Vor dem Tübinger Landgericht wird der Fall des Raubüberfalls auf den Hochdorfer Netto-Markt verhandelt. Foto: M. Bernklau

Landgericht: Prozess um Überfall auf Hochdorfer Netto-Markt. Angestellte mit Pistole bedroht und gefesselt.

Tübingen / Nagold-Hochdorf - Zwei junge Männer aus Nagold stehen seit g vor dem Landgericht in Tübingen. Ihnen wird der Überfall auf den Hochdorfer Nettomarkt im vergangenen September zur Last gelegt.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Sie sollen die schwarz maskierten und mit einer Pistole bewaffneten Räuber sein, die am 5. September vergangenen Jahres nach Ladenschluss den Netto-Markt in Nagold-Hochdorf überfallen, die Angestellten bedroht, niedergeschlagen und gefesselt haben – und dann mit einer Beute von 11 655 Euro geflohen sind.

Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen. Festgenommen wurden die beiden Männer zwei Monate nach dem brutalen Raubüberfall. Seither sitzen der 27-jährige und sein zur Tatzeit noch nicht ganz 21-jähriger Mitangeklagter – weshalb die Jugendkammer den Fall verhandelt – in Untersuchungshaft. Zwei Spuren hatten die Ermittler der Kripo Calw zu den beiden Männern und sogar zunächst zu weiteren möglichen Mittätern oder Mitwissern geführt: ein bei der Flucht verlorenes, beschädigtes Handy und die DNA-Spuren der beiden jetzt Angeklagten auf einem Klebeband, mit dem ein Bewegungsmelder auf der Herren-Toilette des Supermarkts außer Funktion gesetzt worden war. High-Tech also. Ganz offenbar kannten sich die Räuber ganz gut aus. Vielleicht hatten sie Helfer oder Tippgeber. Für Staatsanwältin Kaija Seiler hat sich der spektakuläre Überfall so abgespielt, dass die beiden Angeklagten sich kurz vor Ladenschluss auf der Herrentoilette eingeschlossen, den Bewegungsmelder außer Funktion gesetzt und dann maskiert das Büro mit der Filialleiterin und einer weiteren Angestellten gestürmt haben.

Mit Klebeband an Händen und Füßen gefesselt

Den für den Getränkemarkt zuständigen Kollegen holten sie auch noch herbei – vielleicht kam er auch hinzu –, drohten mit einer Pistole, schlugen und zerrten die drei Überfallenen, zwangen sie auf den Boden und fesselten sie mit Klebeband an Händen und Füßen. Nur einen Teil der mutmaßlich drei Tageseinnahmen konnten sie erpressen – ein Teiltresor war nicht zu öffnen – und flohen dann durch ein Fenster zum Parkplatz hin, wo das Fluchtauto wartete, womöglich von einem Mittäter gesteuert.

Zwischen Fenster und Auto verloren die Täter ein Handy. Jedenfalls galt dieses Gerät den Ermittlern als "Täterhandy". Ein Jäger auf seinem Hochsitz beobachtete wenig später einen dunklen Wagen, der über einen Waldweg in Richtung Horb raste und in der Gegend auch noch eine Wildkamera auslöste. Aber weder Nummer noch Typ noch Insassen des Autos waren bislang brauchbar zu identifizieren.

Doch das Handy führte weiter: Über die zeitweilige Adresse kam die Familie des älteren Angeklagten ins Visier der Fahnder. Die Auswertung der Verbindungsdaten brachte den jüngeren Angeklagten und ein paar andere Menschen unter Verdacht der Mittäterschaft. Der ermittelnde Polizeibeamte, inzwischen im Ruhestand, glaubt bis heute, dass ein 37-jähriger Busfahrer den Netto-Markt ausbaldowert und auch das Fluchtauto gesteuert hat. Auch ein Netto-Mitarbeiter war zwischenzeitlich unter dem Verdacht, Mitwisser, Mittäter oder Tippgeber zu sein. Beide Ermittlungsverfahren führten aber nicht zu einer Anklage und wurden inzwischen in allen Fällen eingestellt.

Die jetzt angeklagten Männer aber belastete noch etwas Anderes als die Verbindungsdaten auf dem verlorenen Handy: Auf dem Klebeband im Männerklo des Marktes fanden sich verwertbare DNA-Spuren beider. Bei der brutalen Fesselung der Überfallenen hingegen blieb nichts auf den verwendeten Tapes zurück. Für den Kripo-Ermittler und die Staatsanwältin ist das leicht erklärbar: Beim Überfall selber trugen sie Handschuhe, beim Verstecken, Maskieren und Abkleben der Überwachung noch nicht.

Eine der überfallenen Netto-Angestellten tritt über eine Anwältin als Nebenklägerin auf. Sie war bei dem Überfall auf den Hinterkopf geschlagen worden und hatte die Brutalität des Raubes lang nicht wegstecken können: Erst nach einem halben Jahr war sie allmählich wieder arbeitsfähig.

Weder die Beute, noch irgendwelche Teile der Maskierungen, noch die für die Beute mitgeführte – ebenfalls vermutlich schwarze Tasche – hat die Polizei bislang finden können. Auch über die Tatwaffe, eine Pistole, ist nichts bekannt. Einer der Verteidiger sprach am Rande von einem "nicht aus-ermittelten Fall".

Die Jugendkammer unter dem Vorsitzenden Martin Streicher muss den Fall erst klären, bevor sie ihn bewerten und angemessen bestrafen kann. Bislang sind vier Termine bis zum 23. Mai angesetzt.