Foto: Schwarzwälder Bote

Nagold liest: Im "Longwy" geht es um Wintergeschichten

Nagold. Trotz ausbleibenden Schneefalls konnten etliche Nagolder Bürger, gemütlich im mollig warmen und mit Schneeflocken geschmückten Restaurant Longwy sitzend, bei "Nagold liest … Wintergeschichten" der kalten Jahreszeit gedenken und sich von drei Vorlesern in eine winterliche Wunderwelt entführen lassen.

Zum ersten Mal in diesem Jahr lud der Arbeitskreis Kultur zu dieser ganz besonderen Lesung ein, und gut 40 Gäste waren dieser Einladung gefolgt. Während die Anmeldeliste der VHS schon längst gefüllt war, ließen ein paar Lesefreunde es sich nicht nehmen, dennoch aufzutauchen – so groß war die Freude und der Wunsch, Teil dieses Events zu sein.

Charmant läutete Susanne Humbeil den Abend ein und nach einer kurzen Begrüßung sowie der Feststellung, dass man sich den Winter heute Abend eher denken muss, überließ sie dem ersten Vorleser das Feld. "Seien Sie sicher, wir befinden uns in einem hochwinterlichen Gebiet. Und zwar in Davos", leitete sogleich Tilman Zutavern in seinen ausgesuchten Text, das Kapitel Schnee aus "Der Zauberberg" von Thomas Mann, ein. Der Protagonist Hans Castorp gerät während eines Skiausflugs in einen lebensbedrohlichen Schneesturm und schläft, nachdem er sich einigermaßen in Sicherheit gebracht hat, ein. Der Schneetraum beschreibt szenische Bilder und einen inneren Monolog über den Traum selbst und dessen Bedeutung.

Ursel Schaller erzählte bedacht, mit einem Auszug aus dem Buch "Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler, von Andreas Egger, einem alten Mann, der ein hartes und entbehrungsreiches Leben in den Bergen führt und trotz aller Widrigkeiten mit dem zufrieden ist, was ihm zum Leben bleibt.

Darauf folgte ein Gedicht von Joseph von Eichendorff – "Die Winternacht" – fröhlich vorgetragen von Tilman Zutavern. Mit der heiteren Erzählung "Der Bär auf dem Försterball" von Peter Hacks berichtete Barbara Rennig von einem betrunkenen Bären, welcher fälschlicherweise für den Oberförster gehalten wird und beim Maskenball der Förster landet. Das Publikum vergnügte sich bestens, als zum Schluss dann auch noch die Frau des Bären ins Lokal dazu stieß und ihren Gatten, kopfschüttelnd aufgrund seiner Gesellschaft, zurück nach Hause brachte.

Nach einer kurzen Pause, in der sich die Zuhörer am reichhaltigen Buffet stärken konnten, war es Tilman Zutavern, der die Gäste mit der Geschichte vom "Katzentreffen" von Eva Demski berührte. Kater Hugo beeinflusste darin tiefschürfend das Leben der Protagonistin, denn durch den Vierbeiner und seine sparsame Zuneigung lernten beide gemeinsam, was Liebe bedeutet, bevor Hugo im folgenden Winter für immer verschwand.

Hoffnung sowie Stoff zum Nachdenken brachte obendrein der nächste Text, "Frühe Kraniche" von Tschingis Aitmatow, vorgelesen von Barbara Rennig. In Kirgistan herrschen harte Zeiten für die Bevölkerung; so auch für Sultanmurat, einen Schuljungen, der tagein tagaus auf dem Feld arbeiten muss und viel lieber von fernen, wärmeren und besseren Orten träumt. Nach einem schlimmen Unwetter sieht man am Tag darauf Kraniche fliegen, was so früh im Jahr ein gutes Omen ist und Sultanmurat hoffen lässt.

Den Abschluss des teils launigen, teils nachdenklich stimmenden Abends bildeten drei Gedichte. "Der Januar" von Erich Kästner, vorgetragen von Ursula Schaller, zeigt auf, wie grau und monoton doch der Winter ist, macht jedoch ebenso Hoffnung auf die warmen Zeiten im Jahr, welche nicht mehr allzufern sind. Tilman Zutavern folgte dieser Thematik mit seinem Gedicht "Sehnsucht nach dem Frühling" von Hoffmann von Fallersleben. Auch mit "Februar", verfasst von Cäsar Flaischlen, sinnierte Barbara Rennig zum Abschluss noch einmal über den bald eintreffenden Frühling.

Nun war es an Susanne Humbeil, den Abend abzumoderieren. Nach einem Hinweis auf die nächste Lesung, die am 19. Mai in der Stadtbibliothek stattfindet, und ihrem Dank, nicht nur an die einfühlsamen Vorleser und die zahlreich erschienen Gäste, sondern desgleichen an das freundliche Longwy-Team und Familie Dede, die extra für diesen Abend ihr Lokal zur Verfügung gestellt hatten, entließ sie die Zuhörer in den Abend.