Gerhard Brüssel (von links), Leiter Freizeit in der JVA Rottenburg, Billard-Trickstoß-Weltmeister Ralph Eckert, Thomas Dürr, Leiter der Billardgruppe in der JVA Rottenburg, und Bernd Rausch vom PBC Nagoldtal fördern das Projekt in der JVA. Foto: Dürr

"Schwere Jungs" kämpfen bei Mini-Turnier der Justizvollzugsanstalt Rottenburg um den Sieg.

Nagold - Die Inhaftierten vom Gefängnisalltag ablenken und ihnen wichtige Werte vermitteln – darum geht es bei der von Thomas Dürr vom PBC Nagoldtal geleiteten Billardsportgruppe der JVA Rottenburg, dem drittgrößten Gefängnis in Baden-Württemberg.

»Respekt und Fairplay« lautet das Motto der 18 Privilegierten, die in dieser Gruppe einmal pro Woche für zwei Stunden mit Pool beschäftigt sind. »Die Inhaftierten, die bei uns mitmachen, schätzen es, für zwei Stunden aus der Gewohnheit auszubrechen. Das soziale Leben im Knast ist hart – und die Ausdrucksweise meist wenig respektvoll. Wir vermitteln Billard als Gentleman-Sport«, erklärt Thomas Dürr. Zweimal pro Jahr dürfen die Inhaftierten mit externen Billardspielern ein Turnier veranstalten. Dieses Mal sind drei Spieler des PBC Nagoldtal, dem Stammverein von Thomas Dürr, dabei.
Die Inhaftierten geben offen zu, ein Foul begangen zu haben

Unter ihnen der frisch gebackene 8-Ball- und Rekordlandesmeister Patrick Pomberger und Michael Winkler. »Wir haben uns sehr gefreut, dass wir eingeladen wurden. Dennoch ist ein mulmiges Gefühl dabei, weil man nicht weiß, was einen erwartet«, erklärt Winkler. Immerhin sitzen viele von den Gruppenteilnehmern langjährige Haftstrafen ab: Drogen- und Waffenhandel, Zuhälterei und versuchter Totschlag sind einige der Straftatbestände. »Ich bin da, um ihnen den Billardsport näher zu bringen und nicht, um sie zu verurteilen«, erklärt Dürr.

Einer der Inhaftierten ist Angelo (Name von der Redaktion geändert). Der knapp zwei Meter große junge Mann ist bereits seit zwei Jahren im Gefängnis und genießt, dass er Teil der Billardgruppe sein kann. »Für mich hat Billard sehr viel vom Leben«, erklärt er. Es gehe nämlich nicht darum, möglichst männliche, harte Stöße zu zeigen, um die Gegner zu beeindrucken. »Bei jedem Stoß gilt es, die Konsequenzen zu bedenken. Entweder ich versenke die Kugeln und erarbeite mir eine Position, aus der ich weiterspielen kann oder ich spiele so, dass der Gegner nur schwer ins Spiel kommt«, hat er die Grundlagen des Billardsports begriffen. Mit cleverem Spiel hat er Winkler so eine verdiente Niederlage beschert.

Billard ist laut Dürr eine Lebensschule. »Die Konsequenzen von einer Aktion zu bedenken und so zu handeln, damit man nicht in Schwierigkeiten kommt. Das mangelnde Vorausdenken hat viele hierher gebracht«, sagt er. Bei einer Zigarette während der Spielpausen geben die Inhaftierten zum Teil bereitwillig Auskunft über ihr Leben im Knast. »Wenn die Gitterstäbe nicht wären und ich es nicht besser wüsste, hätte ich den Eindruck, hier würden ein paar Jungs in einer Kneipe eine konzentrierte Partie spielen«, erklärt der 8-Ball-Landesmeister Pomberger, der sein Match gegen einen russischen Gefangenen verloren hat, weil ihm die Acht ins falsche Loch gerollt ist. »Die Leute hier sind hoch anständig und geben zum Beispiel zu, wenn sie ein Foul begangen haben. Ich hätte hier nie mit so viel Fairplay gerechnet. Da könnten sich einige von draußen ein Beispiel nehmen.« Diesen Fairplay-Gedanken hat Dürr in der Gruppe salonfähig gemacht. Auch die Tatsache, dass hier nach den offiziellen Pool-Billard-Regeln – und nicht mit den Kneipenregeln – gearbeitet wird – trägt dazu bei.

Insgesamt haben Dürrs Spieler neun von 30 Spielen gewonnen. Ein Spieler des PBC Nagoldtal, der bereits zum zweiten Mal dabei ist, lobt: »Ich habe gesehen, dass viele von euch spielerische Fortschritte gemacht haben. Macht weiter so, dann werden es beim nächsten Mal mehr Punkte sein!« Ein starkes Zeichen für den Billardsport, der als Lebensschule und Freizeitvergnügen für die ansonsten rauen Gesellen unschätzbar an Wert gewonnen hat.

Weitere Informationen: http://www.jva-rottenburg.de und http://www.pbcnagoldtal.de