Reiner Hiby, Bernd Reiter und Georg Schmid (von links) stellen am Sonntag ihre neue CD vor. Fotos: Richter Foto: Schwarzwälder-Bote

"Dein Haar hat Lieder, die ich liebe": Musikschuldozent Reiner Hiby bringt eine CD mit deutschen Chansons heraus

Von Heiko Hofmann

 

Nagold. Er fühlt sich an vielen Orten wohl: Auf kleinen und großen Bühnen, als einsamer Mann am Klavier, beim Unterrichten junger Gesangsschüler, als Jazz- und Rockmusiker in der Band, als Leiter verschiedener Chöre oder auch als klassischer Sänger. Reiner Hiby ist eben ein Tausendsassa. Musikalisch ist er nicht nur ein Grenzgänger, er überschreitet die Grenzen. In voller Absicht, ganz bewusst und immer mit Freude – der Freude an der Musik.

In Nagold kennt man den großgewachsenen Mann mit dem Vollbart schon seit vielen Jahren. Seit 1993 ist der Nürtinger Musiker Dozent an der städtischen Musikschule, erteilt Klavier- und Keyboardunterricht, und in den vergangenen Jahren immer mehr Gesangsunterricht. Auch dabei ist er wieder ein Grenzgänger. Klassischer Gesang, Pop-Gesang, Musical: Hiby unterrichtet alles, gleichberechtigt, ohne zu werten, ohne die Schüler zu drängen.

Doch der Gesangslehrer Hiby, das ist eben nur ein Teil von ihm. "In meiner Brust schlagen sowieso zwei Herzen: einerseits bin ich mit Leib und Seele klassischer Sänger und Chorleiter, andererseits möchte ich meine Beschäftigung mit Rock, Pop und Jazz nicht missen", sagt er über sich. Hiby gehört zu den heute so seltenen Allroundtalenten, ist ein musikalischer Universalgelehrter. Spezialistentum? Das ist nicht seine Sache. Dafür liebt er die Musik einfach viel zu sehr – in all ihren Facetten.

Diesen Sonntag, 19. Oktober, kann man Reiner Hiby in einer in Nagold eher ungewohnten Rolle als Musiker und Sänger und eben nicht als Lehrer und Begleiter seiner Schüler erleben. "Dein Haar hat Lieder, die ich liebe", heißt das Programm, das er im Nagolder Jugendhaus zusammen mit Bandkollegen aufführen wird. Kein gewöhnliches Konzert, denn an diesem Abend wird auch die gleichnamige CD von Hiby der Öffentlichkeit präsentiert. Es ist Hibys zweiter Tonträger. Literarische Vorlagen hat er vertont, sie zu deutschsprachigen Chansons arrangiert.

Deutsche Chansons? Ein seltenes Genre. Und doch kommen einem die Stücke auf der neuen Hiby-CD irgendwie vertraut vor. Das liegt vor allem an einem Punkt: Gesang, Klavier, Schlagzeug, Bass – alles passt so wunderbar zusammen. Die hohe Musikalität von Hiby, aber auch von seinen Bandkollegen Georg Schmid (Schlagzeug) und Bernd Reiter (Kontrabass) ist von den ersten Tönen an zu hören. Hier musizieren Profis, elegant im Ton, charmant und verspielt in der Ausführung, gerne auch mal frech im Zusammenspiel. 14 Stücke hat das Trio, das auch unter dem Namen "Das Blaue Klavier" firmiert für den Tonträger aufgenommen. Die Musik und die Arrangements stammen allesamt von Reiner Hiby.

"Das Blaue Klavier" – in diesem Bandnamen spiegelt sich bereits das Interesse der Musiker an der Literatur wider. Das Gedicht "Mein blaues Klavier" von Else Lasker Schüler diente als Namensinspiration – und findet sich auch prompt als vertontes Lied auf der CD wieder.

Mal romantisch, dann skurril, mal ernst, dann wieder heiter sind die Texte, die Hiby ausgewählt hat. Gedichte von Fred Endrikat, Frank Wedekind, Ernst Blass, Max-Hermann Neisse, Erich Kästner, Friedrich Rückert, Hans-Dieter Hüsch, Else Lasker Schüler, Heinrich Heine und Hans Joachim Teschner wählte er aus – viele davon stammen also aus der Feder von Schriftstellern, deren Texte in der Nazi-Zeit verboten waren, deren Bücher verbrannt wurden, die zum Teil im Exil leben mussten. Auch das ist ein Anliegen Reiner Hibys – eine CD, die Vergessenes wieder ans Tageslicht bringen soll.

Trotz dieses ernsten Hintergrunds klingen die Melodien überraschend harmonisch, immer wieder mitreißend. Rock, Pop, Jazz, Boogie Woogie – viele Stile treffen aufeinander. Das sorgt für Abwechslung. Den musikalischen roten Faden bildet Hibys exzellentes Klavierspiel, aber auch sein Gesang, der ganz natürlich rüberkommt. Ohne sängerische Affektiertheit, ohne aufdringlich zu sein gibt er den Stücken eine eigene Note. Das alles hat viel Atmosphäre, ist in seiner Unaufgeregtheit eine runde Sache. Billige Effekthascherei, das haben diese Musiker auch gar nicht nötig. Dafür sind sie zu gut an ihren Instrumenten, dafür ist Hiby zu erfahren beim Gesang, und nicht zuletzt sind auch die Texte dafür schlicht zu stark.

konzerttipp: Sonntag, 19. Oktober, 19 Uhr, Jugendhaus Youz in Nagold, CD-Release-Konzert mit Reiner Hiby & Das Blaue Klavier