"Schwert des Samurai" nennt sich das Aufwärmspiel, mit dem sich die Schauspieler des Bürgertheaters auf die anstehende Probe einstimmen. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Bühne frei: Bürgertheater vereint Jung und Alt auf einer Bühne / Mit Leitungswechsel hat sich für die Gruppe viel verändert

Mit acht Jahren ist das Bürgertheater eigentlich noch gar nicht so alt – dennoch etabliert es sich mehr und mehr in der Nagolder Theaterlandschaft. Besonders ist die bunt gemischte Truppe gleich aus mehreren Gründen.

Nagold. Auf einem Pferd reitet eine Frau im weißen Brautkleid auf die Nagolder Burgruine. Eine atemberaubende Szene, wie sie das Bürgertheater im Stück "Hildegard – eine Liebesehe im frühen Mittelalter" vor sechs Jahren inszenierte. Und einzigartige Szenen wie diese sind es, für die die Theatergruppe bekannt ist.

Ungefähr 25 Leute umfasst das Ensemble in diesem Jahr, alle stecken sie bereits mitten in den Vorbereitungen für das nächste Stück: Edans Feind. Gerade wird eine Szene zwischen dem geheimen Liebespaar geprobt. Zuerst begegnen sie sich recht vorsichtig. "Sie weiß von uns", sagt Muirne da, mit Blick zu der Gärtnerin. Man sieht wie die Spannung von Darach abfällt. Seine Gesichtszüge werden weich. "Ich hab dich so vermisst", sagt er.

Das Stück entstand aus keltischen Artefakten

Die Szene, sowie das gesamte Stück sind selbst geschrieben und stammen aus der Feder von Silvester Keller und Andreas Schäfer, die Regisseure und Leiter der Gruppe. Entstanden ist "Edans Feind" aus dem Sichten von keltischen Artefakten. Wie bei einem Lückentext hätten sie versucht sich eine Geschichte zu den Abbildungen auszudenken, erklärt Keller. "Wir haben uns gefragt wie die Sage dahinter aussehen könnte." Das Stück ist das erste ohne direkten Heimatbezug. Normalerweise setzt die Truppe auf Geschichtliches von Nagoldern, oft aufwändig recherchiert und durch stundenlanges Wühlen in den Archiven zusammengetragen. Da war beispielsweise das Stück "Hofacker Hofacker", das von dem Nagolder Stadtschreiber und Revolutionär Ludwig Hofacker und seinem gleichnamigem Neffen, einem pietistisch geprägten Erweckungsprediger, handelt. Dennoch wird viel Hoffnung in die aktuelle Produktion gesetzt. "Es wird ein spektakuläres Stück", ist sich der kreative Leiter sicher. Auch die Musik ist dieses Jahr eine Nagolder Produktion: Komponiert wird sie von Rafael Hummel.

Damit die Schauspieler für das Stück optimal vorbereitet sind, gibt es neben den Proben der einzelnen Szenen auch Theaterarbeit, bei der die Schauspieler Improvisation und das Eingehen auf ihr Gegenüber schulen. Eine der Übungen nennt sich "Schwert des Samurai". Mit einem unsichtbaren Schwert zeigt eine der jüngeren Schauspielerinnen auf ihr Gegenüber im Kreis. "Ha", macht der Getroffene und auch der linke und rechte Nachbar zücken ihre Schwerter und treffen ihn am Rumpf. "He", macht dieser und zeigt mit seinem Schwert auf jemand anderen im Raum. Er wird als nächstes von den scharfen, imaginären Klingen seiner Nebenmänner durchbohrt.

Eine Besonderheit der Gruppe ist die große Altersspanne. Die reiche laut Keller von ungefähr acht bis 80 Jahren und biete damit eine gute Grundlage für ein breit gefächertes Stück. Auch viele Jugendliche sind mittlerweile Teil der Theatergruppe. So ist es möglich, Generationenkonflikte glaubhaft darzustellen: Vater, Sohn, Mutter und Tochter begegnen sich in mehreren Szenen. Da ist beispielsweise das Mädchen, das den Sohn des Stammeshäuptlings unverhohlen anschmachtet. "Komm jetzt", zischt ihre Mutter, versucht ihre Tochter wegzuwinken und blickt entschuldigend zu Edan, während die Tochter liebestrunken winkt. Oder der Vater, der über das Liebesleben seiner Kinder bestimmen will.

Neben einigen Neuzugängen sind auch ein paar Schauspieler dabei, die bereits im Gründungsjahr 2012 mitgespielt haben. So auch Susanne Salvenmoser. Die 62-Jährige weiß, wie viel Arbeit hinter den Stücken steckt. Dennoch lässt sie sich zu jeder neuen Produktion, also alle zwei Jahre, wieder gerne darauf ein. "Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Das ist so einmalig", sagt sie über die bunt gemischte Schauspiel-Truppe. Die Gemeinschaft aus Jung und Alt liege auch ihr besonders am Herzen.

Zum ersten Mal wird es kein Stationen-Theater

Gegründet worden sei das Theater anfangs nur für die Landesgartenschau. Mittlerweile hat es einen festen Platz in der Theaterlandschaft der Region. Auch die Stadt unterstützt die Schauspieler intensiv. Seit dem Leitungswechsel habe sich allerdings merklich etwas verändert in der Gruppe, denn Keller habe einen ganz anderen Stil als Vorgängerin Isolde Alber, erklärt Salvenmoser. Er gehe außerdem ganz genau auf alle Schauspieler ein, versuche ihre individuellen Charaktereigenschaften in die Rollen einzubinden.

Und auch bei den Proben setzt er auf Genauigkeit. Geprobt wird derzeit noch im OHG II. Szene für Szene holt Keller die Akteure aus dem Raum ins Nebenzimmer. Nach jedem Durchgang gibt er genaues Feedback. "Das zu sagen ist dir richtig schwergefallen, aber jetzt ist es raus. Danach kannst du dann ruhig erleichterter sein", weist er den Schauspieler an, der Edan verkörpert. "Er ist dein bester Freund, natürlich kann er dir alles sagen. Du rechnest nicht damit, dass da jetzt so was kommt", sagt er zu Darach.

Neu ist dieses Jahr auch, dass das Stück zum ersten Mal nicht als Stationen-Theater, sondern an einem festen Standort, der Burg, aufgeführt wird. Aufwändige Requisiten wie beispielsweise ein riesiger Drachenkopf, sollen die Zuschauer in die dramatische Welt zweier Liebender zu Zeiten der Kelten versetzen. Und auch wenn keine Nagolder Keltengeschichte aufgeführt wird – ein gewisser Bezug besteht dann doch: Denn die Burg, auf der die Fantasy-Geschichte spielt, war auch im echten Leben vor langer Zeit mal eine Keltenfestung.

Was für ein Theater! In ganz Nagold wird improvisiert, geprobt und gespielt, was das Zeug hält – und das nicht nur auf der großen Bühne, sondern auch in vielen Klassenzimmern. Was und vor allem wer hinter der Vielfalt der Nagolder Theaterwelt steckt, das erfahren Sie in unserer neuen Serie "Bühne frei".