass er schon vom Bahnhof Nagold-Iselshausen aus mit dem jüngeren der beiden jetzt angeklagten Afghanen in die Flüchtlingsunterkunft marschierte. Der hatte ihm im Zug ein Nachtquartier angeboten. Klar ist auch, dass er in Zimmer 220 die Nacht verbracht hat und am Morgen darauf auf dem Polizeirevier Nagold Anzeige erstattete – wegen Vergewaltigung.

DNA der Beschuldigten lässt sich nach Untersuchung zweifelsfrei nachweisen

Die beiden Männer hatte die ermittelnde Calwer Kripo mit seinen Aussagen und Fotos von der Meldebehörde schnell ermitteln können. Sie kamen schon tags darauf in Haft. Die medizinischen Untersuchungen des 51-Jährigen hatten auch bald bestätigt, dass die Afghanen zweifelsfrei am Geschehen beteiligt waren. Ihre DNA ließ sich noch im Körper des Mannes und an seiner Unterwäsche nachweisen. Allerdings fanden sich im Rektum auch Spermaspuren eines Dritten, den der Mann bei seiner Anzeige zunächst völlig verschwiegen hatte. Erst bei einer zusätzlichen Vernehmung räumte er einen Sexualpartner aus der Stuttgarter Silvesternacht ein. Da hatte er sich mit seinem Fall aber bereits an die Öffentlichkeit gewandt – an den Schwarzwälder Boten.

Den angeklagten Afghanen stellte das Gericht unter dem Vorsitz von Mechthild Weinland Dolmetscher für ihre jeweiligen Regionalsprachen Dari und Paschtu zur Seite. Der jüngere wird unter dem Familiennamen S. geführt, der aber nicht sein eigentlicher ist. Den Falschnamen habe er sich auf Anraten seiner Schlepper hin auf der Flucht zugelegt. Sein Alter schätzte er selber – mangels Geburtsurkunde – auf etwa 25 Jahre. Sein Asylantrag war bereits vergangenes Jahr abgelehnt worden. Das waren die einzigen Angaben, die der junge Afghane zum Prozessauftakt machte. Zur Sache will er laut seinem Anwalt schweigen. Vier Ladendiebstähle in Pforzheim, die ihm auch zur Last gelegt werden, ließ er in einer Erklärung einräumen.

"Keinerlei Angaben" zu den Tatvorwürfen

H., der zweite afghanische Angeklagte, bestätigte seine Personalien und gab sein Geburtsjahr mit 1986 an. Auch er ließ durch seinen Anwalt erklären, "keinerlei Angaben" zu den Tatvorwürfen machen zu wollen. So stand zunächst nur die Anklage von Staatsanwältin Rotraud Hölscher im Schwurgerichtssaal: Man sei zu dritt ins Zimmer des Älteren gegangen. Die Angeklagten hätten Geld für die Übernachtung und dann Oralverkehr verlangt, dem Mann – als er gehen wollte und mit der Polizei drohte – seine 20 Euro und das Handy abgenommen, schließlich das Zimmer von innen verschlossen und ihn dann beide nacheinander brutal vergewaltigt. Erst am Morgen danach sei dem Übernächtigten und Verängstigten die Flucht gelungen.

Zwar verweigern die Angeklagten inzwischen jegliche Angaben vor der Großen Strafkammer. Die Zeugenaussagen dreier beteiligter Polizeibeamter jedoch brachten aus früheren Vernehmungen eine andere Version in die Verhandlung ein. Danach habe der jüngere Afghane den 51-Jährigen bereits Tage vorher in Stuttgart kennengelernt und in einer Bahnhofstoilette Sexualkontakt mit ihm gehabt. Der harte Sex in der Flüchtlingsunterkunft auch mit dem zweiten Beschuldigten sei einvernehmlich gewesen und habe dem Mann gefallen.

Das nun wieder, so ein Vernehmer, hätte den 51-jährigen später so aufgebracht, dass er "völlig durch den Wind" gewesen sei. Die Beamten erinnerten sich zwar an Angaben des Mannes, dass er sich schon Sexualkontakte erhofft habe, als er mit dem jüngeren Afghanen in die Unterkunft mitging. Vor einer solchen doppelten Vergewaltigung aber wolle er andere warnen, hatte er seine Anzeige auch gegenüber der Zeitung begründet. Auch ein ungenierter Drogenhandel mit schwarzafrikanischen Mitbewohnern des Flüchtlingsheims will den Mann empört haben, bevor es zu den sexuellen Handlungen kam.

Welche Version des Geschehens in jener regnerischen Januarnacht die wahre ist, versucht das Gericht mit weiteren Zeugen zu klären. Die psychiatrische Gutachterin Marianne Clauß soll die Glaubwürdigkeit des Anzeigenerstatters beurteilen, der für den kommenden Montag in den Zeugenstand geladen ist. Eine Anwältin vertritt ihn bislang im Prozess als Nebenkläger.