Eberhard Schwarz, Vorsitzender des Stadtseniorenrats, berichtet über die aktuelle Situation, in der sich Senioren in Nagold befinden.Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Coronavirus: Für die Wiederaufnahme einiger Angebote und Veranstaltungen des Stadtseniorenrats besteht noch Hoffnung

Nagold. Die Corona-Pandemie verlangt einem einiges ab. Viele Menschen sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Kontaktbeschränkungen erschweren die Möglichkeiten zum sozialen Ausgleich.

Senioren sind dazu auch noch auf eine andere Weise von der aktuellen Entwicklung betroffen. Eberhard Schwarz, Vorsitzender des Nagolder Stadtseniorenrats, beantwortet unsere Fragen.

Wie ergeht es Senioren in Nagold mit dieser ungewohnten und einschränkenden Situation?

Senioren sind nicht gleichzusetzen: Es gibt diejenigen in der dritten Lebensphase, die noch rüstig sind, selbst einkaufen, Auto fahren und spazieren gehen und wandern können. Für diese Seniorengruppe ist die Corona-Krise selbstverständlich im Rahmen der Corona-Schutzbestimmungen auch einschränkend. Gerade im Hinblick auf die persönlichen Kontakte, die sie vorher pflegen konnten. In der vierten Lebensphase ist die Veränderung gravierender, da sie immer zuhause bleiben müssen und nicht mehr von den Familienangehörigen betreut werden können. Da hinterlässt die Einsamkeit bereits deutliche Spuren. Und auch in den Pflegeheimen ist dies inzwischen ein großes Problem.

Welche Möglichkeiten nutzen Senioren, um sich aktiv zu halten?

Viele der körperlich und geistig fitten Senioren, machten zum Beispiel jeden Tag Spaziergänge im Wald, hielten sich sportlich fit bei Übungen im Fernsehen, arbeiteten im Garten, sortierten Fotos, machten mit beim Hirnjogging, nutzen das Smartphone für die Kommunikation, oder nutzen Skype oder Zoom. Da sind wir froh, dass wir in den vergangenen zwei Jahren vielen Menschen mit unserer Smartphone-Schulung das Rüstzeug dazu geben konnten. Was allen natürlich fehlte, war die gemeinsame lustige Bewegung in der Gruppe, wie zum Beispiel unsere Gymnastikgruppe "Bewegung im Park", oder die Schwimm- und Tanzgruppen. Als sportlicher Ausgleich haben viele wieder die Freude am Radfahren entdeckt. So mache auch ich meine Besorgungen mit dem Fahrrad.

Wie sehr vermissen Senioren ihre Freunde und Angehörige?

Wie wir uns alle vorstellen können, war es schrecklich, dass plötzlich die Kinder, Enkel und die Familie nicht mehr zu Besuch kommen durften. Dies war für viele nicht nachvollziehbar und einfach schrecklich. Auch, dass sie selbst das Haus kaum noch verlassen konnten. So war das sehr gute Angebot der Stadt "Nagold hilft Nagold" ein wahrer Segen. Konnten doch viele ältere und auch hilfsbedürftige Menschen, die nicht mehr in die Stadt gehen konnten, ihre Einkäufe durch die ehrenamtlichen jüngeren Menschen und Mitglieder der Feuerwehr erledigen lassen. Besonders schlimm ging es den Menschen in den Pflegeheimen, die keine Besuche ihrer Angehörigen mehr bekamen und das nicht verstehen konnten, weil sie zum Beispiel an Demenz erkrankt waren.

Seit dem 18. Mai dürfen Seniorenzentren in Baden-Württemberg den Besuch wieder gestatten. Lockerungen könnten künftig nach und nach eintreffen. Gibt es von Ihrer Seite aus Bedenken?

Ich sehe keine Bedenken, da die Familienangehörigen und Freunde ganz froh und glücklich darüber sind, wieder Besuche machen zu können. Trotz der Lockerungen wissen wir alle, dass das Coronavirus immer noch eine Gefahr für uns darstellt, weshalb ganz bestimmt alle Schutzmaßnahmen weiterhin eingehalten werden.

Kann der Stadtseniorenrat weiterhin Angebote aufrechterhalten, oder musste vorerst alles stillgelegt werden? Wie gehen Sie und ihre Vereinskollegen mit der Situation um?

Alle unsere Angebote wurden selbstverständlich stillgelegt, sogar unsere Bücherkiste wurde wegen der Ansteckungsgefahr geschlossen. Meine Kollegen und ich halten digital den Kontakt zueinander.

Wie beschäftigt waren Sie in den vergangenen Wochen? Hatten Sie viel Kontakt mit Einrichtungen und der Stadt Nagold?

Insgesamt war ich natürlich, so wie die meisten Menschen, durch das Coronavirus in meinen Kontakten eingeschränkt. Ich beteilige mich jedoch bei einem Projekt der Urschelstiftung "Corona Maßnahmen". Hier machten wir uns Gedanken, wie und wo wir helfen und unterstützen können. Neben der Unterstützung und Dankesaktion für Pflegende- und Helfergruppen, Obstverteilung in den Pflegeheimen, Versorgung des Testzentrums auf dem Eisberg, verteile ich im Rahmen dieses Projekts immer wieder die "Apotheker-Rundschau" in den Pflegeheimen und im "Betreuten Wohnen" beim Seniorenzentrum Martha-Maria, Gertrud Teufel und Riedbrunnen. Wir haben einen Telefondienst für einsame Personen, die gepflegt werden ins Leben gerufen, haben dafür auch viele Ehrenamtliche gefunden, die mitgemacht hätten, aber leider hat sich nur eine Person gemeldet, die dieses Angebot wahrnehmen wollte.

