Der Nagolder Mittsommer lockte zum Bummel in die Innenstadt. Foto: Thomas Fritsch

Zahlreiche Besucher flanieren durch Innenstadt: Einkaufen bis Mitternacht, Musik, Tanz und Leckereien.

Nagold - Der Nagolder Mittsommer war ein echter "Mitmach-sommer". Egal ob die Tanzgruppen auf dem Vorstadtplatz, die Staffelläufer beim Mittsommerlauf im Kleb oder die Künstler beim "Open-Stage" auf dem Gerichtsplatz: Der Spaß war überall selbst gemacht.

Irgendwie war es auf die allerschönste Weise "multikulti". Schon der Auftakt von allem an diesem langen, verkaufsoffenen Mittsommerabend in der Nagolder Innenstadt war vielfältig: die albanische Tanzgruppe "Rinia" auf dem roten Teppich vor dem Traditionskaufhaus Schiler-Benz. "Rinia" heißt auf albanisch "Jugend" – und die in prächtigen rot-weißen Trachten angetretenen jungen Tänzerinnen und Tänzer machten diesem Namen alle Ehre.

"Nein, lass mich, ich will die Kinder tanzen sehen", sagt Rentner Roland aus München zu seiner Frau – die ihn weiter in Richtung des Modehauses Reichert 1850 zerren möchte. Roland setzt sich durch, lächelt voll Anerkennung kopfschüttelnd über die vielen verschiedenen einstudierten Formationen und Choreografien. Wie er bleiben immer mehr Passaten stehen – und staunen. Die kleine Emily (fünf Jahre) mit ihrer Krone auf dem Haupt hält es einfach nicht mehr, sie muss mit den Papa mittanzen. "Sie ist ganz hin und weg von der Musik und der Bewegung", strahlt derweil die Mama über diese kleine Szene.

Zecir Gashi, wir nennen den Nagolder Maler und Stuckateur einmal den "Vater" des albanischen Kulturvereins, dessen Vorsitzender er ist, strahlt derweil ebenfalls mit dem Publikum um die Wette. "Das sind unsere Volkslieder", erläutert er die Playlist, die die jungen Tänzer da abarbeiten. Lieder, die zum Beispiel von der Liebe handeln. Wie wohl die meisten Lieder. Nach "Rinia" kommen die tanzenden Kinder der Firehearts unter der Regie von Anna Kwiring auf dem roten Teppich an der Reihe. Auch ihre Lieder handeln von der Liebe, aber der "Style" ist jetzt pumpender Hiphop – die "moderne westliche Folklore", ist man geneigt zu sagen.

Noch wilder die Styles der Nagolder Tanzfabrik von Svenja Ferl: Neben Hiphop auch hier gibt’s Urban-Style, Funky-Jazz und – davon hat man wirklich noch nie gehört – "Dance-Hall" (aus Jamaika) im "Female Style", als Tanzstil prädestiniert "für die Mädels mit ein bisschen mehr Popo", wie Tanzpädagogin Ferl eloquent erläutert. Was irgendwie ziemlich charmant klingt. Tanzen kann und darf jeder. Weshalb auch das immer dichter um den roten Teppich herumstehende Publikum immer mehr mitwippt und mithopst.

Aber mal weiter schauen. Der Nagolder Mittsommer ist auch ein bisschen Food-Festival. Ein zum Festmotto passendes Highlight: der Stand von Kathrin und Raphael in der Turmstraße. "Angry Moose", übersetzt "wütender Elch". Die beiden haben zwei Jahre in Schweden gelebt; Raphael in Bäcker, hat dort für eine deutsche Bäckerei gearbeitet. Von dort mitgebracht hat er tolle Rezepte für rustikales Elchfleisch und ultrafrischen Lachs, die er auch hier zum Mittsommer feilbietet. Aber der Hammer sind seine Hamburger in selbst gebackenen Buns (Brötchen), "die besten Buns ever", wie ein großer Kulinarik-Fan per Whatsapp einem mitteilt.

Von Albanien und Jamaika ist man jetzt also hier in Nagold im schwedischen Gourmet-Himmel angekommen. Abstecher zum Gerichtsplatz, weil von dort nun offensichtlich russische Klänge locken.

Die hinreißende Stimme von Magarita Haptko, begleitet von Michael Ohngemach an der Gitarre. Russische Volkslieder soll man da hören, aber es klingt rockiger. Das Duo hat sich die härteste Schule für Künstler ausgesucht: Straßenmusik, etwas abseits der Hauptrouten der Einkaufsbummler. Das überlebt nur, wer richtig gut ist. Und Haptko ist richtig gut. Erst hören ihr nur zwei, drei Leute zu. Aber ihre Stimme reicht bis zur Marktstraße – und immer mehr biegen zu ihr ab. Schönen Stimmen können wir nicht widerstehen. Warum auch!? Sie bringen einem die Seele zum Lächeln. Und man möchte wetten, auch diese russischen Lieder kennen nur das eine, das wichtigste Thema der Musik.

Auch Rieke Katz hat solch eine Stimme, aber eine ganz andere Musikrichtung: Sie hüllt mit ihrer Band die Bühne am Unteren Markt in tollen Jazz-Sound; auch wenn sich hier das Publikum rund um das Henne-Nest und den Weinladen überwiegend im "Rücken" der Bühne sammelt. Das sieht ein bisschen "verkehrt" aus. Aber macht eigentlich nichts. Weil’s der Musik nichts ausmacht, wo und wie sie gehört wird.

Zeit, ein bisschen übers Wetter zu reden. Das – was vielleicht überraschen mag – für einen verkaufsoffenen Abend mit geöffneten Läden bis 24 Uhr "ideal" ist: anfangs sonnig, trocken (zwei, drei Tropfen aus dunklen Wolken nur zum Auftakt kurz nach 18 Uhr), später wolkenlos bei Mondschein – aber deutlich kühler als die vergangenen Tage und Wochen; weshalb man gerne einmal in die offenen Geschäfte flüchtete, schon um sich hier "aufzuwärmen". Und genauso sollte es sein. Und für die Läufer beim Mittsommerlauf des VfL war dieses Klima auch absolut ideal – keine Gefahr der Dehydrierung wegen übermäßiger Sommerhitze.