Grauer Star kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen. Foto: Fritsch

Kurt Brei zeigt den städtischen Mitarbeitern gefährliche Bausünden auf. Stadt will reagieren.

Nagold - Eine behindertenfreundliche Stadt möchte Nagold sein – aber dieses Ideal ist nicht leicht zu erreichen. Oft stehen sich Stadtarchitektur und Barrierefreiheit scheinbar diametral gegenüber. In Nagold beispielsweise am neu gestalteten Gerichtsplatz und am Brunnen des Vorstadtplatzes.

Aus diesem Grund trafen sich Vertreter der Stadt Nagold mit Kurt Brei, dem blinden Vorsitzenden der Aktiven Selbsthilfegruppe Miteinander, zu einem Stadtrundgang. "Mir geht es darum, auf die Probleme hinzuweisen, die behinderten Menschen und insbesondere Blinden durch schlecht geplante Bauvorhaben entstehen können", beschreibt der 51-Jährige, der selbst mit 16 Jahren bei einem Verkehrsunfall erblindete, seine Intentionen. Und diese Probleme sind für einen Nicht -Blinden schwer zu erkennen: "Blinde orientieren sich oft an Hauswänden entlang. Wenn eine Hauswand endet, versuchen sie, gerade weiterzulaufen, um dann auf die nächste Hauswand zu treffen", erklärt Kurt Brei.

Dieses Verhalten führt dann manchmal zu Problemen – beispielsweise am Gerichtsplatz: Dort endet der Weg an einer imaginär verlängerten Hauswand entlang nämlich unweigerlich an einem 40 cm hohen Abgrund, der böse Stürze zur Folge haben kann. Aus denselben Gründen kann auch der Brunnen am Vorstadtplatz zu einer Falle für Sehbehinderte werden: Wer von der Alten Post kommend gerade weiterläuft, fällt unweigerlich hinein.

Rillen im Boden könnten in beiden Fällen die Situation für Blinde verbessern, die sich mit ihren Stöcken daran orientieren könnten. Sie lösen das Problem allerdings nicht für Sehbehinderte, die nur hell und dunkel unterscheiden können und sich deshalb meist nach oben orientieren.

Bedrohungen für Sehbehinderte vermeiden

"Gerade auch mit Blick auf die Landesgartenschau muss versucht werden, solche Bedrohungen für Sehbehinderte zu vermeiden", betont Kurt Brei. "Einheimische kennen sich hier einigermaßen aus. Ortsfremde können jedoch wesentlich mehr Probleme bekommen." Dieser Ansicht schloss sich Ordnungsamtsleiterin Silvia Walz an: "Nagold ist stets daran interessiert, eine behindertenfreundliche Stadt zu bleiben", versichert sie. "Aus diesem Grund müssen wir gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen finden, die allen dienen."

Nach eingehender Begutachtung beider Gefahrenstellen konnten mit Hilfe des Tiefbauamtsleiters der Stadt Nagold, Rafael Beier, auch Möglichkeiten gefunden werden, die Gefahrenstellen zu entschärfen und gleichzeitig die optische Gestaltung der Plätze nicht zu verunstalten: "Am Gerichtsplatz können wir die große Sitzstufe mit Fahrradbügeln und Bänken absperren" erläutert der 43-Jährige. "Vor dem Brunnen werden wir den Bodenbelag verändern." Dieser veränderte Bodenbelag, auch bei den sogenannten Kasseler Bordsteinen beispielsweise am Busbahnhof eingesetzt, hat durch seine Noppung und seine Konsistenz ein anderes Oberflächenverhalten als der restliche Bodenbelag – und kann daher sowohl von Blinden mit Stöcken als auch von Sehbehinderten aufgrund des unterschiedlichen Bodengefühls erkannt werden.

Ende gut, alles gut? Fast. "Die Tatsache, dass sich mehrere Vertreter der Stadt eine Stunde Zeit genommen haben und wir gemeinsam eine Lösung finden konnten, zeigt, dass Nagold wirklich bemüht ist, behindertenfreundlich zu sein. Allerdings wäre es schön, bei entsprechenden Projekten bereits früher, in der Planungsphase, stärker einbezogen zu werden", betonte Kurt Brei, fügte dann aber lächelnd hinzu: "Hierbei handelt es sich allerdings wirklich um Meckern auf hohem Niveau."