Mit welchen Anliegen Nagolder Senioren wurde der Stadtseniorenrat während der Pandemie regelmäßig konfrontiert?

Der Stadtseniorenrat konnte auf telefonische Anfragen Unterstützung und Hilfe geben. In der letzten Zeit lag der Schwerpunkt der Anfragen hauptsächlich darauf, wann die wöchentlichen Sprechstunden im Bürgerzentrum wieder stattfinden. Es wurde unter anderem nach der "Bewegung im Park", nach dem leider ausgefallenen Smartphone-Kurs und auch nach unserem Vorsorgeverfügungskurs, den wir zusammen mit der Volkshochschule anbieten, gefragt.

Müssen geplante Veranstaltungen wie der große Seniorennachmittag, Bürgerreisen, gemeinsame Gymnastik und Filme schauen allesamt abgesagt werden, oder gibt es für einzelne Projekte noch Hoffnungen, dass sie in diesem Jahr noch stattfinden können?

Der große Seniorennachmittag wurde bereits im Januar dieses Jahres wegen der Stadthallenrenovierung auf 2021 verschoben. Die Bürgerreise nach Jesenice musste wegen Corona abgesagt werden. Einen neuen Termin gibt es noch nicht. Wie es mit unserem Projekt "Beste Genesung zu Hause", ein Angebot im Rahmen der Kliniknachsorge für ältere Menschen, die sich nach einem Klinikaufenthalt für einige Wochen Begleitung und Unterstützung wünschen, weitergeht, kann ich im Moment noch nicht einschätzen. Hoffnung gibt es auch für den "besonderen Film" und für "Senioren lesen für Senioren", von dem wir hoffen, dass es im Herbst wieder angeboten werden kann.

Zur imminenten Schließung des Seniorenzentrums Gertrud Teufel, wo es mittlerweile keine Bewohner mehr gibt: Hat die Umsiedlung der Bewohner in andere Heime gut geklappt, oder gab es auch Härtefälle?

Für viele Heimbewohner war der Umzug in die neuen, fremden, eventuell weiter entfernten Heimplätze, eine sehr schmerzliche Veränderung. Gerade in dieser schwierigen Zeit – ohne Familien und Freunde an ihrer Seite. Der Stadtseniorenrat war nicht eingebunden in die Planung und den Umzug in die neuen Heime, deshalb kann ich weder zu eventuellen Härtefällen, noch dazu, wie es den Menschen mit den Umzügen gegangen ist, etwas sagen. Ich vermute jedoch, dass es viele Tränen, Abschiedsschmerz und auch Angst vor der Zukunft gab. Deshalb vertrete ich meinen Standpunkt auch heute noch, dass zuerst die neuen Pflegeheime hätten gebaut werden sollen, dann erst hätte das Gertrud-Teufel-Seniorenzentrum geschlossen werden können. Somit wäre den Bewohnern viel Not und Verzweiflung erspart geblieben.

In welche Einrichtungen hat es die ehemaligen Bewohner denn hingezogen?

Natürlich war es der Wunsch der meisten ehemaligen Bewohner des Gertrud-Teufel-Seniorenzentrums, direkt in Nagold eine neue Heimat zu finden. Dabei war das Seniorenzentrum Martha-Maria sehr gewünscht, konnte aber wegen Aufnahmestopp niemanden mehr aufnehmen. 

Private Betreiber planen bereits neue Einrichtungen. Laut Bürgermeister Hagen Breitling habe Nagold dann so viele Pflegeplätze wie noch nie zuvor. Wie erfreulich klingt dies?

Das klingt sehr erfreulich in den Ohren des Stadtseniorenrates! Wenn zukünftig in Nagold Seniorenheime gebaut werden, sind wir sehr froh. Dann gibt es vielleicht mehr Pflegeplätze, als wir je hatten. Und so wäre die Zukunft bezüglich des ständig wachsenden Bedarfes hoffentlich für viele Jahre gesichert.

Wie plant der Stadtseniorenrat wieder in die "Normalität" einzusteigen? Gibt es dazu bereits Ideen?

Mit Ideen und Plänen beschäftigen wir uns gerne. Vom Leiter des Ordnungsamtes, Herrn Achim Gräschus, hat die Urschelstiftung die Freigabe erhalten, dass die Präsenzzeiten der einzelnen ehrenamtlichen Gruppen ab Mitte Juni im Bürgerzentrum wieder möglich sind. Somit ist für den Stadtseniorenrat der Einstieg in die "Normalität" mit den wöchentlichen Sprechstunden ganz gut gegeben. Unser Sportangebot "Bewegung im Park" wird durch die geplanten Lockerungen sicherlich bald wieder möglich sein. Der "besondere Film" kann eventuell unter besonderen Auflagen auch wieder angeboten werden. Dies alles müssen wir gemeinsam genau besprechen und planen, um es dann bekannt geben zu können. Wir im Vorstand und die Projektleiter sind ein wertvolles Team, die gemeinsam in dieser Zeit unterstützend und verantwortlich die Zukunft unserer Projekte und Aufgaben in Angriff nehmen. Ich bedanke mich dafür ganz herzlich bei allen. Ohne sie wäre diese wertvolle Seniorenarbeit nicht möglich.  Die Fragen stellte Giuseppe Schillaci.