Bremens Alt-Bürgermeister Henning Scherf zu Gast in Nagold
Von Marija Mikulcic
Nagold. Seit seinem Eintritt in den Ruhestand ist er fast noch bekannter geworden als er es davor deutschlandweit ohnehin schon war: Die Rede ist von Henning Scherf, der lange Jahre das politische Geschehen in der Hansestadt Bremen, unter anderem als deren Bürgermeister, mitbestimmt hat. Im Arbeitsleben ist der 77-jährige Scherf seit 2005 nun zwar nicht mehr. Doch von Ruhestand, von Untätigkeit gar, kann bei dem hoch gewachsenen Mann nicht die Rede sein. Zu einem aktuellen, wichtigen Feld, auf dem Henning Scherf sich seither leidenschaftlich betätigt, zählen neue, für landläufige Verständnisse vielleicht sogar kühn wirkende, Wohnformen für Menschen im Alter. Damit hat er sich als Referent und Buchautor einen Namen gemacht. Einen Eindruck der innovativen Ansichten Scherfs bekam, wer sich zum Vortrag "Anders alt werden in Nagold – wer sich langweilt, altert schneller", in der Nagolder Stadthalle einfand.
Schon im Vorfeld, im Rahmen des Empfangs bei OB Jürgen Großmann, stellte die einstige politische, und nach wie vor physische, Größe indes eindrucksvoll unter Beweis, wofür er eigentlich schon zu seiner Zeit als Bremer Stadtoberhaupt bekannt, beliebt und berühmt war: eine ausgesprochene Nähe zu und Herzlichkeit im Umgang mit den "ganz normalen" Menschen, auf die er trifft.
"Tach auch, ich bin der Henning Scherf aus Bremen", stellt der hohe, schmale Herr sich der Mitarbeiterin der Stadtverwaltung vor, die im Moment seiner Ankunft hinter der Infotheke ihren Dienst tut. Lässig lehnt er sich über den Tresen. Ein ganzes Weilchen nimmt Scherf sich für die Dame Zeit, erkundigt sich nach ihrem Befinden. Es sind Augenblicke der Aufmerksamkeit, die er so nahezu jedem zu schenken in der Lage ist, dem er an diesem Abend in Nagold begegnet.
In der Stadthalle das gleiche Bild. Viele Leute sind gekommen. Scherf geht durch die Reihen, klopft Schultern, erwidert Blicke, schüttelt Hände. Würde man die Szene mit einer Wärmebildkamera festhalten, wären Scherfs Konturen wahrscheinlich dunkelrot. So intensiv macht seine Ausstrahlung sich bemerkbar.
Dass sie mit Henning Scherf einen großkalibrigen Gast gewonnen haben, dessen sind die Initiatoren vom Nagolder Seniorennetzwerk sich bewusst. Die "Henning-Scherf-Fans" begrüßt die Vorsitzende des Stadtseniorenrates, Ursula Schaller. Dass berühmte Menschen viele Menschen anziehen, stellt in seinem Grußwort Ulrich Mansfeld, Sprecher des Vorstandes der Urschelstiftung, fest. Zweifler beschwichtigt ein Blick über den Büchertisch: "Grau ist bunt", "Altersreise", "Gemeinsam statt einsam" – so lauten nur einige der Buchtitel, deren Verfasser Henning Scherf ist.
Altern ist eine Herausforderung. Auch die schwierigen Aspekte spart Scherf nicht aus. Insgesamt aber spricht er seinen Zuhörern unaufhörlich Mut zu: "Älter werden ist ein großes Geschenk, das muss positiv besetzt werden." In den verschiedensten Facetten veranschaulicht der Redner, welch enormes Potenzial für unsere Gesellschaft in dem stetig wachsenden Anteil an nicht mehr erwerbstätigen Menschen steckt. Die Kombination aus Zeit und Lebenserfahrung sei es, die die älteren Mitbürger für den Rest der Gesellschaft so wertvoll mache. Wichtig für die gute Verfassung Alternder, fasst Scherf zusammen, seien allen voran zwei Dinge: Gesellschaft und eine Aufgabe. "Die Teilnahme, das hält einen am Leben", appelliert der selbst ehrenamtlich vielfach engagierte Scherf eindringlich an die Anwesenden.
Nagold wird der Gast aus Bremen noch aus einem anderen Grund in besonderer Erinnerung bleiben: als letzter Eintrag im seit 1947 geführten Goldenen Buch der Stadt.