Der Frachtsegler erstrahlt nach der aufwendigen und kostspieligen Restaurierung in neuem "alten" Glanz.Fotos: Kern Foto: Schwarzwälder Bote

Interview:

Am 7. September war es soweit: Die "Peking" kehrte nach Hause zurück. Es gab einen triumphalen Empfang für den legendären "Flying P-Liner" in seinem Hamburger Heimathafen auf dem 50 Kilometer langen Weg von der Peters Werft in Wewelsfleth zu seinem künftigen Liegeplatz im Hansahafen. Mit an Bord: der Nagolder Niklas Pfaff.

Hamburg/Nagold. Zehntausende begeistert winkende Zuschauer an den Ufern der Elbe, hunderte Boote aller Klassen, dröhnende Schiffssirenen und ein Shanty-Chor begrüßten den Schleppverband um den 115 Meter langen und knapp 15 Meter breiten Frachtsegler, dessen Verholung eine letzte Herausforderung bedeutete.

Ohne Ruder und Antrieb, die Rahen kurzfristig in Längsrichtung gebrasst, musste das künftige Museumsschiff von einem Bug- und Heckschlepper rückwärts aus der Werft gezogen werden. Für dieses knifflige Manöver und ihre letzte Passage müsse die "Peking" die "Ohren anlegen", weiß der Nagolder Niklas Pfaff von der Peters Werft, der für das Schiff und die Verholung verantwortlich war. Viele Schaulustige konnten auf einem der Begleitschiffe die Fahrt der Viermastbark miterleben und verfolgen, wie sie nochmals gedreht vor der Elbphilharmonie und dann rückwärts in den Hansahafen geschleppt und dort festgemacht wurde. Ein waschechter Hamburger kommentierte: "Die ›Peking‹ wird ein weiteres absolutes Wahrzeichen unserer Stadt werden."

"Pudel" wurde schon bald zum Maskottchen der Reederei

Der Reeder Carl Laeisz (gesprochen: Lais) heiratete 1852 eine hübsche junge Kaufmannstochter mit ziemlich krausen Haaren, die ihr den Spitznamen Pudel einbrachten. Sie war allseits beliebt, und der Pudel wurde schon bald zum Maskottchen der Reederei. Fast alle Namen der Laeisz-Schiffe wurden später vom ersten Buchstaben ihres Kosenamens abgeleitet: Peru, Panama, Passat, Pamir... und auch die Peking.

Großsegler zunächst wirtschaftlicher als die Dampfschiffe

Im Jahre 1911 ließ die Hamburger Reederei F. Laeisz die "Peking" bei der Grosswerft Blohm & Voss bauen – zu einer Zeit, als bereits Dampfschiffe die Weltmeere beherrschten. Es erstaunt, dass der für den Transport von Chilesalpeter vorgesehene Großsegler zunächst schneller und wirtschaftlicher war als die damaligen Dampfschiffe. Der in der Atacamawüste im heutigen Nordchile abgebaute Salpeter fand als Düngemittel und für die Herstellung von Sprengstoff weltweit überragende Bedeutung.

Profitabel war somit das Salpetergeschäft allemal, kostete doch um 1910 ein Doppelzentner Salpeter in Deutschland 22 Mark, was bedeutete, dass bei einer Maximalladung von 5300 Tonnen die "Peking" einen Marktwert von 1,16 Millionen Mark beförderte (zum Vergleich: die Baukosten der "Peking" betrugen 680 000 Mark). Am 22. Juni 1911 lief die "Peking" zu ihrer Jungfernfahrt aus mit dem Ziel Valparaiso, wo sie nach Umschiffung der gefürchteten Schiffspassage des Kap Hoorn am 14. September pünktlich eintraf, nach 84 Tagen auf hoher See.

Drei Jahre später, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, wurde die "Peking" in Valparaiso vom Kriegsausbruch überrascht und während der Kriegsdauer festgesetzt. Nach ihrer Beschlagnahmung durch die Alliierten wurde sie schon 1921 nach Hamburg zurückgekauft, wieder auf Salpeterfahrten eingesetzt, absolvierte aber bereits 1934 ihre letzte Segeltour. Die Ära der Frachtsegler war vorbei und der Salpeterhandel nicht mehr profitabel genug, nachdem sich die synthetische Salpeterherstellung als kostengünstiger erwiesen hatte. So verkaufte die Reederei die ausgediente "Peking" als Internatsschiff nach England.

1975 wurde sie nach New York weiterverkauft und zum neuen Star des South Street Seaport Museums in Manhattan. Notwendige Reparaturen unterblieben und der allmählich marode Zustand der alten Viermastbark verschlimmerte sich Jahr um Jahr, bis sie schließlich zur Abwrackwerft gebracht werden sollte.

Erst fünf Minuten vor zwölf konnte dieses einstige Prachtstück der "Flying P-Liner" erworben und nach Hamburg überführt werden, dank einer Zuwendung des Deutschen Bundestages in Höhe von mehr als 120 Millionen Euro für die Errichtung eines Deutschen Hafenmuseums. Im Vertragstext liest man dazu: "einschließlich der Sanierung und Überführung der historischen Viermastbark Peking von New York nach Hamburg".

