Der Müllwagen stürzte am 11. August auf ein Auto und tötete fünf junge Menschen. Foto: Bernklau

Müllwagenunglück: Anklage lautet auf fahrlässige Tötung. Gutachter kann keine technischen Mängel feststellen.

Nagold/Tübingen - Mehr als drei Monate nach dem tragischen Müllwagenunfall bei Nagold, bei dem fünf junge Menschen ihr Leben verloren, steht für die Staatsanwaltschaft Tübingen fest: Ursache des Unfalls war nicht ein technischer Defekt sondern das Fehlverhalten des Fahrers. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Mann Anklage wegen fahrlässiger Tötung in fünf Fällen erhoben.

Diesen Tag werden Nagold und die ganze Region wohl nie vergessen. In den Mittagsstunden des 11. August 2017 kippt ein 20 Tonnen schwerer Müllwagen auf der Landesstraße L 361 auf den Kleinwagen einer Familie aus Mötzingen. Zwei kleine Kinder, ein junges Paar und die Schwester der Fahrerin sind sofort tot. Viele Menschen sind erschüttert und geschockt, fragen sich wie dieses Unglück passieren konnte.

Für die Staatsanwaltschaft in Tübingen ist diese Frage nun geklärt. Nach intensiven Ermittlungen und einem ausführlichen Unfallgutachten steht für die Ermittler fest, dass in dem Fall kein technisches Versagen am Unfallwagen vorlag.

Ursache der Tragödie sei vielmehr ein Fehler des 54-jährigen Fahrers gewesen, der schlicht zu schnell unterwegs war. Die schweren Folgen wären für den Fahrer "vorhersehbar und vermeidbar gewesen, wenn er die Linkskurve mit einer angepassten Geschwindigkeit von 30 km/h befahren hätte", so die Tübinger Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung vom Mittwoch. Deswegen habe man gegen den 54-Jährigen Anklage wegen fahrlässiger Tötung in fünf Fällen erhoben.

Für die Ermittler stellen sich die Ereignisse des 11. August so dar: Der Fahrer sei mit dem Müllwagen seines Arbeitgebers vom Industriegebiet Wolfsberg kommend auf der abschüssigen Graf-Zeppelin-Straße in Nagold gefahren – zunächst mit angemessenem Tempo. Vor der gut einsehbaren und übersichtlichen Linkskurve kurz vor der Einmündung in die Landesstraße 361 habe der Lastwagen beschleunigt. In dieser Situation habe der Fahrer zu spät bemerkt, dass diese Kurve mit 50 Stundenkilometern nicht zu befahren war. Daraufhin sei der 20 Tonnen schwere Mülllaster "vorhersehbar und vermeidbar" außer Kontrolle geraten, wie es die Staatsanwaltschaft formuliert.

Bremsanlage in einem einwandfreien Zustand

An der Einmündung zur Landesstraße habe der Fahrer versucht, das Fahrzeug nach rechts Richtung Mötzingen zu steuern. Doch für dieses Abbiegen sei der Wagen zu schnell gewesen, er driftete auf die Gegenfahrbahn ab, kippte nach links um und fiel auf den in diesem Moment aus Richtung Mötzingen kommenden VW Golf der jungen Familie. Die fünf Menschen starben noch an der Unfallstelle. Der 26-jährige Beifahrer des Lastwagens erlitt Prellungen und Schnittwunden.

Dass technische Mängel am Müllfahrzeug eine Rolle bei dem Geschehen gespielt haben, schließt die Staatsanwaltschaft nach dem Gutachten eines Sachverständigen aus. Bei seinen umfangreichen technischen Untersuchungen habe der Sachverständige keine Mängel entdecken können, die das Unfallgeschehen erklären könnten, so die Ermittler der Staatsanwaltschaft Tübingen. Vielmehr habe sich die Bremsanlage in einem technisch einwandfreien Zustand befunden. Mängel im Bereich der Bremsen habe man ausschließen können. Laut Sachverständigem sei der Lastwagen "in einem sehr guten Zustand gewesen". Es seien auch keine Fehler feststellbar gewesen, die auf ein selbsttätiges Beschleunigen des Wagens schließen ließen. Es verbleib ein Bedienfehler des Fahrers als Unfallursache, heißt es im Schreiben der Staatsanwaltschaft.

Im Zuge der Ermittlungen haben Polizei und Staatsanwaltschaft auch den Fahrer selbst unter die Lupe genommen. Dabei fanden sie heraus, dass Alkohol keine Rolle bei dem schlimmen Unfall gespielt hat. Auch auf körperliche Mängel des Fahrers habe es keine Hinweise gegeben.

"Das war für alle kein einfacher Fall"

Drei Monate sind seit dem Unfall verstrichen. Eine Erklärung für diese lange Zeitspanne lieferte Staatsanwältin Tatjana Grgic im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. "Das Gutachten war einfach sehr umfangreich, immer wieder standen Ermittler und Gutachter miteinander in Kontakt, tauschten ihre Ergebnisse aus", sagte Grgic. Zeugenaussagen und die Stellungnahme des Unfallfahrers habe man intensiv überprüfen müssen. Auch für die Staatsanwälte seien diese Ermittlungen außergewöhnlich gewesen, berichtet die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Tübingen. "Das war für alle kein einfacher Fall", so Grgic, die von einem "fürchterlichen" Geschehen spricht und einer großen Tragik auf beiden Seiten – natürlich auf der Seite der Opfer, aber auch auf der des jetzt angeklagten Unfallfahrers. Auch der müsse mit den Ereignissen leben.

Wann der Prozess vor dem Tübinger Landgericht beginnen wird, ist noch nicht klar. Sollte der Mann dort schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.