Eine Passantin spendet bei Esther Fischer (Mitte) und Karl Wörner für die Kriegsgräberfürsorge. Foto: Meinert

Karl Wörner und Esther Fischer sammeln Spenden. Immer weniger Freiwillige. Betroffenheit nimmt ab.

Nagold - Ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet. Doch vor dem 100. Jubiläum gibt es ein Problem: Die Spenden nehmen ab.

Wochenmarkt in Nagold, es ist Samstagmorgen, neun Uhr in der Frühe, der Himmel ist grau. Seit zwei Stunden stehen Karl Wörner (67) und Esther Fischer (55) im Gedränge. Er in grauer Uniform, das rote Barett der Fallschirmjäger auf dem Kopf, mehrere Auszeichnungen am Revers. Sie im grauen Bundeswehrmantel. Beide sind Obergefreite der Reserve und schütteln die Sammelbüchse. "Guten Morgen, wir sammeln für die Kriegsgräber."

Vor allem ältere Menschen bleiben stehen, kramen im Portemonnaie, stecken ein paar Münzen in die Büchse. "Die meisten spenden einen Euro oder so", erzählt Wörner. "Aber es gibt auch schon mal einen 20-Euro-Schein." Eine ältere Dame sagt begeistert, dass sie als junges Mädchen auch schon mit der Sammelbüchse durch die Straßen gezogen sei – natürlich zückt auch sie die Geldbörse.

Wörner, der Reservist, der in Pfrondorf wohnt und früher als Feinmechaniker gearbeitet hat, nimmt heute nicht mehr an Reserveübungen teil. "Ich darf keine Waffe mehr tragen, wegen meines Alters." Seit sechs Jahren sammelt er für die Kriegsgräber. Für seine Spender hat er sich etwas Besonderes ausgedacht: "Sie kriegen ein Schleckerle", sagt er und zeigt auf eine Bonbontüte.

"Die Süßigkeiten bezahle ich aus eigener Tasche", erzählt er. "Das ist mir wichtig." Ansonsten gibt es noch andere kleine Geschenke fürs Publikum, etwa Kugelschreiber, die allerdings vom Verband gestiftet sind. Wie viel am Ende in der Sammelbüchse landet, sei nicht immer absehbar. An guten Tagen kämen aber schon mal bis zu 700 Euro zusammen.

Summen sind rückläufig

Das klingt gut, aber in Wirklichkeit hat der Volksbund ein echtes Problem. Und das schon seit einigen Jahren. "In den letzten zehn Jahren sind die Spenden in unserem Gebiet von jährlich 160.000 auf 120.000 Euro gefallen", klagt Volker Schütze, Geschäftsführer des Volksbundes Bezirksverband Nordbaden.

Hauptursache, so Schütze: Die Zahl der Sammelwilligen gehe zurück, vor allem immer weniger junge Menschen hätten Lust, mit der Büchse durch Straßen und über Märkte zu ziehen oder an Wohnungstüren zu klingen. Es gebe zwei Gruppen von Sammlern: Zum einen Bundeswehrangehörige und Reservisten, zum anderen Schüler. "Natürlich alle freiwillig und ehrenamtlich", betont Schütze.

Aber gerade bei den Schulen gebe es Probleme. Häufig hänge dies mit dem Generationenwechsel zusammen. Wenn etwa ein Schulleiter aus Altersgründen ausscheidet und ein jüngerer Rektor nachrückt, "kann es passieren, dass an der Schule nicht mehr gesammelt wird."

Auch die beiden Reservisten auf dem Nagolder Wochenmarkt kennen das Problem. "Früher waren wir in Nagold vier Sammler", sagt Wörner. "Heute nur noch zwei." Niemand wolle es sich heute noch antun, "sich sechs bis acht Stunden auf den Markt die Beine in den Bauch zu stehen", versucht Wörner den Schwund zu erklären.

Betroffenheit nimmt ab

Es gibt auch andere Gründe: Die Betroffenheit nimmt ab, immer weniger Menschen haben den Krieg selbst erlebt oder Verwandte und Freunde als Opfer zu beklagen. Immer häufiger würden Menschen fragen: "Kriegsgräberfürsorge, gibt’s das noch?", klagt Wörner. "Andere behaupten: Es gibt doch gar keine Kriege mehr."

Noch ein anderes Problem Sammler zu finden bereite Schwierigkeiten, meint Schütze. "Die Leute packen uns mitunter ganz rasch in die rechtskonservative Ecke." Das liege aber auch daran, dass die meisten gar nicht wüssten, was Aufgabe der Kriegsgräberfürsorge sei. "Dass nämlich auch Versöhnungs- und Friedensarbeit auf unserem Programm steht."

Doch das Wichtigste sei nach wie vor die Pflege und Bewahrung von Soldatengräbern im Ausland. "Denn die Jugendlichen, die auf den Friedhöfen arbeiten, sehen, welche Folgen Kriege mit sich bringen."