Frostige Zeiten: Die Schließung des Gertrud-Teufel-Seniorenzentrums ist zwar beschlossen – soll aber nochmals diskutiert werden. Foto: Fritsch

SPD-Fraktion drückt auf Bremse: Nichtöffentlicher Beschluss wird noch mal öffentlich debattiert. Mit Kommentar

Nagold - Die Entscheidung des Nagolder Gemeinderats, das Gertrud-Teufel-Seniorenzentrum zu schließen, schlägt hohe Wellen in der Stadt. Jetzt stellt die SPD-Fraktion den Antrag, weitere Entscheidungen in der Sache vorerst ruhen zu lassen. Auch, weil der Beschluss nicht in öffentlicher Sitzung gefasst wurde.

"Der Gemeinderat hat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten im nichtöffentlichen Teil ohne ausreichende Vorberatung die Betriebsaufgabe des Gertrud-Teufel-Seniorenzentrums beschlossen", heißt es in einer Stellungnahme der SPD-Fraktion, in der die Verwaltung dazu aufgefordert wird, "keine voreiligen Entscheidungen zu treffen". Für SPD-Fraktionschef Daniel Steinrode ist klar: "Wir sind der Meinung, dass das kein rechtskräftiger Beschluss war", erklärte er am Mittwoch auf Anfrage unserer Zeitung. Ein so weitreichender Beschluss könne vom Gemeinderat rechtswirksam nur in öffentlicher Sitzung gefasst werden. Der Beschluss von der Sitzung am 18. Dezember 2018 wird von der SPD denn auch nur als "Vorberatung" gewertet.

Dennoch wurden mit dem nichtöffentlichen Beschluss natürlich Fakten geschaffen, die sich kaum wieder umkehren lassen dürften: Die Mitarbeiter wurden noch vor Weihnachten über die angestrebte Schließung informiert. Und auch den Bewohnern und den Gästen der Tagespflege gingen entsprechende Schreiben zu.

Wie genau das Abstimmungsergebnis in der nichtöffentlichen Sitzung ausgefallen ist, dass darf Steinrode nicht verraten. Doch man braucht kein Prophet zu sein, um zu ahnen, dass die SPD-Räte wohl dagegen gestimmt haben. "Wir sind der Meinung, dass die Folgen sowie Möglichkeiten, die Betriebsaufgabe zu verhindern, nicht ausreichend vom Gemeinderat diskutiert wurden. Außerdem halten wir das Informieren der Mitarbeiter zwei Tage vor Weihnachten über ihren Arbeitsplatzverlust für moralisch fragwürdig", schreibt Steinrode. Nach Meinung der SPD hätte man den Mitarbeitern die Möglichkeit eröffnen müssen, einer öffentlichen Debatte beizuwohnen sowie die Argumente der Räte selbst hören zu können.

"Weitere Möglichkeiten"

Kritik äußert die SPD-Fraktion auch am generellen Beschluss. Das Heim zu schließen halte man für falsch. "Die Sozialdemokraten glauben nicht, dass ausreichend nach Alternativen gesucht wurde", erklärt Steinrode.

In ihrem Antrag will die SPD von der Verwaltung wissen, wie viele potenzielle Interessenten angefragt wurden und welche potenziellen Investoren kontaktiert wurden, die den Betrieb des GTSZ möglicherweise fortführen könnten. Wörtlich heißt es: "Die SPD-Fraktion fordert die Verwaltung auf, die Entscheidung/Abstimmung über das weitere Vorgehen in Sachen Gertrud-Teufel-Seniorenzentrum zurückzustellen, bis weitere Möglichkeiten geprüft wurden."

"Wir glauben, dass noch nicht alle Möglichkeiten geprüft wurden", heißt es in der Pressemitteilung der SPD. Daniel Steinrode fügt hinzu: "Pflegeplätze werden in Nagold sowie in seinen Teilorten gebraucht. Die Stadt sollte sich viel mehr darum bemühen, weitere Anbieter an Pflegeplätzen für Nagold und seine Teilorte zu gewinnen, statt Pflegeplätze zu streichen."

Zumindest der Forderung nach einer öffentlichen Debatte wird die Stadt nachkommen. Bereits bei der Neujahrsansprache hatte OB Jürgen Großmann angekündigt, Debatte und Beschluss auch noch öffentlich führen zu wollen. Am Dienstag, 5. Februar, steht der Punkt nun auf der öffentlichen Tagesordnung des Gemeinderats. Auf Nachfrage erklärte Großmann: "Wir müssen das auch öffentlich debattieren und beschließen, auch wenn das Thema schon durch ist." Dass der Beschluss in der Dezembersitzung nichtöffentlich gefasst wurde, verteidigt Großmann dennoch. Private Interessen der Mitarbeiter und Bewohner hätten das erfordert.

Kommentar: Armutszeugnis

Von Heiko Hofmann

Einen Streit öffentlich auszutragen, das ist so ziemlich jedem zuwider. Und doch kann es Sinn machen. Wenn in Nagolds Gemeinderat die Zukunft des Gertrud-Teufel-Seniorenzentrums diskutiert wird, ja wenn sogar ein Beschluss gefällt wird, das Heim zu schließen – dann ist es geradezu grotesk, diese Debatte nichtöffentlich zu führen. Das ist Wasser auf die Mühlen all derer, die "denen da oben" vorwerfen, dass sie "eh machen, was sie wollen". Das Schicksal der Bewohner und der Mitarbeiter des Seniorenzentrums bewegt jeden in der Stadt. Und doch fällt der Beschluss zur Schließung in nichtöffentlicher Sitzung – über die Köpfe aller Bürger hinweg. Am demokratischen Meinungsbildungsprozess konnten weder Mitarbeiter noch Bewohner oder deren Verwandte teilnehmen. Mit Verlaub: Das ist ein Armutszeugnis für die Streitkultur in dieser Stadt.

Info: Öffentlichkeit der Sitzungen

Das Thema Öffentlichkeit von Ratssitzungen ist in der Gemeindeordnung in Paragraf 35 geregelt. Dort heißt es unter anderem:

"(1) Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden (...)"