Nessi Tausendschön gastierte in der Alten Seminarturnhalle in Nagold. Foto: Geisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Kleinkunst: Nessi Tausendschön kommt beim Publikum in der Seminarturnhalle gut an

Leise rieselt der Schnee, still und starr liegt der See – aber nicht Nessi Tausendschön. Die Kabarettistin hat dem Weihnachtsfrust mit Musik und Märchen den Kampf angesagt.

Nagold. Wie lief das wohl wirklich mit Maria und Josef? Sie hatte sicher die Nase voll von dem Verlierer Josef, der keine bessere Unterkunft für sie fand als einen Stall. Und er hat sicher einen Vaterschaftstest verlangt. Zumindest in Nessi Tausendschöns Version dieser Geschichte. Aus ihrem eigenen Geschichtenbuch las sie rund 70 Besuchern in der Alten Seminarturnhalle am Freitagabend so manche Anekdote vor. Ihr Witz kam beim Publikum gut an und sorgte für viele Lacher. Den im Programmtitel versprochenen "Weihnachts-Frustschutz" lieferte sie definitiv.

Sehr viel Mühe hat Nessi Tausendschöns Schutzengel

Noch beeindruckender war allerdings Tausendschöns Stimme: wandelbar, vielfältig und bestens geeignet, um sich je nach Rolle zu verstellen. In ihrer natürlichen Stimmlage zeigte sich Tausendschön als talentierte Sängerin, die es verstand, Pointen lieblich zu besingen. Dabei nahm sich die erfahrene Kabarettistin nicht zu ernst, schlang sich auch mal ihren Schal um den Kopf und brüllte ins Mikro. So wirklich wusste man an diesem Abend vorher nie, was Nessi Tausendschön nun als nächstes aufbieten würde.

Improvisationstalent bewiesen sie und Marcus Schinkel – ein studierter Pianist mit außerordentlicher Fingerfertigkeit, der auch mal mit dem Fuß spielte – bei einem wahren Klassiker der Weihnachtslieder: "Jingle Bells". Spätestens jetzt wurde deutlich, was Tausendschön an ihrem instrumentalen Begleiter hat. Das Publikum durfte den beiden Stilrichtungen zurufen, in die das Duo den besinnlichen Hit übertrug. So bekamen die Besucher "Jingle Bells" als Rocklied, Marsch, Technosong, Reggae-Groove, Oper, Hausmusik, Hiphop-Fassung mit Rapeinlage und im Schnelldurchlauf in wenigen Sekunden zu hören – scheinbar mühelos uminterpretiert von Marcus Schinkel am Klavier und mit dem passenden Etwas zu jedem Genre gesungen von Nessi Tausendschön.

Sehr viel Mühe – und das ein oder andere Problem – hingegen hat Nessi Tausendschöns Schutzengel. Der "Rauschgoldengel", wie sich Tausendschön in Verkleidung und mit Flügeln nannte, spricht gerne dem Alkohol zu. Deswegen plauderte die Figur auch aus dem Nähkästchen und erzählte so manches über die Schutzengel bekannter Politiker. Was keiner weiß, wie ein Lied verriet: Engel haben "Gefrierbrand am Pöter". Außerdem ist der Mann im Mond kein Mann – er hat sich umoperieren lassen. Und das Sandmännchen ist ein Arschloch, wie der Schutzengel wütend ins Publikum rief. Der Schutzengel von Donald Trump trägt ein Arschgeweih – am Arsch. Da ist laut dem Engel ohnehin alles, am Arsch. "Ich hab immer wieder versucht, meine Sorgen in Alkohol zu ertränkten", hickste er, "aber die Sorgen können schwimmen."

In dieser Rolle wirkte Tausendschön ebenso überzeugend wie in der einer Frau, die die Hoffnung schon aufgegeben, aber durch ein Seminar wiedergefunden hatte. Sie gab einen platten Motivationsspruch nach dem anderen zum Besten und startete schließlich einen Aufruf für ihren künftigen Ehemann. So manches erwartet sie von dem Gatten, aber das Aussehen ist ihr egal: "Du musst nicht schön sein, du kannst ruhig scheiße aussehen – Gegensätze ziehen sich ja an."