Jan Fitzner zeigte den Teilnehmern, wie man mit einem Gehstock Schläge abwehrt. Foto: Buchner Foto: Schwarzwälder Bote

Selbstverteidigung: Cane-Fu-Kurs der Volkshochschule Oberes Nagoldtal vermittelt Teilnehmern Schlag- und Abwehrtechniken

Wie man einen Gehstock oder Schirm zur Selbstverteidigung einsetzen kann, erfuhren die Teilnehmer eines VHS-Kurses in der Nagolder Bächlenhalle. Der 64-jährige Allgemeinmediziner Jan Fitzner zeigte ihnen Schlag- und Abwehrtechniken.

Nagold. Die Hiebe fallen dicht an dicht. Die Seniorin schlägt mit zunehmender Begeisterung und nachlassender Intensität auf das Polster ein. Schließlich packt sie den Stock mit beiden Händen und unterstützt ihre Anstrengungen mit einem gellenden Schrei. Erst als das voluminöse Kissen von dem Tischchen zu Boden fällt, hält sie inne.

Jan Fitzner sieht’s mit Wohlwollen. Der 64-Jährige unterrichtet Cane-Fu – Selbstverteidigung speziell für Senioren unter Zuhilfenahme von Gehstöcken und Schirmen. Cane-Fu ist ein Wortspiel – zusammengesetzt aus dem englischen Wort für Gehstock und der zweiten Hälfte des Begriffs Kung Fu, der im Chinesischen Oberbegriff für eine Reihe von Kampfkünsten ist.

Legale Waffe

Die Grundidee, so Fitzner, sei "legale Bewaffnung", vor allem Senioren ein Instrument an die Hand zu geben, das körperliche Nachteile gegenüber jüngeren, stärkeren und beweglicheren Angreifern ausgleicht. Und da viele im Alltag ohnehin auf eine Gehhilfe angewiesen sind, ist die "Waffe" auch tatsächlich verfügbar, sollte sie denn benötigt werden.

Schon Methusalix – das ist der Dorf-Senior aus den Asterix-Heften – wusste seinen Stock bei Raufhändeln mit Nachbarn und Römerhorden zu seinem Vorteil nutzen (und ansonsten nachdrücklich damit zu fuchteln). Jan Fitzner, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in Wendlingen, hat zu Schulzeiten Judo trainiert und es später im Wing Chun – einer Form des Kung Fu – bis zum Meistergrad gebracht. Schließlich beschäftigte er sich mit den philippinischen Stockkampfkünsten Arnis und Escrima, Irischem Stockkampf und letztlich auch mit Cane-Fu, das gerade in den Vereinigten Staaten einen Boom erlebt, hierzulande aber kaum gelehrt wird. Er passte das System an die Bedürfnisse von Senioren an, hat vor allem die Hebel- und Wurftechniken herausgenommen, "weil wir uns mit Arthrose und Osteoporose nicht dauernd auf den Boden werfen können und weil das dann zu trainingsintensiv wäre und viel zu lange dauern würde".

Wirkung dank Technik

Seine "Schüler" in Nagold sind sechs Teilnehmer eines sechsstündigen VHS-Seminars "Cane-Fu – Selbstverteidigung für Senioren". Fitzner zeigt ihnen, wie sie den Stock richtig halten und mit welcher Technik ein Schlag oder Stoß das Maximum an Wirkung entfaltet.

Die dabei entstehenden Kräfte könnten so gewaltig sein, dass handelsübliche Stöcke oder Schirme dem nicht gewachsen sind, warnt Fitzner. "Die Holzstöcke splittern, die aus Aluminium knicken", warnt der Kursleiter. Für das Seminar hat er geeignete Gehhilfen mitgebracht – "das sind eigentlich kleine Bäume, beispielsweise Kastanien, die man auf Stockgröße hat wachsen lassen und dann abgesägt und in Form gebracht hat." Auch einen für den Einsatz als Waffe tauglichen Schirm hat Fitzner mitgebracht, außerdem – als Anschauungsstück – einen philippinischen Kampfstock aus Rattanholz.

Anreiz zum Umdenken

Der 64-Jährige demonstriert den Teilnehmern auch, wie ein Stock zur Abwehr von Angriffen benutzt werden kann, erklärt, warum es besser ist, den Stock nur mit einer Hand zu halten und mit der anderen zu stützen ("dann kann Ihnen der Angreifer nicht so leicht auf die Finger hauen") und wie man bewegungsökonomisch von einer Position in die andere wechselt. Immer wieder lässt er sie das eben Gezeigte üben.

Nebenbei bleibt Zeit für Gespräche – unter anderem auch darüber, ob man sich im Ernstfall überhaupt zur Wehr setzen soll oder ob es gefahrloser ist, sich einfach zu fügen. Jan Fitzner meint dazu, dass viele Angreifer es eigentlich nicht auf eine körperliche Konfrontation abgesehen haben, sondern nur auf der Suche nach einem vermeintlich leichten Opfer sind – "und wenn sich das dann als überraschend wehrhaft erweist, kann das den einen oder anderen schon zum Umdenken bringen."

Weitere Informationen: Der nächste Cane-Fu-Kurs der Volkshochschule Oberes Nagoldtal findet am Samstag, 11. Mai, im Alten Rathaus in Altensteig statt.