Das OHG Vokalensemble ist auch ein Aushängeschild der Schule. Stand jetzt wird es schwer mit weiteren Proben. (Archivfoto) Foto: Fritsch

OHG ist vom jüngsten Erlass des Kultusministeriums nicht begeistert und wünscht sich Änderungen.

Nagold - Furcht und Sorgen ruft das ministerielle Schreiben vom 7. Juli bei den Schulen in Baden-Württemberg hervor. Demnach ändern sich die Bedingungen für das kommende Schuljahr. Die Auswirkungen auf Arbeitsgemeinschaften wären fatal. Verantwortliche des OHG tüfteln an Lösungen.

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Das Schreiben, in dem sich Kultusministerin Susanne Eisenmann an die Schulen des Landes wendet, findet Matthias Flury, Abteilungsleiter Musik des OHG, "nicht so prickelnd". Darin stecken nämlich zwei Aussagen, die für das OHG verheerende Folgen haben könnten. Im Schreiben heißt es, dass "eine jahrgangsübergreifende Gruppenbildung grundsätzlich nicht möglich ist".

Dies habe laut Schulleiter Walter Kinkelin "massive Auswirkungen auf so gut wie alle Arbeitsgemeinschaften". Das betreffe nicht nur Arbeitsgemeinschaften (AG) im Bereich Musik, sondern auch Theater- und Sport-AGs. Durch diese Vorschrift wäre "alles tot", lautet das Fazit von Kinkelin.

"Eine Katastrophe für unsere Schule"

Als Beispiel nennt der Schulleiter Thomas Kalmbach, der die Big Band leitet. Er habe nun seit einem halben Jahr nicht mehr proben können. "Aufbauen konnte er auch nichts", so Kinkelin. Sollte es bis September 2021 bei solch starken Einschränkungen bleiben, "dann kann er wieder bei Null anfangen", gibt der Direktor zu bedenken. "Eine Katastrophe für unsere Schule", fügt er an.

Das Eingrenzen der Pandemie sei für ihn verständlich. "Der Gesundheitsschutz der Schüler steht an oberster Stelle", unterstreicht er. Durch pauschale Verbote würde allerdings der kulturelle Bereich – und damit "der Geist der Schule" – stark leiden.

Singen und Blasinstrumente in geschlossenen Räumen verboten

Doch das ist noch nicht alles. Denn im Schreiben kommt hinzu: "Singen in geschlossenen Räumen ist ausgeschlossen, dies gilt auch für die Verwendung von Blasinstrumenten."

"Das macht den Musikunterricht sehr schwer", so Chorleiter Flury. Für ein Gymnasium mit einem Musikprofil, wobei Musik als Hauptfach gilt, ein großes Hindernis.

Von Seiten der Schüler ergreifen Benedikt Link und Lena Graf das Wort. Durch die verbrachte Zeit außerhalb des Unterrichts entstünden Gemeinschaften. "Für uns waren die AGs immer wieder ein Grund, warum man an der Schule dran bleibt. Sie prägen einen als Schüler", so Link. Mitschülerin Graf stimmt zu. In den AGs lerne man für andere verantwortlich zu sein. Sie habe "viele fröhliche Momente" in den Gemeinschaften erlebt.

Schule werde in "Lernfabrik runtergebrochen"

Laut Thomas Kalmbach würden neue und jüngere Schüler viel vom Zusammenkommen mit den Älteren profitieren und integriert werden. "AGs prägen eine ganze Schule. Es ist unschätzbar, was hier gefährdet wird", gibt Frank Meyer, Vorsitzender des Fachbereichs Musik, zu bedenken. Udo Vollmer, Vorsitzender des Elternbeirats, unterstreicht ebenfalls die Wichtigkeit der musischen Bildung am OHG. Da es Ensembles mit "gutem Ruf" gebe, die als Aushängeschilder gelten, würden Eltern sich in der Anmeldungsphase "explizit für das OHG" entscheiden. Ohne Arbeitsgemeinschaften "stirbt so viel auf der Schule", ist er sich sicher.

Die Schule werde laut Flury auf eine "Lernfabrik runtergebrochen". Stunden aus dem Ergänzungsbereich sollen für den Pflichtbereich verwendet werden. Um den Nachholbedarf, der durch die Pandemie entstanden ist, abzudecken. "Es gilt ein Dank an die Schulleitung, dass sie hinter uns steht. Bisher mussten wir keine Stunden abgeben", freut er sich.

"Für Vereine scheinen wiederum andere Regeln zu gelten"

Das OHG macht sich weitere Gedanken, wie man trotz allem die AGs und das Musizieren weiterhin am Leben erhalten könnte. Dabei ist das OHG laut Meyer mit anderen Schulen und dem Bundesverband Musikunterricht (BMU) vernetzt. Schüler und Eltern wurden informiert. Sie wurden gebeten, sich schriftlich und damit persönlich an Susanne Eisenmann zu wenden. Laut Meyer wolle man so versuchen "die Ministerin zu Änderungen zu bewegen". Hierfür gibt es bereits auch eine Petition des BMU im Netz. Knapp 15.000 haben diese bereits unterschieben. Damit etwa 62 Prozent des Quorums. Auch der Landesmusikverband Baden-Württemberg bittet Eisenmann in einem offenen Brief, "die getroffenen Maßnahmen zeitnah noch einmal zu überdenken".

Nichtsdestotrotz sind Ideen zu Alternativen gefragt. Einerseits das Erlaubte umzusetzen – das Gestalten jahrgangsinterner AGs. Oder aber auch im Freien zu proben. Kooperationen mit den Musikschulen in Nagold und Wildberg sollen laut Flury ausgebaut und intensiviert werden.

Georgia Penz, Leiterin der Kammermusik-AG, wirft die "Frage der Rechtfertigung" auf. Andere Bundesländer agieren gesondert. Für Vereine scheinen wiederum andere Regeln zu gelten. Da fragt sie sich, ob die Viren in der Musik andere sind.

In anderen Bundesländern gibt es Konzepte

Flury weist dabei auf die differenzierten Hygienekonzepte hin. Beispielsweise in Berlin, Bayern und Rheinland-Pfalz. Dort gebe es solche Konzepte, die Singen und Musizieren in Schulen weiter möglich machen. "Das hätte man in Baden-Württemberg auch machen können", sagt Flury.

Meyer hat ebenfalls Zweifel an der Regelung. Denn wenn ein Kind als einziges im Raum sein Blasinstrument vorstellen möchte und Abstands- wie auch Sicherheitsvorkehrungen – Stichwort Plexiglaswände – eingehalten werden, sei ein Verbot aus virologischer Sicht "Unfug". Es fehle die Differenzierung. Auch für die Eltern sei es schwierig "dem Kind klarzumachen, dass es nicht singen darf. Während die Mama es im Kirchenchor darf", so Vollmer.

Trotz aller Schwierigkeiten ist Flury optimistisch und "guter Dinge", was die Situation am OHG angeht. Für andere Schulen im Land bahne sich jedoch eine Katastrophe an: "Die musische Bildung wird enorm geschwächt."

Die Online-Petition "Rettet die Schulmusik!" ist unter www.openpetition.de/petition/online/rettet-die-schulmusik abrufbar.