Wie passend: In Mini-Fässchen haben Hansi Walz (rechts) und seine Schwester Heide Seyfried das aus alten Schnapsbeständen der Anker-Brauerei hergestellte Hand-Desinfektionsmittel abgefüllt. Die Spende nahmen (von links) Ralf Benz und Bärbel Reichert-Fehrenbach für den Gewerbeverein entgegen.Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Spende: Familien Walz und Seyfried mixen Hochprozentiges aus der einstigen Nagolder Haus-Brauerei zu Desinfektionsmitteln

Wenn sich Hans-Martin "Hansi" Walz (samt Sohn Luis) und seine Schwester Heide Seyfried auf dem einstigen Areal der ehemaligen Nagolder Anker-Brauerei treffen, dann macht sich schnell schwere Nostalgie breit. Vor allem, wenn sie eine ganze Wagenladung Bierfässer dabei haben.

Nagold . Aber diesmal ist kein echt Nagolder Anker-Bräu im Fass. Sondern Desinfektionsmittel für die Händler des Nagolder Gewerbevereins. Das Hansi Walz und seine Schwester aus ganz besonderen "Restbeständen" der vormaligen Nagolder Haus-Brauerei zusammengemixt haben: 600 Liter gnadenlos hochprozentiges Destillat, dass seit der Schließung und dem Abriss der Anker-Brauerei der Familie Walz im Vorfeld der Landesgartenschau in Nagold im Gewölbekeller von Heide Seyfried auf eine Verwendung wie diese gewartet hat.

"Spezialwässerchen" machte müde Beine fit

Wer sich erinnern mag und kann: Zum Anker-Bräu gehörte seinerzeit auch eine eigene Schnaps-Destillation. Aktuelles Zitat eines Kenners: "Ja, der war legendär, der Bierschnaps vom Hansi Walz!" Aus dem Vor- und Nachlauf unter anderem dieses Bierschnapses – es gab auch verschiedene Obstbrände und sogenannten "Newmake-Whisky" made in Nagold – wurde durch weitere Nachdestillationen ein "Spezialwässerchen" bereitet, das man zwar nie wirklich trinken konnte. Das aber zum Beispiel durch "Einreiben" müde Beine wieder ziemlich fit machen konnte. "Und sich auch hervorragend zum Fensterputzen eignet", wie Heide Seyfried – im ehemaligen Familienbetrieb für alle Destillationen verantwortlich – nicht ohne einen gewissen Stolz berichtet.

Aber soviele Beine einreiben und Fenster putzen kann man irgendwie gar nicht, als dass die 600 Liter Nagolder "Anker-Spezial", die bei Heide Seyfried daheim im Gewölbekeller lagerten, wirklich mal weniger wurden. Weshalb sich Bruder Hansi – unter dem Eindruck seines letzten Südtirol-Urlaubs – mit Beginn der Corona-Pandemie irgendwie an den hochprozentigen Familienschatz erinnern musste. Denn – Südtirol: Corona-Hotspot. Alle Welt geht in Quarantäne. Wäscht und desinfiziert Hände, Türen, Geländer und Fahrstuhlknöpfe, was das Zeug hält. So dass alsbald alle handelsüblichen Desinfektionsmittel überall in der Welt restlos ausverkauft sind. Und guter Rat (nebst Desinfektions-Destillat) immer teurer wird. Logische Konsequenz für Hansi Walz: "Heide, jetzt räumen wir deinen Keller auf!"

Sprach’s. Und schritt mit der ganzen Familie zur Tat. Ein Video vom Arbeitseinsatz der Familien Walz und Seyfried zeigt das muntere Treiben beim Weiter-Veredeln des "Anker-Spezial" nach original WHO-Rezeptur zu einem hochwirksamen (Hand-)Desinfektionsmittel.

Limetten-Aromen und Glycerol kommen dazu

Denn, wie gesagt, dabei wurden gewaltige Mengen bewegt. Was zur Rezeptur – und an Equipment – fehlte, steuerte "eine große namhafte regionale Brauerei" (Alpirsbacher) bei, wo Hansi Walz heute als Braumeister übers Bier wacht und Heide Seyfried (was auch sonst) für sämtliche Destillations-Vorgänge verantwortlich zeichnet: Wasserstoffperoxid, destilliertes Wasser, Glycerol für Wirkung und Hautverträglichkeit sowie Limetten- und Zitronen-Aromen für einen angenehmen Geruch – all das braucht’s noch für ein funktionierendes Desinfektionsmittel.

Wobei der Geruch dieser Do-it-Yourself-Rezeptur –wenn man die (so steht es auf dem Etikett des so passenderweise in kleinen Bier-Fässern abgefüllten Desinfektionsmittels) "Anker hilft!!!" genannte Flüssigkeit in seinen Händen verteilt – noch deutlich nach Whisky oder auch Bierbrand duftet. Eigentlich ziemlich lecker. Aber – bitte: Nicht davon kosten oder probieren! Zu so etwas kann nur ein an dieser Stelle wirklich mehr als seltsamer US-amerikanischer Präsident raten. Für alle vernünftigen Menschen gilt: Dieser Ex-(Bier-)Brand ist nur noch zum rein äußerlichen Bakterien und Viren abtöten da.

Aber genau das kann "Anker hilft!!!" ziemlich optimal, wie Stadt-Apothekerin Bärbel Reichert-Fehrenbach bestätigt. Die hat das Desinfektionsmittel auf seine Wirksamkeit hin getestet. Und gemeinsam mit Gewerbevereins-Vorsitzenden Ralf Benz exakt 60 der mit dem Nagolder Spezial-Desinfektionsmittel abgefüllten "Party"-Fässer als Spende der Familien Walz und Seyfried jetzt in Empfang nehmen können. Eben – natürlich der Symbolik wegen – auf dem ehemaligen Areal der Anker-Brauerei. Verteilt werden sollen die Fässer nun an alle Mitgliedsbetriebe des Gewerbevereins mit Publikumsverkehr, die ja an ihren Eingängen eben solche Möglichkeiten zur Handdesinfektion für ihre Kunden vorhalten müssen. Und dies nun ganz nach "Nagolder Eigen-Art" auch können.

Wobei man natürlich zum Schluss noch fragen muss: Was machen Hansi und Heide denn jetzt nur mit dem vielen Platz in ihrem Gewölbekeller – nachdem die eisernen Restbestände aus Anker-Bräu-Zeiten nun anderweitig "verarbeitet" wurden? "Na, in dem Keller lagert auch noch die echte Destille der Anker-Brauerei", sagt der Braumeister aus Passion. Der übrigens bei seinem heutigen Arbeitgeber nach wie vor auch für die Produktion von Anker-Bräu nach original Rezept zuständig ist. Mittlerweile sei es ja so, dass solche hochprozentigen Spezialitäten mit regionalen Bezug – wie der einstige Anker-Bierbrand von Hansi Walz – eine echte Renaissance und auch Boom in den Märkten erlebten. Weshalb vielleicht demnächst "wieder mal was gehen" könnte in Sachen Brennerei in Nagold – auch mit anderen hochgeistigen Destillaten als nun ausgerechnet für Desinfektionsmittel.