Die "Schlehenhexen" in Schietingen, gegründet 2015, haben reichlich Zulauf. Fotos: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder Bote

Maskenabstauben: Gleich vier Zünfte starten in Nagolds Stadtteilen mit viel Elan in die Fünfte Jahreszeit

Nagold – eine närrische Diaspora? Das war einmal. Gleich in vier Ortsteilen ging es am 6. Januar, an dem die schwäbisch-alemannische Fasnet traditionell in die Fünfte Jahreszeit startet, rund.

Nagold. Es ist, als ob der kollektive Frohsinn plötzlich kulminieren würde: Am Dreikönigstag wird im Nordschwarzwald, früher närrischen Umtrieben eher unverdächtig, allerorten nahezu im Stundentakt die Fasnet mit dem so genannten Maskenabstauben eingeläutet. Auch in Nagold.

Hier machen die "Wäschbachhexa" in Pfrondorf den Anfang. Was anno 2004 von Steffi Renz, der heutigen Ortsvorsteherin, angestoßen wurde, ist mittlerweile zu einer stattlichen Truppe angewachsen. In den Anfängen waren’s ganze 17 Aktive, erinnert sich Narrenchef Simon Stanger, heute sind es mehr als doppelt so viel. Seit mehr als zehn Jahren nennt man sich eine eigenständige Narrenzunft und beruft sich gar auf alte Traditionen: "Früher", sagt Stanger im Brustton der Überzeugung, "hat es Fasnet auch im Evangelischen gegeben."

Nachwuchssorgen kennt man nicht. Sie kommen aus Pfrondorf und Emmingen, aus Nagold, Ebhausen und Jettingen und schlüpfen in das grüne-schwarze Häs der Pfrondorfer Hexen oder der Riedwiesengeister. Gleich sechs Neulinge werden an diesem Tag in die Zunft aufgenommen – wie immer mit riesiger Gaudi am Fischteich.

Auch in Schietingen sind mittlerweile die Narren los. Den närrischen Virus in den Ort eingeschleppt hat mit Helmut Walz ein waschechter Schietinger. Er war früher in Untertalheim viele Jahre Narrenchef, hatte sich bei einem Ringtreffen aber derart "ausgepowert", dass er in der Fünften Jahreszeit zurücksteckte – um dann 2015 in seinem Heimatort einen Neuanfang zu wagen – mit seinen "Schlehenhexen". Auch hier hat sich die Zahl der Hästräger von 16 auf heute 35 mehr als verdoppelt. Darauf, sagt der 54-jährige Narrenchef, habe er schon "einen richtigen Stolz", auch weil man im Ort angenommen werde.

Für diese Akzeptanz sorgen die Narren selbst, indem sie ehrenamtlich mit anpacken. Zum Beispiel bei der Renovierung des Backhauses am neuen Dorfplatz, den die Narrenfreunde an diesem Dreikönigstag mit viel Geheule und Nebelschwaden überziehen, um anschließend sechs neue Hexen und drei Narrensamen mit allerlei unschmackhaften Kompositionen, die es zu vertilgen gilt, in den närrischen Kreis aufzunehmen. "Ich warte nur noch auf den Tag", lacht Ortsvorsteher Thomas Reimer, der dem närrischen Treiben beiwohnt, "bis eines Tages ein Narrenumzug durch Schietingen zieht."

So wie in Hochdorf, dessen Narrenzunft, schon in zwei Wochen beim großen Umzug 2000 Hästräger erwartet. Beim Schützenhaus machen die Hochdorfer an diesem Nachmittag das größte Remmidemmi und lassen, unter den Guggenmusikklängen der "Luschdigen Bruat"" aus Göttelfingen erahnen, dass diese kurze Narrensaison, die in diesem Jahr schon am 13. Februar enden wird, in Hochdorf umso ausgelassener gefeiert wird. Dafür sorgt schon Sven Katz, im 19. Jahr Zunftmeister in Nagolds größtem Stadtteil. Er weiß, wie man seine Truppe in Stimmung bringt – und übers ganze Jahr mit vielen Aktionen bei Laune hält.

Mittlerweile musste er bei seinen Daxburghexen sogar einen Aufnahmestopp verhängen. 60 Hexen sind genug, befand die Zunft und will verstärkt die anderen Gruppen aufwerten: die Maiwaldteufel, die Erdmahle und die neueste Gruppe der Narrenzunft, die "Zwoasäckle". Von den gut 200 Mitgliedern der Zunft ist jeder zweite ein aktiver Hästräger. Am Dreikönigstag werden ein halbes Dutzend in die Zunft aufgenommen – auch hier mit schier ungenießbarem Brei und Gebräu, das den Neulingen mehr oder minder freiwillig verabreicht wird. So beginnt für sie, was Sven Katz vom Narrenwagen proklamiert: "eine glückselige Fasnet".

"Jeder will nur noch Hexe sein"

Im Nachbarort Vollmaringen sieht man die allerorten sprießenden närrischen Triebe derweil mit gemischten Gefühlen. "Eigentlich traurig", sagt Helmut Koppenhöfer, der seit fünf Jahren an der Spitze der örtlichen Narrenzunft steht: "Jeder will nur noch Hexe sein, keiner will mehr Brauchtum hochhalten."

Für einen katholischen Ort ist die Zunft, gegründet 1983, zwar noch relativ jung, aber man beruft sich dennoch auf eben besagten Brauchtum und verweist auf die Mitgliedschaft im Freundschaftsring Neckar-Gäu, dem 26 Zünfte angehörigen. Man halte hier was auf Tradition, auf Fasnetsveranstaltungen im Flecken und zeigt es an diesem Abend auch. Kaum ist im Turm der St. Georgskirche beim 18-Uhr-Läuten der letzte Glockenschlag verklungen, ziehen sie ein unter närrischen Klängen auf den Kirchplatz – die Weiherhexen und Teufel, die Fruchtmaale und der Narrenrat, um die Masken abzustauben und sich mit dem düsteren Teufelstanz einzustimmen auf die kurze Saison, die am Fasnetssamstag in Vollmaringen ihrem Höhepunkt zustreben wird: mit 1800 Hästrägern, die zum großen Umzug erwartet werden.