Wann wurde dieses Bild von Otto Dünkelsbühler gemalt? Ulrich Hehr ist überzeugt: Es war 1955/56. Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Der gebürtige Nagolder Ulrich Hehr grenzt die Datierung präzise ein

Nagold. Manchmal bedarf es der Sicht eines Außenstehenden, um ein Rätsel zu lösen. Wie bei dem Gemälde von Otto Dünkelsbühler, das nach einer kleinen Odyssee dorthin zurückkehrte, wo es einst gemalt worden war: nach Nagold. Nur eine Frage blieb bis heute ungeklärt. Wann nämlich der Nagolder Maler diese Stadtansicht mit dem Fußballtor im Vordergrund geschaffen hat. Ulrich Hehr ist sich sicher: Es muss 1955/56 gewesen sein.

Zur Erinnerung: Dieses Gemälde von Otto Dünkelsbühler, der von 1938 bis 1977 in Nagold lebte, war wie von der Bildfläche verschwunden. Bis Nagolds Stadtoberhaupt Jürgen Großmann – wie berichtet – das Bild in einem spanischen Ferienhaus aufspürte – bei einem alten Bekannten: dem Nagolder Hans Nock. Nur bei der Datierung des heimgekehrten Dünkelsbühler-Werks tappte man weiter im Dunkeln – in das Ulrich Hehr, ein gebürtiger Nagolder, nun etwas Licht brachte.

Hehr war von 1979 bis 1994 Bürgermeister der Gemeinde Mahlberg im Ortenaukreis. Dort lebt er heute noch, aber hin und wieder zieht es ihn doch in seine Geburtsstadt. Schließlich ist er seit jungen Jahren hier Mitglied eines honorigen Kegelclubs, zu dessen Treffen er regelmäßig in seine alte Heimat fährt. Und er ist auch ein ausgezeichneter Kenner der Nagolder Verhältnisse. "Hehrs Urteil hat durchaus Gewicht", sagt der Nagolder Heimathistoriker Eckhart Kern, der bei der Perspektive des besagten Gemäldes selbst mit einem Irrtum aufgeräumt hatte. Die Staffelei des Malers muss seiner Meinung nach an der Nordseite des heutigen Reinhold-Fleckenstein-Stadions gestanden haben.

Die Perspektive, aus der das Bild gemalt wurde, steht auch für Ulrich Hehr außer Zweifel, wie er seinem alten Bekannten Eckhart Kern schrieb: "Es kann nur aus der Nord-West-Ecke vom Sportplatz an der Calwer Straße gemalt worden sein." Nur, zu welchem Zeitpunkt ist das Bild gemalt worden?

Nach Meinung des heute 79-jährigen Hehr war das Mitte der 50er Jahre. Und er präzisiert seine Aussage deshalb auf diesen Zeitpunkt, weil er sich in diesem Zeitraum genug auf dem Sportplatz "herumgetrieben" habe, sei es als Schulsportler, Fußballer der VfL-A-Jugend oder als Fan des VfL. Es gab auch Veranstaltungen auf dem Sportplatz, die ihm in Erinnerung geblieben sind: Leichtathletik-Wettkämpfe zwischen Württemberg und Baden mit Sportgrößen wie Heinz Fütterer – damals Weltrekordler über 100 Meter, oder Werner Zandt von Salamander Kornwestheim, der als Sprinter fünfmal deutscher Meister war und 1952 an den Olympischen Spielen in Helsinki teilgenommen hat. In Nagold war damals auch Stabhochspringer Oscar Schneider zu Gast, der den deutschen Rekord mit 4,20 Meter hielt

In Hehrs Gedächtnis blieben auch die Radrennen auf der Aschenbahn mit den Stehversuchen der Sprinter auf der Gegengeraden oder dem Schlussrennen: Mannschaftsrennen nach 6-Tage-Art über 200 Runden mit einer speziellen Überrundungsprämie: ein Sakko, gestiftet von der Firma Digel.

Und damit kommt der 79-Jährige auch zum "Quellenforschen" für die Datierung des Bildes: Grundlage sind für ihn ein paar Lagepläne des Digel-Areals – zurückgreifend bis Ende der 40er Jahre.

Die Fabrik, in der zuletzt bis zum Umzug des Unternehmens auf den Wolfsberg die Verwaltung untergebracht war, wurde von 1948 bis 1950 erbaut. Die Perspektive des Bildes ist, so rekonstruiert der gebürtige Nagolder, so gewählt, dass das Gebäude nicht mehr auf dem Bild (wäre ganz links platziert) zu sehen ist.

Auch Kern teilt Hehrs Einschätzung

Als zweiten Bauabschnitt hat Digel entlang der Zufahrt zum Sportplatz ein weiteres Fabrikationsgebäude errichtet. Das war im Jahre 1956. Jedenfalls sei dieses Gebäude auf einer Dokumentation des Fabrikareals Digel, die 1964 zum 25-jährigen Jubiläum erschienen war, zu sehen. Dieses Gebäude, so fügt Eckhart Kern Hehrs Argumentationskette hinzu, sei auf dem Bild aber nicht zu sehen.

Erst mit der Nagold-Korrektur 1955, so konstatiert Hehr, sei Platz geschaffen worden für den Bau einer Aschenbahn. Mit dieser Flussbegradigung wurde aber auch das Gelände so vorbereitet, dass die Firma Digel sich nach Westen ausdehnen und der Neuwiesenweg entlang der Nagold angelegt werden konnte.

Die graue Fläche, rechts unten auf dem Bild zu sehen, sei "ohne Zweifel die neue Aschenbahn", denn der Bachverlauf lag immer zwei Meter unterhalb des Geländeniveaus des Sportplatzes. Hehr kann dies anhand von Kernbohrungs-Aufschlüssen des Untergrunds belegen, die einst auf dem Digel-Areal gemacht wurden, um die Stabilität des Bauuntergrunds zu prüfen.

Auf Grundlage dieser Fakten kommt Hehr zu dem Schluss, dass das Bild vor 1956, dem Bau der Produktionshalle Digel entlang der Zufahrt des Sportplatzes, und nach 1955 (Wettkämpfe auf der Aschenbahn) entstanden sein muss, also in den Jahren 1955/56. Eine Argumentation, die auch Eckhart Kern "zweifelsfrei" teilt. Beide gehen übrigens d’accord, dass aufgrund der sonstigen Bilddetails davon auszugehen sei, dass Otto Dünkelsbühler diese Nagolder Stadtansicht "weitgehend nach Vorlage" gemalt hat.