Bei einer Rettungsaktion an der Nagold wurden Bachneunaugen evakuiert. Foto: Geisel

Bezirksfischer wühlen für gefährdete Art durch Schlamm.  Wehr wird abgesenkt. 

Nagold - In der Nagold wird das Wehr abgesenkt. Für Bachneunaugen könnte das den Tod bedeuten. Doch der Bezirksfischereiverein eilte am Wochenende zu ihrer Rettung.

Wird das Wehr abgesenkt, sinkt logischer Weise der Wasserspiegel des Flusses. So wie die letzten Tage, in denen das Wasser beinahe komplett verschwunden ist - und in der Folge auch der Lebensraum der Bachneunaugen.

Kreuzung aus Aal und Regenwurm

Zuletzt waren die Freiwilligen deswegen vor fünf Jahren im Einsatz, um die Tiere vor der Austrocknung zu bewahren. Hilfreich ist da ein "super Kontakt zu den Stadtwerken", meint Paul Hampp vom Bezirksfischereiverein.

Größere Fische wandern in dieser Situation einfach stromaufwärts, manche, die anpassungsfähiger sind, verharren schlicht in dem übrigen Rinnsal, erklärt Paul Hampp. Für die Bachneunaugen ist das aber keine Alternative. Sie sehen ein bisschen aus wie eine Kreuzung aus Aal und Regenwurm, denn die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie im Larvenstadium. Ihr Lebensraum ist das feine Sediment solcher Gewässer wie der Nagold. Dort vergraben sie sich und nur ihr Kopf ragt ins Wasser. Als Nahrung nehmen die Bachneunaugen Schwebteilchen aus dem Wasser zu sich. Ihr Zuhause verlassen sie nicht, auch aus Angst vor Fressfeinden.

Sie stehen auf der roten Liste der gefährdeten Arten

Nun, wo der Wasserstand der Nagold sehr niedrig ist, liegen die Sedimentbänke an der freien Luft und sind der Sonne ausgesetzt. Solange diese noch feucht sind, könnten die Bachneunaugen darin überleben. Doch trocknen sie aus, und das werden sie, sterben die Tiere. Einfach abwandern kommt für die Bachneunaugen nicht in Frage - sie bleiben ihrer Sedimentbank selbst dann treu, wenn es sie das Leben kostet. Besonders traurig dabei: Die Bachneunaugen stehen auf der roten Liste der gefährdeten Arten und gelten als potenziell gefährdet. Auch in die FFH-Richtlinie sind sie laut Hampp aufgenommen. Sie seien "Weiser" und zeigen eine "sehr gute Wasserqualität" an, erklärt er.

Wenn es gut läuft, werden Bachneunaugen bis zu sechs Jahre alt. Etwa vier bis fünf davon befinden sie sich im Larvenstadium, also nahezu ihr ganzes Leben. Nach ihrem Larvenstadium dreht sich für die Wasserlebewesen alles nur noch um die Fortpflanzung, selbst ihre Verdauung fährt sich runter. Trocknet eine Sedimentbank mit Bachneunaugen aus, sterben also gleich fünf Generationen, so Paul Hampp. "Da geht halt viel kaputt, ein ganzes Ökosystem geht den Bach runter."

Tiere beruhigten sich schnell

Für die Bachneunaugen in der Nagold kam jedoch Rettung in Form von mehr als zehn Freiwilligen des Bezirksfischereivereins. Auch einige Fliegenlarven brachten die Helfer in Sicherheit. In Kleingruppen schritten sie das Ufer ab, kämpften sich durch den tiefen Schlamm und das Wasser und suchten mit Händen und Stöcken nach den Larven.

Das ganze Wochenende "wird im Schlamm gewühlt", meint Paul Hampp lachend. Eimer um Eimer füllten die Freiwilligen mit geretteten Tieren. Zunächst wirkten die Aal-artigen Wasserlebewesen noch etwas durcheinander und aufgewühlt, sie fanden sich aber schnell mit der neuen Situation ab und beruhigten sich.

Allzu lange mussten sie in den Eimern auch nicht ausharren. Ihr neues Zuhause lag flussaufwärts, wo die Öffnung des Wehrs keine Auswirkungen hat. So fanden sich die Bachneunaugen in einem gewohnten Habitat wieder. Damit haben die Mitglieder des Bezirksfischereivereins gezeigt, dass sie weit mehr interessiert als das Angeln. Auch das Wohl der Tiere hat für den Verein einen hohen Stellenwert, weswegen die Freiwilligen überhaupt erst so viel Zeit und Mühe in die Aktion investierten.