Arbeiten am qualifizierten Mietspiegel (von links): Joachim Flik, Volker Schuler, Jürgen Großmann, Andreas Hölzlberger und Tobias Eckel. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Transparenz: 6500 Bürger werden in den nächsten Wochen angeschrieben / Auch Grundlage für sozialen Wohnungsbau

Rund 6500 Personen in Nagold, Haiterbach, Rohrdorf und Ebhausen bekommen Ende Februar hoch offizielle Post von ihrem Rathaus. Inhalt: ein offizieller Fragebogen "für die Erhebung Mietspiegel-relevanter Daten". Aus denen soll der erste rechtssichere qualifizierte Mietspiegel der Region entstehen.

Nagold. Weshalb sich die Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft der vier teilnehmenden Kommunen reichlich Zeit nehmen für eine öffentliche Präsentation der ziemlich groß angelegten Fragebogen-Aktion. Denn so ein "qualifizierter Mietspiegel", wie er hier erstellt werden soll – im Gegensatz zu einem sogenannten "einfachen Mietspiegel" – hat es in sich. Und er hat weitreichende Bedeutung weit über eine echte, auch gerichtsfeste Vergleichbarkeit der Miethöhen einer Stadt oder Gemeinde hinaus.

Es geht zum Beispiel um die gerade von Bund und Land neu gestaltete "Förderlandschaft" für den sozialen Wohnungsbau, wie Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann erläutert. "Wir wollen alle mehr Mietwohnungen schaffen", wobei die Höhe von Fördersummen in diesem Bereich künftig eben an den real erzielbaren Miethöhen gebunden werden könnte: Je niedriger die möglichen Mieteinnahmen und je geringer damit die Kostendeckung der Investitionen für diese Wohnungen, desto höher voraussichtlich die staatliche Förderung. Verlässlicher Maßstab dafür: Eben der qualifizierte Mietspiegel, der je nach Qualität der Wohnlage, der Gebäudeart, dem Baujahr der Wohnung, der Wohnungsgröße, der Qualität der Ausstattung und der Energieeffizienz (und damit der mutmaßlichen Höhe der Nebenkosten) die ortsübliche Vergleichsmiete nennt.

Bürgermeister Volker Schuler aus Ebhausen nennt einen weiteren Bereich, wo Kommunen den (qualifizierten) Mietspiegel gut gebrauchen können: "Wenn wir als Gemeinde in den sozialen Mietwohnungsbau einsteigen" – etwa durch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft – "müssen wir natürlich wissen, wo liegen eigentlich unsere Mieten?" – Und wäre ein solches Engagement mit den realistisch zu erzielenden Miethöhen überhaupt wirtschaftlich darstellbar. Grundsätzlich, so ergänzt Joachim Flik, Bürgermeister der Gemeinde Rohrdorf, sei der Mietspiegel aber ein Werkzeug für Vermieter und Mieter, um echte Transparenz über die realen Miethöhen auf dem Wohnungsmarkt herzustellen. Viele entsprechende Anfragen gerade an die Rathäuser zeigten, dass es hier einen großen, konstanten Informationsbedarf der Bürger gebe – für den es bisher eben keine echten, neutrale und wirklich verlässliche Zahlen gab.

Um letzteres – die Neutralität und Verlässlichkeit der Zahlen im künftigen Mietspiegel für die vier Kommunen in der Verwaltungsgemeinschaft zu garantieren – müssen allerdings drei Bedingungen unbedingt erfüllt werden: Zum einen braucht es für die Durchführung und Auswertung der Fragebogenaktion einen versierten, externen Partner – in diesem Fall wird das das "EMA – Institut für empirische Marktanalysen" aus der Nähe von Regensburg sein, das sich auf die Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln spezialisiert hat. Zweitens braucht es ein Minimum an Fragebögen, die auch tatsächlich ausgefüllt und an die beteiligten Kommunen zurückgeschickt werden. "Mindestens 300 Fragebögen müssen es insgesamt sein – je Kommune mindestens 50", so Tobias Eckel, Projektleiter "Mietspiegel" – sonst im Nagolder Rathaus für den Gutachterausschuss zuständig. Ansonsten würde die Studie nicht als repräsentativ gelten können.

Dritte Bedingung: In die Organisation des qualifizierten Mietspiegels sind – neben der Beteiligung des jeweiligen Gemeinderats per positivem Entscheid – auch die vor Ort vertretenen Verbände der Vermieter und Mieter aktiv eingebunden. In der Region sind dies der Verein "Haus & Grund" (Sitz in Nagold) und der "Mieterverein Calw & Umgebung". Darüber hinaus unterstützen der Landkreis Calw, die Kreisbaugenossenschaft Calw und die Gäu-Neckar Immobilien (der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg) die Erstellung des Mietspiegels. Kleine Besonderheit: Erst wenn nach Vorliegen des Mietspiegels (wahrscheinlich im Herbst) alle Beteiligten dessen Inhalt auch akzeptieren und gemeinsam freigeben, darf der qualifizierte Mietspiegel auch veröffentlicht werden und in Kraft treten.

