Das Amtsgericht Nagold hat einen Stalker zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Foto: Archiv

51-jähriger Mann wird vom Nagolder Amtsgericht zu Bewährungsstrafe verurteilt.

Nagold - Als sie nichts mehr von ihm wissen wollte, startete der Angeklagte einen gnadenlosen Rache- und Vernichtungsfeldzug gegen die Schweizerin. Das Amtsgericht Nagold verurteilte den 51-jährigen Schwerbehinderten aus der Region Nagold zu einer Bewährungsstrafe. Außerdem muss er einige Auflagen erfüllen.

Kennengelernt hatte sich das Paar Anfang 2017 im Internet. Sie telefonierten zu festgelegten Zeiten miteinander, tauschten Textnachrichten aus und verschickten erotische Bilder, auf einigen trug sie nur Unterwäsche oder war nackt. Im April 2018 teilte ihm die Freundin mit, nicht mehr an der Fernbeziehung interessiert zu sein.

Frau war verheiratet und Mutter

"Ich habe sie geliebt", erklärte der Angeklagte in der Verhandlung. Aus den Akten – Richter Martin Link musste sich nach eigener Aussage durch drei dicke Leitz-Ordner kämpfen und brauchte dafür zehn Stunden – geht hervor, dass der Beschuldigte den Schlussstrich nicht akzeptierte.

Als sich die Schweizerin trotz mehrmaliger Kontaktversuche nicht mehr meldete und der 51-Jährige herausfand, dass seine Internetbekanntschaft verheiratet war und Mutter zweier Kinder, "war ich stinksauer und wütend wie nie", versuchte er sein Verhalten zu rechtfertigen. Trotz der veränderten Situation verlangte er von der Schweizerin, den Kontakt nicht abzubrechen, sonst würde er den Ehemann informieren und sie in ihrem Wohnort aufsuchen.

Aus Angst nicht mehr aus dem Haus gegangen

Als die Reaktion ausblieb, besorgte er sich die Adressen von Verwandten, Vereinsoberen, Kirchenmitarbeitern, einer Metzgerei und Schreinerei, eines Friseurgeschäfts und der Firma ihres Mannes in dem 1090 Einwohner zählenden Dorf und verschickte intime E-Mails mit nackten Aufnahmen seiner Internetfreundin.

Die Nachstellungen führten dazu, dass die Schweizerin Angst hatte, überhaupt das Telefon abzunehmen, sie verließ kaum noch das Haus, pflegte keine Freundschaften mehr und spielte sogar mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen, wie sie bei der Vernehmung durch die Polizei angab.

"Was ich getan habe, war nicht in Ordnung"

Trotz einer Wohnungsdurchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Geräte am 30. April 2019 machte der 51-Jährige mit einem anderen Informationsmedium weiter. "Was ich getan habe, war nicht in Ordnung", gab der Angeklagte zu. Trotz der Ablehnung habe er die Hoffnung gehabt, dass sie auch in Zukunft weiter miteinander chatten. Dass der Stalker das halbe Dorf mit pikanten E-Mails versorgte und nicht einmal davor zurückschreckte, Mitarbeitern der Firma ihres Mannes erotische Aufnahmen zu schicken und sie damit in aller Öffentlichkeit bloßgestellt wurde, bezeichnete der Richter als Riesensauerei, die durch nichts zu rechtfertigen sei. Martin Link: "Ist Ihnen überhaupt klar, was Sie der Familie angetan haben? Wenn Sie den leisesten Funken von Anstand haben, dann schämen sie sich in Grund und Boden."

Mit dem Hinweis, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, zweimal verheiratet war, eine Tochter hat, die woanders lebt und dass er eine Rente von 850 Euro bezieht, wurde die Beweisaufnahme geschlossen.

51-Jähriger nimmt Urteil an

Staatsanwältin Emine Gül-Gedik warf dem Stalker vor, sich in elf Fällen der Nachstellung mit Tateinheit der Bedrohung und Nötigung schuldig gemacht und einen unbarmherzigen Rachefeldzug geführt zu haben. Negativ aufgefallen sei ihr, dass der 51-Jährige in der Verhandlung keine echte Reue gezeigt, sondern hauptsächlich seine Gefühlslage ("ich habe seither Erektionsprobleme") beschrieben habe. Sie forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung und die Zahlung von 2000 Euro an eine gemeinnützige Organisation.

Verteidiger Martin Hammer leugnete nicht, dass sein Mandant eine "schlimme Tat" begangen habe. Zu berücksichtigen sei, dass er die Verfehlungen eingeräumt habe. Hammer sprach sich für eine "milde Bewährungsstrafe" und die Zahlung von 500 Euro Schmerzensgeld an die Geschädigte aus.

Richter Link verurteilte den Täter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Er darf sich in den nächsten drei Jahren nichts zuschulden kommen lassen, muss 1500 Euro Buße an den Weißen Ring bezahlen und bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Außerdem wurde ein Kontaktverbot ausgesprochen. Der 51-Jährige nahm das Urteil nach Rücksprache mit seinem Verteidiger an.