Wie viel Licht verträgt eine Stadt in der Nacht? An der Frage scheiden sich die Geister. Foto: Fritsch

"Friedensangebot" des OBs im Gemeinderat macht den Weg frei für das neue Gremium.

Nagold - Klimaschutz ist in aller Munde: Schüler gehen dafür auf die Straße, klagen die älteren Semester an, sie würden nichts gegen den Klimawandel tun. Da will auch der Nagolder Gemeinderat nach Jahren der Diskussion endlich in die Puschen kommen. Und sein Klimaschutzkonzept "scharf" schalten.

Daher war es schon eine etwas seltsame Ironie, dass just in dem Moment, als die Ratsversammlung nach erneut heftiger Debatte in ihrer jüngsten Sitzung den eigens zu gründenden Klimaschutzbeirat endlich ins Amt eingesetzt hatte, ausgerechnet ein "älteres Semester" aus dem Publikum unvermittelt aufstand, um vor den Räten lautstark gegen deren jahrelange "Untätigkeit" zu protestieren. Denn der Beweis, sich – wenn’s drauf ankommt – zusammenreißen zu können und entscheidungsfähig zu sein, hatte das Gremium ja gerade unmittelbar zuvor eindrucksvoll abgeliefert.

Gemeinderat macht sich die Debatte nicht leicht

Auch wenn sich der Gemeinderat seine abschließende Debatte zum Klimaschutzkonzept und der Einrichtung eines Klimaschutzbeirats als Unter- und Beratungsgremium nicht leicht gemacht hatte. Knackpunkt – wie auch schon in der Februar-Sitzung des Gemeinderats: Ein Nebensatz im Wortlaut der Sitzungsvorlage, mit dem dem neuen Beirat der künftige Umgang mit der Nachtabschaltung der Nagolder öffentlichen Beleuchtung ins Stammbuch geschrieben wird. Zitat: "Um das Einsparpotenzial (der LED-Straßenbeleuchtung) vollständig zu nutzen, ist es aus Gründen des Klimaschutzes und der ›Lichtverschmutzung‹ wünschenswert, die Beleuchtungszeiten nicht auszuweiten."

Eine Formulierung, die Wolfgang Schäfer (CDU-Fraktionssprecher) kategorisch und auch ein wenig hartnäckig ablehnte – weshalb Ratskollege Bernd Gorenflo (SPD) "ein bisschen Wahlkampf" herauszuhören vermutete. Was Schäfer wiederum mit einer Anekdote als "wahren Grund" konterte: Er sei als Stadtrat mal auf dem Nagolder Weihnachtsmarkt angesprochen worden, warum man entschieden habe, diesen immer so streng um genau 21 Uhr zu beenden – was, wie bekannt, ja auch schon mal mit polizeilicher Präsenz durchgesetzt worden sei. "Ich habe das nachgeschlagen", so Schäfer, "das stand tatsächlich so in einer Unterlage. Das haben wir so entschieden, und keiner hat es mitbekommen." Weshalb er nun "den Anfängen" wehren möchte – und nicht wieder irgendetwas absegnen will, was später auf einmal "so entschieden" sei.

Diskussionsgrundlage für die künftige Arbeit

Da nützten auch Engelszungen von zum Beispiel Peter Widmann-Rau, Nagolds Umweltbeauftragtem und im Augenblick in Personalunion auch der Klimaschutzbeauftragte der Stadt, nichts, dass dieser und alle anderen Sätze zu den künftigen Zielen des Klimaschutzbeirats nur Diskussionsgrundlagen für die künftige Arbeit des neuen Gremiums sein sollen. "Konkrete Entscheidungen" zum Beispiel über die Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung "werden immer allein hier im Gemeinderat getroffen". Schäfer blieb hartnäckig – zumal er ergänzend anzweifelte, dass es so kurz vor der im Mai anstehenden Kommunalwahl und der anschließenden Konstitution eines neues Gemeinderats nicht besonders sinnhaft sein würde, noch einen neuen Beirat aus der Taufe zu heben, der anschließend gar nicht mehr in dieser Formation zusammenkommen könnte.

Was Oberbürgermeister Jürgen Großmann wohl insgesamt als "sportliche Herausforderung" sah – um nach einigem Hin und Her seinen Räten schließlich "ein Friedensangebot" zu machen: "Wir kicken diesen Satz zur Nachtabschaltung einfach raus", so sein erster Vorschlag – was Daniel Steinrode (SPD-Fraktionssprecher) in Form eines formellen Antrags dann auch aufgriff – verknüpft mit einem Arbeitsauftrag an den künftigen Klimaschutzbeirat, "ergebnisoffen" ein intelligentes Lichtkonzept für Nagold insgesamt zu entwickeln. Bei zwei Enthaltungen wurde dieser Antrag schließlich angenommen.

Der zweite Vorschlag vom OB, um dem Nagolder Klimaschutz nach so viel Diskussion nun doch endlich Beine zu machen – und noch vor der Kommunalwahl echte Ergebnisse zu liefern: Die Besetzung des Beirats mit Vertretern der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen – plus einem Vertreter der fraktionslosen Grünen – solle direkt aus der Runde geschehen, so dass man noch vor der Wahl Ende Mai eine Sitzung des neuen Beirats einberufen könnte. Einstimmig folgte der Rat auch diesem Vorschlag – und nominierte seine Delegierten (siehe Info) für den Klimaschutz.

Einsamer aber umso lauterer Protest

Doch statt Applaus für diesen finalen Kraftakt zum Start der Arbeit des Klimaschutzbeirats und den "salomonischen Vorschlag" (Zitat Eberhard Haizmann, FWV) des OBs: der etwas einsame, aber umso lautere Protest eines einzelnen Bürgers mit Schluss dieses Tagesordnungspunktes. Der allerdings umgehend und widerstandslos von Bürgermeister Hagen Breitling und dem anwesenden Ordnungsamtsleiter Achim Gräschus aus dem Ratssaal "hinausbegleitet" wurde. Und damit einen doch auch etwas verstörten Gemeinderat nach diesem "kurzen hitzigen Einfall" (Zitat OB) zurückließ.

Info: Klimaschutzbeirat

(ahk). Dem neuen Klimaschutzbeirat des Nagolder Gemeinderats gehören künftig an – für die Fraktionen: FDP – Bärbel Reichert-Fehrenbach (Vertreter: Jürgen Gutekunst); Grüne – Thomas Ebinger (Brigitte Loyal); SPD – Bernd Gorenflo (Daniel Steinrode); CDU – Walter Haizmann (Klaus Drissner); FWV – Eberhard Haizmann (Siegrid Plaschke). Desweiteren gehören dem neuen Gremium an: Oberbürgermeister Jürgen Großmann (Bürgermeister Hagen Breitling); Richard Kuon als Amtsleiter Hoch- und Tiefbauamt; Ralf Fuhrländer als Amtsleiter Stadtplanungsamt; Peter Widmann-Rau als Umweltbeauftragter/Klimaschutzmanager; sowie je ein Vertreter von Gewerbeverein, Jugendgemeinderat, der Gemeinschaft der Energieberater, dem Verein Stadtmobil – AK Nagold, dem ANU, dem Bürgerforum – Arbeitskreis Umwelt und Verkehr und der Planungsgruppe Schnepf (als Energieplaner vor Ort).