Jürgen Gutekunst sprach mit Blick auf das Parkhausprojekt gar von einem "ökologischen Beitrag", weil dann weniger Autofahrer auf der Suche nach Parkraum durch die Stadt fahren würden. Foto: Fritsch

Zu geplantem Millionenprojekt in Calwer Straße gehen Meinungen im Stadtrat weit auseinander.

Nagold - Im Eiltempo haben die Mitglieder des Technischen Ausschusses Bauaufträge in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro vergeben, um dann bei einer 70.000 Euro teuren WC-Anlage hängen zu bleiben. Um dieses stille Örtchen entzündete sich ein heftiger Schlagabtausch über ein Projekt, das mit dieser Toilette in direktem Zusammenhang steht: das millionenschwere Parkhaus Nord.

"Es gibt zwei Lieblingsthemen in Nagold", führte Oberbürgermeister Jürgen Großmann launisch in die Debatte ein: "Parken und öffentliche Toiletten". Doch so schnell wie die anderen sieben Tagesordnungspunkte zuvor war die sanitäre Angelegenheit nicht abgehakt. Daniel Steinrode, SPD-Fraktionschef, nahm dieses Toilettenhäuschen zum Anlass, seine bereits im Rat geäußerte Forderung zu wiederholen: das Parkhaus Nord, also den Ausbau der OHG-Tiefgarage für mehr als fünf Millionen Euro, auf Eis zu legen. Steinrode verwies auf die angespannte Haushaltssituation und befand in diesem Zusammenhang, dass dieses Projekt "nicht in die Zeit passt". Deswegen, so kündigte er an, würden die Genossen auch nicht der 70.000 Euro teuren selbstreinigenden WC-Anlage, das auf dem neuen "Stadtraum" errichtet werden soll, zustimmen. "Wir wissen ja nicht, was links und rechts passiert", pflichtete SPD-Stadtrat Wolfgang Schleehauf seinem Fraktionschef bei.

Stadtoberhaupt Jürgen Großmann befand wiederum, dass der Ort für eine der modernsten öffentlichen Toiletten in der Innenstadt "genau richtig" gewählt sei. Vor allem aber wunderte er sich, dass die Genossen ein Projekt in Frage stellen würden, das bereits vor 15 Jahren mit einem Grundsatzbeschluss im Gemeinderat auf den Weg gebracht worden sei – also noch in der Ägide seines Vorgängers. An Steinrode gerichtet formulierte Großmann spitz: "Was glauben Sie, wann kommt die richtige Zeit?"

Wann ist die richtige Zeit?

Eine Frage, die CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäfer umgehend beantwortete und damit auch die Mehrheitsmeinung im Ausschuss zusammenfasste: "Jetzt ist die richtige Zeit." Schäfer las Steinrode förmlich die Leviten: "Für die Taktiererei der SPD habe ich keinerlei Verständnis." Den Neubau einer Stadthalle hält Schäfer in den kommenden 15 Jahren für "völlig ausgeschlossen". Wer darauf spekuliere, verschiebe den Bau des unterirdischen Parkhauses auf den "Sankt Nimmerleinstag". Der Stadthalle, argumentierte Schäfer, fehle es zudem bei Großveranstaltungen an genügend Parkraum für die Besucher. Mancher Veranstalter würde bereits überlegen, ob er angesichts dieser Parkplatznot überhaupt noch die Stadthalle buchen soll. "Das duldet keinen Aufschub", meinte der CDU-Fraktionschef, zumal bald durch den IHK-Neubau in der Lange Straße auch die dortigen Parkplätze wegfallen würden. Wer jetzt dieses Millionenprojekt verschieben wolle, habe "Angst vor der eigenen Courage", sagte er an die Adresse der Genossen gerichtet und nannte deren Haltung "rückwärtsgewandt und rückständig". Zumal die SPD noch im Sommer moniert hätte, die öffentliche Hand würde zu wenig investieren.

Unterstützung bekam Schäfer von der FDP. Jürgen Gutekunst sprach mit Blick auf das Parkhausprojekt gar von einem "ökologischen Beitrag", weil dann weniger Autofahrer auf der Suche nach Parkraum durch die Stadt fahren würden. Kurzum: "Wir müssen das Projekt durchziehen."

Sozialdemokrat Schleehauf konterte mit dem Vorschlag, dass die Stadt mit der IHK nochmals "sprechen" soll, ob in der neuen Tiefgarage in der Lange Straße nicht zusätzliche Parkplätze realisiert werden könnten. Doch Großmann machte wenig Hoffnung: Der IHK-Neubau sei bereits als Tiefgarage "komplett unterhöhlt".

Schäfer spricht von Milchmädchenrechnung

Worauf SPD-Fraktionschef Steinrode die Rechnung für die Stadt aufmachte, was jeder neue unterirdische Parkplatz, der zusätzlich zu dem bereits vorhandenen unter- und oberirdischen Stellplätzen entsteht, die Stadt kosten würde, um gestenreich das Ergebnis zu präsentieren: "175.000 Euro!".

Worauf die Stadtspitze selbst nachrechnete und nicht wie Steinrode auf 40, sondern auf 67 zusätzliche Stellplätze kam.

"Milchmädchenrechnungen wurden im Technischen Ausschuss bisher nicht gemacht", monierte Wolfgang Schäfer. Und OB Großmann verwies auf die "Mehrwert-Situationen" beim Bau des Parkhauses: Ein komplett neuer und wertvoller Stadtraum würde hier entstehen und die bisherige OHG-Tiefgarage, die nicht so gut ausgelastet ist wie die anderen städtischen Parkhäuser, endlich vernünftig angeschlossen.

Hintergrund: Das neue Parkhaus wird, wenn es denn so gebaut wird, dann auch von der Calwer Straße anfahrbar sein.

"Die Toilette muss sein", kehrte CDU-Stadtrat Helmut Raaf wieder zum eigentlichen Thema zurück: "Wir haben in Nagold einen Mangel an vernünftigen Toilettenanlagen." Und OB Großmann drängte zur Abstimmung. Bei drei Enthaltungen aus den Reihen von SPD und Grünen wurde das selbstreinigende Klosett in Auftrag gegeben.