Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

"Night of Light" gerät zur spektakulären Lichter-Show im sternenklaren Nachthimmel

Es war die ganz große Lichter-Show für und über Nagold: die "Night of Light", die Protestaktion der Kultur- und Veranstaltungs-Branche. Tief rot leuchtete die Burg Hohennagold am Montagabend mit dem vielfarbigen Sonnenuntergang um die Wette – später noch um eine spektakuläre Lasershow in sternenklarer Nacht ergänzt.

Nagold. So schön – magisch – faszinierend diese wohl einzigartige Lichtinstallation am Himmel über Nagold auch geriet, der Hintergrund der Aktion ist ernst. Sehr ernst. Erklärt auch Sebastian Kalmbach, Betreiber der Nagolder Eventlocation "Teufelwerk" – die an diesem Abend ebenfalls "tiefrot" ("damit’s weh tut!") leuchtete. Mit Teufelwerk und seiner Agentur "eventBetrieb", die auf die technische Ausstattung von Großveranstaltungen aller Art spezialisiert ist, ist Kalmbach gleich "doppelt" betroffen vom anhaltenden Shutdown seiner Branche.

In den Auftragsbüchern steht "absolut nix mehr" drin

Der Blick in die Auftragsbücher? "Sehr düster!" Bis Oktober stünde da "absolut nix mehr" drin. Ein, zwei Hochzeiten im Teufelwerk im August, September seien noch nicht abgesagt (wie sonst alles andere). Aber ob die wirklich stattfinden? "Die Paare trauen sich nicht", so Kalmbach. Weil eine Hochzeits-Party beim geltenden Tanzverbot im Ländle nunmal wirklich keinen Spaß bringt: Das Hochzeitspaar dürfe zwar tanzen, so die Corona-Regeln für solche Anlässe – aber der Rest der sowieso nur extrem beschränkt möglichen Festgesellschaft nicht.

"Wer denkt sich sowas aus!?", fragt auch das Team des Teufelwerks. Und des Autokinos Nagold sowie der Alten Seminarturnhalle, die gerade bei Sebastian Kalmbach mit am großen Planungs-Tisch sitzen. Eigentlich nicht wegen der "Night of Light", sondern wegen "Nagold alive" – einem im Grunde recht ungewöhnlichen "Joint-Venture" von Teufelwerk und Alter Seminaturnhalle, mit dem ab diesem Wochenende gegen das nach wie vor geltende Verbot von Großveranstaltungen "gegen an gehalten" werden soll: Mit Live-Events im Autokino vor den Toren des Teufelwerks – wo das Publikum etwa zu den Klängen der Cover-Band "Ambience" (Samstag, 27. Juni, ab 20 Uhr) im Auto abrocken darf ("Bis die Stoßdämpfer platzen!"). Oder später – im August – im (Post)Hof der Alten Seminarturnhalle bei "Open-Air"-Konzerten mit detailliertem Abstands-Diktat.

Rechnen sich solche Events? Sebastian Kalmbach und Wolfgang Schäfer, Chef der Alten Semi, zucken die Schultern. "Darum geht es im Moment nicht", erläutert Schäfer. "Wir wollen den Veranstaltungs-Verboten mit Kreativität begegnen." Und: "Unseren Künstlern, die in der Existenz bedroht sind, mit Auftrittsmöglichkeiten helfen." Außerdem – das sagen übrigens rund um die "Night of Light" wirklich alle Kreativ-Werker, Künstler und Veranstaltungs-Profis: "Es juckt wahnsinnig in den Fingern, endlich wieder mit Aktionen loslegen zu können." Erlebnisse schaffen, die zu ewigen Erinnerungen werden. Leuchtende Gesichter beim Publikum. Applaus – immer auch für Licht und Ton. Es wird klar: Wenn nichts passiert – niemand der Kreativ-Branche zur Hilfe eilt – sieht’s spätestens nach Corona düster aus mit dem Kulturleben in unserem Land.

Hat er persönlich einen Plan B? Das Lachen von Sebastian Kalmbach wird ziemlich bitter: "Oh ja – Beton-Laster fahren!" Die rollten auch während des Corona-Lockdowns. Den nötigen Führerschein habe er – um sonst sein Event-Equipment zu kutschieren. Er kenne einige Kollegen, die sich im Moment auch als Straßenbahn- oder Busfahrer über Wasser hielten und so "um das nackte Überleben kämpfen".

Akteure dieser ganz besonderen Branche geben nicht auf

Vielleicht der einzige echte Hoffnungsschimmer an diesem leuchtenden Protest-Abend: Die Akteure dieser ganz besonderen Branche geben nicht auf, sind das Kämpfen gewohnt. Und wissen, wie man mit Kreativität, Improvisations-Talent und unendlichem Arbeitswillen auch die größten Herausforderungen meistert. Was sie eigentlich zu herrlichen Vorbildern macht – für die ganze Wirtschaft, die gesamte Gesellschaft.

Sven Wallnewitz ist auch so einer. Chef der B+C Gastro UG hier aus Nagold. Man kennt ihn als kreativen Kopf der "Barline", der reisenden Cocktail-Bar. Mit bis zu 20 Mitarbeitern "plus einem Dutzend Freelancer" stemmt er aber auch kulinarische Großevents in ganz Deutschland. Er sei gerade in Berlin gewesen – "ein Großauftrag" – als der Shutdown verkündet wurde. Das war vor 14 Wochen. Seitdem: "Null Umsatz!" Es gab Tage, da habe er "nur noch Heulen mögen". Alles, was er seit 2006 hier von Nagold aus aufgebaut habe, drohe nun komplett kaputt zu gehen. Er selbst überlebe aktuell "so gerade eben" durch ’nen Mini-Job "in einem systemrelevanten Beruf". Daher erleuchtet er an diesem Abend auch sein Lager im Alten Schlachthaus an der Calwer Straße tiefrot – "als Zeichen echter Verzweiflung".

Wallnewitz’ Hoffnung: "Dass nach diesem Abend die Politik realisiert, dass es uns gibt. Und wie dreckig es uns geht!" Im Januar noch habe er auf einem Parteitag einer im Bundestag vertretenen Partei fürs Büffet gesorgt – "aber uns wahrnehmen tut keiner". Auch sein bitteres Resümee: "Wir sind die, die keiner sieht." Und denen deshalb wohl bisher keiner hilft. "Das muss sich ganz, ganz schnell ändern!" Sonst geht in der gesamten Branche "das Licht aus" – wie nach der "Night of Light" am frühen Dienstagmorgen pünktlich um 1 Uhr auch diese magische Illumination hoch über Nagold.