Tagebucheinträge des verstorbenen Fritz Trommer werden veröffentlicht.
Nagold - Es ist der 1. Januar des Jahres 1945. "Prost Neujahr", schreibt der 16-jährige Fritz Trommer in sein Tagebuch. Es ist sein erster Eintrag. Und wissend um die schlechten Zeiten und sicher auch ahnend, was speziell auf ihn noch zukommen wird, fügt er hinzu: "Prost Neujahr! So hätten wir früher gesagt. Heute ist dem nicht so. Und das ist schade."
Fritz Trommer starb vor sechs Jahren. Sein Name ist in Nagold freilich noch weithin bekannt. Jahrzehnte saß der Architekt für die SPD im Nagolder Gemeinderat, prägte auch die Politik im Kreistag entscheidend mit, bekam das Bundesverdienstkreuz verliehen. Engagiert und geradlinig war Trommer auch, wenn es um die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus ging. Wenn man so will, sind seine Tagebuchaufzeichnungen ein weiterer Bestandteil dieses Bestrebens.
Fritz Trommer führte nicht ein Leben lang Tagebuch. Doch am 1. Januar 1945 begann er seine Aufzeichnungen, im November 1945 enden sie. Und genau jene Notizen sind nun als Buch erschienen: "Aber ich will weiterleben" – so der Titel. Zusammengestellt und herausgebracht hat das 108-seitige Buch seine Tochter, Dorothee Trommer.
Als Fritz Trommer beginnt Tagebuch zu führen, stehen ihm turbulente Wochen bevor. Der Zweite Weltkrieg ist schon fast zu Ende. Selbst Halbwüchsige werden in den letzten Kriegswochen an die Front geschickt – Fritz Trommer ist einer von ihnen. Im März 1945 wird er bis an die Front transportiert und notgeschult, um mit den Gleichaltrigen in den Krieg zu ziehen. Das Besondere: Trommer führt akribisch Tagebuch.
Flucht und Gefangennahme
Fast jeden Tag gibt es einen Eintrag. Er berichtet von den Sorgen eines 16-Jährigen, aber auch von den Hoffnungen und dem Alltag eines jungen Soldaten. Er berichtet von Flucht und Gefangennahme. Er schreibt über Freunde und Kinobesuche. Stets wird auch bewertet, wie der Film gefällt. Oft geht es ums Essen – ob es gut ist, ob es reichlich ist, ob es überhaupt eine Mahlzeit gibt. Es ist der Originalton eines 16-Jährigen, das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man Trommers Tagebuch liest. Wenngleich der 16-Jährige Fritz Trommer durchaus schon mit einer gewissen Reife auf die Welt blickt.
Ausführliche Notizen, wie sie Fritz Trommer hinterlassen hat, sind ein Glücksfall. Und so reifte auch in der Familie Trommer der Entschluss, das Dokument zu veröffentlichen. Tochter Dorothee Trommer, langjährige Mitarbeiterin dieser Zeitung, nahm sich dem Projekt an. "Wenn wir schon ein so umfassendes Dokument dieser Zeit besitzen, dann sollten wir es mit anderen teilen", sagt sie zu den Beweggründen. Es seien die Gedanken eines 16-jährigen Soldaten, und nicht die spätere Reflexion eines alten Mannes über diese Zeit. "Die meisten Männer seiner Generation haben wenig oder fast gar nicht über ihre Erlebnisse in diesem schrecklichen Krieg gesprochen", so Dorothee Trommer weiter. Sie halte es für wichtig mit den akribischen Schilderungen ihres Vaters die Sinnlosigkeit dieses Krieges aufzuzeigen.
Mit Fotografien sowie Vor- und Nachwort aber auch einer Kurzbiografie über den Vater hat Dorothee Trommer die Aufzeichnungen ergänzt. Persönlich überrascht hat sie, dass bis zum Kriegsende trotz häufiger Bombenangriffe Lustspielfilme oder Propagandafilme gezeigt wurden – auch davon berichtet der 16-jährige Trommer. Und mit einer gewissen Bewunderung zollt Tochter Dorothee dem Vater Respekt, wie er es in jeder Lebenslage geschafft hat, Füller und Tinte durch alle Strapazen, Nachtmärsche und Verlegungen zu retten.
Im November 1945 enden die Tagebucheinträge. Fritz Trommer ist da zwar noch nicht nach Plauen heimgekehrt, doch er erfährt, dass sein Vater wieder zu Hause ist. "So hat auch dies ein gutes Ende", schreibt er zum Abschluss. Sein letzter Satz gilt aber der Zukunft: "Was wird das Jahr 1946 bringen?"
Weitere Informationen:
"Aber ich will weiterleben" von Dorothee Trommer, ISBN-10: 3-8423-6446-6. Das Buch wird am kommenden Freitag, 16. Dezember, ab 18.30 Uhr in Nagold, Henne-Nest, vorgestellt.