Der in Nagold aufgewachsene Altsaxophonist Markus Harm gibt am OHG einen Workshop und ist mit seinem Quartett in einem Live-Stream zu hören.Foto: Steinheisser Foto: Schwarzwälder Bote

"Jazz im Winter": Der in Nagold aufgewachsene Musiker kommt zu Workshop und Livestreamkonzert ans OHG

Markus Harm wird am Mittwoch, 24. Februar mit seinem Jazz-Quartett in einem aus Nagold ausgestrahlten Livestream zu hören sein. Wir sprachen mit dem in Nagold aufgewachsenen Profi-Altsaxophonist über sein Musikerleben in der Corona-Zeit, über seine Nagolder Wurzeln und seinen Workshop, den er mit Schülern des OHG abhalten will.

Wovon lebt ein Musiker, wenn es keine Konzerte gibt?

Da ich in guten Jahren bis zu 170 Konzerte spiele, war besonders der erste Lockdown im Frühjahr heftig. Die Staatshilfen waren zwei kleine Beträge und somit nicht üppig. Ich musste meine Ersparnisse angreifen. Jetzt ist es zum Glück etwas besser, da ich im Sommer und frühen Herbst bis zum "Lockdown light" – für die Konzertszene ist der genauso hart wie die beiden Lockdowns vorher und nachher – einige Konzerte spielen konnte. Ich bin Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Nürnberg und habe einen kleinen festen Vertrag an der Musikschule Stein, damit komme ich ohne große Extrazahlungen ganz gut über die Runden. Dazu kamen im Winter die Künstlerische Leitung einer Online-Arbeitsphase mit dem Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz und vor einigen Tagen zwei Produktionen mit der SWR Big Band.

Haben Sie nie daran gedacht, aufzugeben und einfach einen normalen Beruf zu ergreifen, sich in einen weich gepolsterten Ledersessel in einem Büro zu setzen?

Nein. Seit ich 15 bin war es mein Ziel, Berufsmusiker zu werden. Damit bin ich immer noch glücklich und man sollte eben auch auf Unvorhergesehenes gefasst sein. Meine Unterrichtstätigkeiten helfen hier weiter, zum einen finanziell, zum anderen bin ich in der glücklichen Lage, mit guten Leuten arbeiten zu dürfen, die es wissen wollen.

Wie geht es den Musikern, die Sie kennen? Fährt von denen inzwischen einer Taxi?

Viele Kollegen hadern schwer mit der Situation. Man hat eben weniger Geld als jemand mit einem sicheren Job. Diejenigen, die hart gearbeitet haben, spielen auch nach Corona, da bin ich mir sicher. Die, die das nicht so ernst genommen haben, werden zum Teil bestimmt auch den Beruf wechseln.

Und wie erleben Sie die Unterstützung der Politik?

Jetzt war es ganz okay, aber in der ersten Phase der Pandemie gab es nur wenig Geld. Das war schon sehr dürftig, während die Wirtschaft viel unterstützt wird. Überall wird Geld reingepumpt, in die Wirtschaft, in den Fußball, nur nicht in die Kultur, die man zudem als erstes schließt und als letztes wieder aufmacht, so wie die Gastronomie.

Hatten Sie Corona?

Nein, ich hatte Glück, aber einige Studentinnen sowie Bekannte von mir hat es getroffen.

Vor ein, zwei Wochen waren Sie bei der SWR Big Band, um eine CD aufzunehmen und Filmaufnahmen zu machen. Wie geht das mitten im Shutdown?

Die hatten einfach ein gutes Hygienekonzept. Wir haben mit Trennscheiben und einem Riesenabstand gespielt, mit Kopfhörern und Klick im Ohr.

Sie kommen nächste Woche nach Nagold ans Otto-Hahn-Gymnasium, um da einen Workshop mit der Bigband zu machen. Wie funktioniert das? Die sitzen doch alle zu Hause...

