Das historische Kesselhaus des einstigen Fabrikareals. Dahinter befindet sich das Neubaugebiet "Hasenbrunnen". Foto: Fritsch

Verhandlungen mit Denkmalschutz sind "zähe Kiste". Bereits jetzt bis zu 108 Wohneinheiten geplant.

Nagold - Das Eine sind die großen Visionen eines finanzstarken Investors, aus einer Industriebrache wie dem Gelände der Calwer Deckenfabrik in Iselshausen ein topmodernes Wohnquartier zu machen. Das Andere ist das Kleinklein der notwendigen Planungsvorbereitungen auf der Verwaltungsseite.

Genau deshalb fand sich bereits jetzt auf der Tagesordnung der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses (TA) des Nagolder Gemeinderats die Vorberatung eines erneuten Aufstellungsbeschlusses über die Durchführung des Bebauungsplanverfahrens "Haiterbacher Straße / Schwandorfer Straße (ehemals Calwer Decken)". "Erneuter Aufstellungsbeschluss" deshalb, weil es für das Areal bereits eine rund 25 Jahre alte Bebauungsplanung gibt.

Produktion wurde im Frühjahr 1995 eingestellt

Denn das Thema "Calwer Decken" ist ein bekanntes und wiederkehrendes Thema für den Nagolder Gemeinderat. Bereits im Frühjahr 1995, so führt die zugehörige Sitzungsunterlage dazu aus, sei die Produktion der Firma "Calwer Decken" eingestellt worden. Seitdem würden die vorhandenen Räumlichkeiten anderweitig, vorwiegend gewerblich genutzt. Da diese Nutzungen "zum Teil nicht genehmigt waren und darüber hinaus auch die baulichen Zustände vor Ort mehr und mehr Anlass zur Sorge gaben", hätte der Gemeinderat der Stadt Nagold bereits im Jahr 1997 einen ersten Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan des betreffenden Areals gefasst und parallel hierzu im Jahr 1998 auch "eine Veränderungssperre" erlassen.

In den Folgejahren seien dann mehrere Versuche unternommen worden, mit den jeweils Verantwortlichen (die Sitzungsvorlage listet dazu Nachlassverwalter, Poolbanken, spätere Eigentümer auf) ein städtebaulich zukunftsfähiges Konzept für eine nachhaltige Neuordnung zu erarbeiten. "All diese Versuche scheiterten jedoch leider aus den unterschiedlichsten Gründen." Analog übrigens zu den Grundstücken der ehemaligen Calwer Decken in Calw selber, wo der aktuelle Besitzer sich ebenfalls bisher einer zukunftsfähigen Entwicklung seiner Flächen konsequent und seit Jahren verweigert.

Umso größer sicher die Freude – und die Anerkennung für das Verhandlungsgeschick des hiesigen Investors –, dass es nun mit dem riesigen Areal in Premiumlage zumindest in Nagold vorangeht.

Es sei ein "sehr schönes Projekt", so OB Großmann. Wenngleich er über die derzeit laufenden Abstimmungsgespräche über das Projekt mit der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde in Karlsruhe sagt: "Das ist eine ganz zähe Kiste!" Wobei es das Verhandlungsziel aus Sicht der Stadt sei, den Denkmalschützern klar zu machen: "Wenn nichts geschieht, wird das Denkmal Calwer Deckenfabrik mit seinem, dank der historischen Sheddach-Konstruktion besonderen industriellen Charme unwiederbringlich verfallen".

"Ein ehrgeiziges und ambitioniertes Projekt"

Da sei das jetzt vom Investor avisierte "ehrgeizige und ambitionierte Projekt" eine wirklich einmalige Chance, "zumindest einen Teil als Denkmal zu erhalten", und darüber hinaus reichlich neue, moderne architektonische und städtebauliche Akzente zu setzen. Wobei es OB Jürgen Großmann auch "um ein eindeutiges Zeichen" des Ausschusses und später – beim eigentlichen Aufstellungsbeschluss auf dessen nächster Sitzung am 13. Oktober – vom Gesamtgemeinderat geht: "Damit wir unmissverständlich zeigen, dass wir in Nagold geschlossen hinter dieser Planung stehen." Ein Wunsch, der zumindest im Technischen Ausschuss stante pede erfüllt wurde: Einstimmig ging die Empfehlung für den Aufstellungsbeschlusses über die Durchführung des Bebauungsplanverfahrens "Haiterbacher Straße/Schwandorfer Straße (ehemals Calwer Decken)" letztlich durch den TA.

