Die jungen Akteure – ob in der Gruppe oder als Einzelschauspieler – waren mit Freude, Ehrgeiz und Stolz bei der Sache. Foto: Fritsch

Singspiel "Martin Luther" von Ingo Bredenbach bietet in der Stadtkirche originelles Themen-Mosaik.

Nagold - Die Aufführung des szenischen Kinder-Singspiels "Martin Luther" von Ingo Bredenbach in der Nagolder Stadtkirche begeisterte das Publikum wie kleine und große Akteure gleichermaßen. Nach intensiver Gruppenarbeit und einer einzigen Gesamtprobe lief die Vorstellung wie am Schnürchen – spannend, voller Herzblut und kindlicher Aufregung.

Vor etlichen Jahren komponierte der ehemalige Nagolder Kantor Bredenbach die musikalische Geschichte "Martin Luther" in Anlehnung an den Text seiner damals 18-jährigen Tochter Anna-Magdalena. Viel Fantasie und Kenntnis der Kinderseele bewies die junge Frau bei der Gestaltung des Gesamtkonzepts, in dem historische Gründe der Reformation ein Gerüst für szenische Darstellungen mit Dialogen und chorischen Einlagen bildeten.

Omas Geschichte enthielt die wichtigsten Fakten

Das originelle und einfallsreiche, zeitübergreifende Themen-Mosaik von Bredenbach stellte den Evangelischen Kinderchor Nagold und den Kinderchor der Zellerschule vor große Herausforderungen. Doch unter simultanem Dirigat von Eva-Magdalena Ammer und Steffen Schneider, mit Peter Ammer am Klavier bewältigten die jungen Sänger zwischen fünf und 13 Jahren bewundernswert sicher alle rhythmischen Klippen und schwierigen Tonfolgen. Die angestrengten Kehlen und offenen, lachenden Gesichter strahlten Freude, Ehrgeiz und Stolz aus. Echt super.

Den szenischen Verlauf bestimmte die Narration der Großmutter (Petra Ganz) und mehrere Dialoge zwischen zwei neugierigen Mädchen Marie (Annika Albrecht) und Uli (Naemi Hummel). Für Heiterkeitsmomente sorgten Bemühungen des Pfarrers (Ralf Albrecht), den spannenden Faden der Erzählung mit hochtheologischen Ausführungen ab und zu auszufransen. Omas Geschichte enthielt die wichtigsten Fakten aus dem Leben eines Geistlichen, der es wagte, anders zu Gott aufzublicken und sich gegen Papsttum und den deutschen Kaiser aufzulehnen. Als musikalische Illustration seiner Wegestationen traten der Chor der Mönche (Paul Ehrmann, Michael Ehrmann, Dietrich Fischer, Hans-Martin Klink und Horst Reichardt), der Ablassprediger Tetzel (Reinhart Brehmer) mit seinem Gehilfen (Regine Fischer) sowie der Kaiser Karl V. (Mareike Albrecht) auf.

Scharfkantig wurde die Rolle der Titelfigur Martin Luther (Ulrich Schubert) skizziert, er tauchte symbolträchtig in entscheidenden Momenten seines Reifeprozesses auf. Mit der Bibel in der Hand stellte sich Luther in Worms (1521) vor den Kaiser und schlug wie 1517 an der Wittenberger Tür auf den großen Holzbalken, welchen der Diakonieverband Nordschwarzwald vor wenigen Tagen im Mittelgang der Stadtkirche als "Das Gebot der Stunde – Hämmern für eine Welt mit Seele" aufgestellt hat. Jeder kann nach eigener Vorstellung persönliche Thesen formulieren, sie auf Papierbahnen aufschreiben, an die Bohle anschlagen und so den Lutherischen Kurs fortsetzen.

Sprachwelten prallten gelegentlich aufeinander

Diese hervorragende Idee, Botschaften der Gegenwart in das historisch geprägte Geschehen einzugliedern, schärfte zusätzlich das Spektakel-Profil und unterstrich die Nachhaltigkeit und Aktualität des Lutherischen Gedankenguts. Lediglich die Sprachwelten prallten gelegentlich aufeinander, als sich die "coolen" Mädchen Marie und Uli von der Oma-Erzählung hinreißen ließen und mit Kommentaren wie "Er war ein toller Kerl" oder "Wahnsinn, was der alles gemacht hat!" die Zeitgrenzen übersprangen.

Hut ab vor allen Beteiligten für die großartige Leistung, für die mit Musik gefüllte Religions-Unterrichtsstunde, die lange im Gedächtnis bleibt. Noch vor dem Vorstellungsbeginn freute sich Dekan Ralf Albrecht insgeheim über die "sensationell volle Kirche" und sinnierte kurz: "Nagold eben…".