Nagold. Die Grafik, die Tobias Eckel, Projektleiter "Mietspiegel" im Nagolder Rathaus, während des Pressegesprächs zur anstehende Fragebogen-Aktion zeigt (siehe Artikel oben), hat es in sich: Aufgeführt ist die Anzahl der Wohnungen in Nagold und den Kommunen Haiterbach, Rohrdorf und Ebhausen und wie diese genutzt werden. Für Nagold ist zum Beispiel die Zahl von 10 022 Wohnungen genannt – von denen 5184 von ihren Eigentümern selbst genutzt werden, weitere 4332 gelten als vermietet; weitere 35 würden als Ferien- oder Freizeitwohnung ausgewiesen. Bleibt eine Differenz von 471 Wohnungen übrig – die als "leer stehend" gerechnet werden.

Eine erstaunlich, vielleicht auch erschreckend hohe Zahl. Allerdings, darauf weist Ralf Fuhrländer als Leiter des Nagolder Stadtplanungsamtes hin: Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2011 und wurden seinerzeit durch die Zensus-Erhebung ermittelt. Sprich: Es sind "statistische Zahlen", die nach einem rechnerischen Schlüssel aus bundesdeutschen Durchschnittszahlen "hochgerechnet" wurden. Entsprechend "hoch" sind auch die Zahlen für die drei anderen Kommunen der Verwaltungsgemeinschaft: Für die Stadt Haiterbach stehen 160 Leerstände in der Statistik, für die Gemeinden Rohrdorf und Ebhausen je 61 beziehungsweise 114. Ein wirklich realistisches Bild würden diese Zahlen allerdings eher nicht abbilden.

"Wir wollen da keine Zwänge schaffen"

Das sieht auch Nagolds OB Jürgen Großmann so: "Gefühlt" seien diese Werte "auf jeden Fall zu groß". Allerdings bestätigt Großmann, dass es natürlich auch aktuell "erhebliche Leerstände" in der Stadt gebe – für Nagold dürfte der Wert heute "etwa so bei der Hälfte" der seinerzeit vom Zensus ermittelten Zahlen liegen. Seine Bürgermeisterkollegen Andreas Hölzlberger (Haiterbach), Joachim Flik (Rohrdorf) und Volker Schuler (Ebhausen) bestätigen eine solche Schätzung auch für ihre Orte. Was aber – allein für Nagold – immer noch weit über 200 derzeit nicht genutzte Wohnungen bedeuten würde. "Das ist realistisch", bestätigt der OB. Weißt aber gleichzeitig sofort darauf hin, dass es nicht Strategie der Stadt sei, hier etwa "Druck auf die Eigentümer" ausüben zu wollen. "Wir wollen da keine Zwänge schaffen." Wenn überhaupt, sollten "Anreize" die Eigentümer und möglichen Vermieter dazu bringen, ihre Leerstände auf den Markt zu bringen.

Ein Werkzeug dabei: "Eine Mietwohnungs-Börse", die die Stadt Nagold tatsächlich künftig von ihrer Seite aus anbieten möchte. Der Hintergedanke: Manche Wohnungs-Eigentümer wollten – vielleicht nach entsprechend schlechten Erfahrungen mit früheren Mietern – nicht "irgendeinem" Mieter ihre Wohnung überlassen, weshalb sie den Wohnraum nicht auf den freien Markt brächten. "Aber bei qualifizierten Mietern" – zum Beispiel aus städtischen oder kommunalen Dienstverhältnissen – sähe das möglicherweise ganz anders aus.

Auf jeden Fall sei es aber natürlich eine Aufgabe der Kommunen, die Zahl der Leerstände "qualifiziert zu reduzieren", so Jürgen Großmann weiter. "Aber zwingen kann man niemanden", zumindest nicht hier in der Region. In Städten wie Stuttgart und Tübingen, "wo die Situation am Wohnungsmarkt noch mal eine ganz andere ist", herrsche da aber schon auch eine ganz andere Welt.

Der in diesem Jahr zu erstellende "qualifizierte Mietspiegel" für Nagold, Haiterbach, Rohrdorf und Ebhausen soll erstmals belastbare Zahlen zur durchschnittlichen Miethöhe in diesem Kommunen ermitteln und öffentlich machen. Nach Informationen von Nagolds OB Jürgen Großmann ist beispielsweise in Nagold selbst die Kreisbaugenossenschaft Calw (deren Aufsichtsratsvorsitzender Großmann ist) größter Wohnungs-Eigentümer mit 200 vermieteten Wohnungen – mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-Mietpreis von 5,17 Euro (kalt). "Das dürfte die untere Grenze sein." Die obere Grenze markierten dem gegenüber die aktuell vermieteten Neubauten in der Nagolder Kernstadt, bei denen die Mieten zwischen 9,50 Euro und 11 Euro lägen. "Allerdings mit wirklich gehobener Ausstattung." Und – Lage, Lage, Lage.