Eine Mammutaufgabe für die Peters-Werft in Wewelsfleth

270 Seiten umfasste das Leistungsverzeichnis, das die Stiftung Hamburg Maritim als Eigentümerin und Auftraggeberin für die Restaurierung der "Peking" erstellt hatte. Die Kosten dafür sind während der dreijährigen Sanierungsdauer ständig bis auf zuletzt 38 Millionen Euro gestiegen. Am 15. Mai dieses Jahr war das wichtige Etappenziel erreicht: "Auftrag erfüllt", hieß es für den Vorstand der Stiftung Maritim. Damit gingen Eigentum und Verantwortung für die "Peking" an die städtische Stiftung Historische Museen Hamburg über. Dieses Datum markierte den Beginn der letzten Phase in der Biografie der "Peking". Das in neuem Glanz erstrahlte Museumsschiff soll zu einer Hauptattraktion des künftigen Deutschen Hafenmuseums in Hamburg werden.

Meer und Schiffe sind Lebensinhalt von Jugend auf

Viele Persönlichkeiten und Experten haben sich für den Erhalt der "Peking" engagiert. Darunter der 38-jährige Niklas Pfaff, dem die Projektleitung für ihre Restaurierung übertragen wurde. Meer und Schiffe waren für ihn von Jugend an Lebensinhalt. Schon im Alter von sechs Jahren wollte er auf einem Rettungskreuzer mitfahren und dieser Wunsch blieb durch die Schulzeit erhalten.

Nach dem Abitur im Jahre 2000 am Otto-Hahn-Gymnasium ging er zur Bundeswehr. Die Ausbildung zum Navigator stand an. Das Nautik-Studium folgte. Er ging zur See, schipperte in verantwortlichen Positionen auf Luxusjachten und Forschungsschiffen durch Karibik bis Antarktis. Dann ging der Nagolder vor Anker. In Wewelsfleth fing er an, sich in der Kunst der Bootsbauerei zu üben.

Der dreifache Familienvater hat sich inzwischen beim Schiffsbau mit vielen Schiffen beschäftigt und zuletzt eben die verantwortungsvolle Aufgabe der Projektleitung bei der Restaurierung der "Peking" übernommen.

Niklas, Du bist in Nagold aufgewachsen und hast dort am OHG im Jahr 2000 das Abitur abgelegt. Was bewog Dich dazu, fern von Meeren, eine Ausbildung zum Kapitän zu machen und schließlich Projektmanager auf der Peters-Werft zu werden?

Seit meiner Kindheit wollte ich Kapitän werden – oder besser gesagt Vormann auf einem Seenotkreuzer. Der Wunsch blieb. Nach dem Abi und vielen Monaten bei der Marine folgte das Nautikstudium in Leer/Ostfriesland. Schon während, aber auch nach dem Studium, fuhr ich lange Zeit auf Forschungsschiffen und Megayachten den ganzen Pazifik ab, sammelte dazu Erfahrung in Werften. Familiengründung und Seefahrt sind schwierig zu vereinen, so heuerte ich bei der Peters-Werft in Wewelsfleth an und zog mit Frau und Sohn zum Wunschort Hamburg. Auf der Werft kam ich bestens zurecht und arbeitete mich nach oben. Irgendwann kam dann die "Peking" – und da bin ich.

Was war Dein spezieller Part bei der drei Jahre dauernden Restauration der "Peking"?

Als Projektmanager fühle ich mich als Kommunikator und bin Hauptansprechpartner der Kunden. Zu meinen Aufgaben gehören die Budgetplanung sowie die Angebots- und Zeitplanerstellung. Im Anschluss muss ich mich um die korrekte Ausführung der Arbeiten kümmern. Bei der "Peking", deren Zustand schlechter als befürchtet war, bedeutete dies die komplizierte Koordination der einzelnen Gewerke (Schweißer, Tischler, Schiffbauer), der Zulieferfirmen (Rigger, Aufzugbauer, Elektrotechnik) und der Vorstellungen der diversen Teampartner der Stiftung Hamburg Maritim (SHMH).

Wie ist es Dir gelungen, die Spezialisten für die diversen Gewerke zu finden?

Das geht nach dem bewährten Prinzip: "Man kennt einen, der einen kennt." So haben wir spezialisierte Stahlschmiede in Holland gefunden oder einen Einmann-Betrieb im Ruhrgebiet, der uns die Lüfterstutzen originalgetreu nachbilden konnte. Einen grundsoliden Job hat unser Riggerteam gemacht. Die Liste könnte ich ein ganzes Stück weiterführen.

Peking, Pamir, Passat, Padua – was zeichnete diese riesigen Frachtsegelschiffe aus?

Die Schwesterschiffe dieser Reihe stellen das Ende der Entwicklung der Fracht-Segelfahrt dar. Sie waren im Verhältnis Fracht (circa 4500 Tonnen Salpeter) zu Personal (circa 30 Mann), ohne maschinelle Unterstützung, unübertroffen und sogar effizienter zu betreiben als die damaligen Dampfschifffrachter. Ihr Bau war eine wirklich hohe Kunst. Wir hatten zum Beispiel mit den heutigen Mitteln, Stapler und Hydraulikkran, unsere liebe Mühe, die 23 Tonnen schweren und 45 Meter langen Untermasten im Schiff aufzuheben und auszurichten.

Niklas, Du lebst in Hamburg, verheiratet, Vater von drei Kindern, wie siehst du Dein Verhältnis zu Deiner Heimatstadt Nagold?

Ich bin mit Nagold immer noch eng verbunden. Meine Mutter wohnt dort, meine Schwiegereltern leben in Mötzingen. Es ist der Treffpunkt mit meinen längsten Freunden. Die Stadt hat sich toll entwickelt. Zu "meiner Zeit" gab es noch keine Ortsumgehung mit Tunneln, die Waldach war nicht renaturiert, die Innenstadt nicht verkehrsberuhigt, die Seminarturnhalle nicht Kulturzentrum. Wenn es nicht so weit von der Küste wäre, wer weiß…  Die Fragen stellte Eckhart Kern