Wir haben das gemeinsam geplant, Ralf Brauer und ich, zusammen mit weiteren Kollegen und der Schulleitung. Das wird über einen Online-Workshop stattfinden. Ich werde frontal Konzepte vorstellen, und die Kids bekommen die Möglichkeit, über die Videoplattform vorzuspielen. Das ist ein Signal, dass das trotzdem stattfindet, und beweist die Bereitschaft von Ralf und den Leuten vor Ort, das durchzuziehen, worüber ich mich sehr freue – es muss weitergehen!

Ihr Quartett kommt am zweiten Tag abends und spielt mit Ihnen zusammen einen Livestream. Wie geht es denen, was machen die?

Dominik, mein Schlagzeuger, lebt in Köln. Dort ist die Unterstützung besser als bei mir in Bayern. Die anderen beiden, Jens und Christoph, wohnen in Stuttgart, da ist es ähnlich wie hier. Die haben aber alle Projekte am Laufen, üben, nehmen CDs auf, keiner steckt den Kopf in den Sand. Auch ich übe im Moment sechs bis sieben Stunden am Tag, auch Flöte und Klarinette, um nicht stehen zu bleiben. Christoph, der Gitarrist in meiner Band, verkauft seit einigen Monaten tolle Linolprints, und das geht sogar ganz gut.

Sie spielen mit Ihrem Quartett am Mittwoch, 24. Februar im Livestream hier in Nagold aus dem Kubus, leider ganz ohne Publikum. Was denken Sie? Ist das von der Politik verhängte Verbot von Konzerten sinnvoll?

Ich verstehe den Hintergrund, dass man die Wege und Kontakte der Leute einschränken will. Aber den "Lockdown light" habe ich nicht verstanden. Es wird von den Konzertveranstaltern alles getan, Hygiene, Belüftung, Abstand. Aber man darf nicht einmal zu fünfundzwanzigst in einem großen Konzertraum bei zehnfachem Abstand sitzen, aber viele hunderte Menschen sitzen in überfüllten Flugzeugen ohne Abstand. Mir wäre ein richtiger Lockdown lieber gewesen, vier Wochen alles runter. Aber in der Wirtschaft sitzen mächtige Leute, die das verhindern.

Kann ein Livestream für Sie als Musiker und für das Publikum ein Live-Konzert ersetzen?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist ein anderes Spielgefühl. Beim ersten Stream im Mai war ich aufgeregt wie ein Schuljunge und dachte, das gibt es doch nicht! Inzwischen ist das nicht mehr so. Der Stream ist eine gute Alternative, solange es keine Konzerte gibt. Aber nicht weiter, wenn Live-Konzerte vor Publikum wieder gehen. Sonst bleiben die Leute zu Hause. Er ist eine Alternative in jetziger Zeit, aber er ersetzt kein Konzert. Wir kommen so wenigstens zum Spielen, haben ein Livepublikum. Aber die Interaktion mit den Zuhörern und die Reaktion der Besucher fehlt. Sonst hören wir Applaus, treffen die Leute nach dem Konzert vor der Bühne, tauschen uns aus.

Sie sind 2004, als 16-Jähriger, mit Ihrer Familie aus Nagold weggezogen und kommen nun nach vielen Jahren der Abwesenheit als Altsaxophonist nun schon zum dritten Mal hierher zurück. Was bedeutet Ihnen Nagold?

Nagold war meine erste große Heimat. Ich habe meine Jugend da verbracht und habe meine musikalischen Grundsteine gelegt bekommen. Mein Saxophonlehrer Ralph Gundel an der Musikschule war für mich eine sehr wichtige Persönlichkeit und hat großen Einfluss darauf gehabt, dass ich das heute mit einer solchen Leidenschaft machen kann. Auch die Jahre in der OHG-Big Band unter ihrem Gründer Rudi Benner, waren für mich eine wichtige und inspirierende Zeit. Und jetzt freue ich mich darauf, zum dritten Mal an meine alte Schule zu kommen und auch auf die nach diesem Event geplante Fortsetzung dieser Projekte, die für beide Seiten eine schöne und fruchtbare Sache sind.

Der Livestream "Jazz im Winter" mit dem Markus Harm Quartett beginnt am Mittwoch, 24. Februar, um 19 Uhr. Der YouTube-Link lautet https://www.ogy.de/jazz-im-winter