Ziel des nun startenden, neuen Verwaltungsverfahrens ist in erster Linie die formale Umwidmung des betreffenden Areals: Die neuen Eigentümer wollen, so der weitere Wortlaut der entsprechenden Sitzungsvorlage, gemeinsam mit der Stadt Nagold und den zuständigen Fachbehörden (Wasserwirtschaft und Denkmalschutz) – entgegen der ursprünglich in der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzung einer gewerblich-/mischgebietsorientierten Nutzung – nunmehr vorwiegend eine Wohnbebauung in Verbindung mit ergänzenden Infrastruktureinrichtungen realisieren.

Aus diesem Grund schlägt die Verwaltung vor, für das ehemalige Areal der "Calwer Decken" den aus dem Jahr 1997 stammenden, früheren Aufstellungsbeschluss zu erneuern und gleichzeitig inhaltlich zu modifizieren. Hierdurch sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Umsetzung der neuen städtebaulichen Zielsetzungen "sowie der präventive Ausschluss konkurrierender Nutzungsansprüche" geschaffen werden. Dafür müsse der bisherige Planungsansatz überarbeitet und auf dieser Grundlage ein dann projektbezogener Bebauungsplan aufgestellt werden – übrigens vollständig "auf Kosten des Vorhabenträgers", also des Investors, wie die Autoren der Sitzungsvorlage unterstreichen.

"Eine super Entwicklung – ich bin total begeistert!"

In einer Stellungnahme nannte Stadtrat Thomas Ebinger (Grüne) das Vorhaben "eine super Entwicklung – ich bin total begeistert!" Allerdings hakte er nach, ob es im Rahmen der Waldach-Renaturierung im Bereich der Calwer Decken zu einem Konflikt mit dem Bauprojekt komme. Tatsächlich stelle der Bereich zwischen der großen Sheddach-Werkhalle der Calwer Decken auf der einen Uferseite und der Iselshausener Straße auf der anderen Uferseite die größte Engstelle der Waldach dar, so Planungsamtsleiter Ralf Fuhrleiter in seiner Entgegnung. Es sei aber aus Planungssicht gelungen, "den Konflikt" hier aufzulösen – also sowohl die hydrologischen Anforderungen an den Waldach-Querschnitt zu erfüllen, als auch "das angrenzende Sheddach" in seiner Struktur zu erhalten.

Nachfrage nach wie vor groß

"Die Nachfrage nach Wohnraum ist in Nagold nach wie vor sehr groß", so die Mitteilung von Oberbürgermeister Jürgen Großmann am Ende der Diskussion über die Zukunft des "Calwer Decken"-Areals im Technischen Ausschuss. "Daran hat auch Corona nichts geändert". Allerdings – was man deutlich merke: "Die neuen, in Nagold bereits verfügbaren Wohnungen wirken sich auf den Markt" und auf das Preisgefüge bei Mietwohnungen "bereits aus". Aber das sei aus Sicht der Stadt "eine positive Entwicklung".

Dazu passt: Die aktuelle Detail-Zeichnung der Planungen für das "Calwer Decken"- Areal, wie sie als Anlage zum zugehörigen Bebauungsplan veröffentlicht wurde, listet bereits jetzt allein 17 einzelne Wohngebäude in zwei- bis zu sechsgeschossiger Bauweise auf – da sind die historischen Gebäude der "Calwer Decken" noch nicht einmal berücksichtigt. Deren künftigen Nutzungsformen seien "derzeit noch offen" und Gegenstand der Diskussionen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde, so Planungsamtsleiter Ralf Fuhrländer. Addiert man aber die bereits feststehenden "Nutzungen" zusammen, kommt man schon jetzt auf bis zu 108 Wohneinheiten in diesen 17 Gebäuden. Darüber hinaus sind auf dem Plan ein "Quartiers-Café" mit Wintergarten und Terrasse und ein "Quartiersspielplatz" zu erkennen.

Von der Aufteilung her gruppieren sich die vier- bis sechsgeschossigen Mehrfamilienhäuser wohl als baulicher Sicht- und Lärmschutz für das gesamte Quartier entlang der Haiterbacher Straße, weitere drei- bis viergeschossige Wohnbauten werden zudem das Quartier zum Wohngebiet Hasenbrunnen abgrenzen. Verschiedene Einfamilien- und Doppelhäuser schließlich sind gemäß Plan für die der Waldach zugewandten Grundstücksflächen vorgesehen. Sie dürften als "Filetstücke" des Projekts wahrscheinlich besonders begehrt sein.