Im Rahmen der Aktionswoche "Recht auf Familie" wurde über den Familiennachzug diskutiert. Foto: Buck Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Ehrenamtliche, Politiker und Hauptamtliche treffen sich zum Austausch im Jakobusraum

Der Familiennachzug für Flüchtlinge ist ein brisantes Thema, nicht nur auf Bundesebene. Vor allem lokal wird das Ausmaß der Verfahren deutlich, die Probleme treten offen zu Tage. Deshalb wurde im Rahmen der Aktionswoche "Recht auf Familie" viel geredet.

Nagold. Der Jakobusraum in der Nagolder Kirchenverwaltung ist gut gefüllt. Drei Ehrenamtliche, vier Mitglieder der Diakonie Nördlicher Schwarzwald (DNS), Vertreter der Caritas sowie aus der lokalen Politik tauschen sich zum Thema Familiennachzug von Flüchtlingen aus. Hauptaugenmerk liegt dabei auf bereits Anerkannten aus Syrien und Eritrea.

Marc Spies von der DNS machte in seiner Begrüßungsansprache direkt die Problematik deutlich: "Für die betroffenen Personen ist der Familiennachzug essenziell. Ohne den kann keine Integration gelingen." Doch der ist, das wird im Laufe des Nachmittags klar, alles andere als einfach und mit vielen Hürden versehen.

Auf der Seite des Auswärtigen Amtes sieht das dreistufige Verfahren spielend einfach aus, doch in der Praxis, das legen die Berichte der ehrenamtlichen Helfer nahe, ist der Familiennachzug beinahe so komplex wie eine wissenschaftliche Doktorarbeit.

Walter Seeger aus Rohrdorf hilft gemeinsam mit seiner Frau Elke zwei syrischen Flüchtlingen und berichtet: "Der Weg ist unheimlich zäh. Die Familien müssen im Irak zur deutschen Botschaft, um ihr Visum zu bekommen." Erst wenn alle Dokumente unterschrieben vorliegen, wird der Antrag bearbeitet. Zudem müssen etliche Fristen gewahrt und Dokumente um die halbe Welt versendet werden. Da kann dann eine einzelne Sendung schon Mal über 70 Euro kosten. Dabei ist das Verfahren für Syrer noch vereinfacht.

Grenzübertritt geht nur mit Hilfe von Schleppern

Besonders kompliziert ist die Verfahrenskette bei Flüchtlingen aus Eritrea. Susanne Eberhardt spricht über die Tücken und Fallstricke: "Die Lage in Eritrea ist so, dass man im eigenen Land keinen Visaantrag stellen kann. Die Familien müssen in den Sudan oder nach Äthiopien flüchten, um dort alles zu beantragen."

Nach Karthum in den Sudan sind es von der eritreischen Hauptstadt Keren aus knapp 1000 Kilometer, nach Adis Abeda (Äthiopien) knapp 1500. Ein direkter Grenzübertritt ins Nachbarland ist kaum möglich, die Staaten sind verfeindet – also bleiben nur noch Schlepper. "Eine Familie wurde an der Grenze geschnappt und verhaftet. Die trauen sich mittlerweile gar nicht mehr, es noch mal zu versuchen", schildert Eberhardt das Schicksal einiger Familien.

Bernd Schlanderer, Geschäftsführer der DNS, stellt mit Blick auf sich selbst fest, dass ein solcher Weg kaum vorstellbar ist: "Ich musste vor einer Weile mit meiner Tochter wegen einer USA-Reise nach Frankfurt aufs Konsulat. Das geht in unserem Land mit dem Auto in zwei Stunden. In Afrika sind die Distanzen größer und die Infrastruktur nicht vorhanden, wir können so was gar nicht nachvollziehen, wie das ist." Wie sich die in Deutschland befindlichen Flüchtlinge integrieren sollen, wenn sie mit dem Kopf ständig bei ihren Familien im Heimatland seien, fragt Schlanderer fast schon rhetorisch in die Runde. Die Antwort darauf: Zumindest sehr schwierig.

Unter dem Eindruck der ganzen Unwägbarkeiten stellt Marc Spies fest: "Jeder gelungene Familiennachzug ist ein kleines Wunder."

Die anwesenden Kommunal- und Kreispolitiker, Bad-Liebenzells Bürgermeister Dietmar Fischer (CDU), die SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ursula Utters, sowie der Grünen-Fraktionsvorsitz Johannes Schwarz, schlugen abschließend allesamt in die gleiche Kerbe: Sie lobten die Ehrenamtlichen und forderten ein funktionierendes Verfahren.

"Sagen Sie dem Sigmar, dass es so nicht geht"

Schlanderer appellierte dann noch an die Adresse von Utters: "Rufen Sie doch der Saskia Esken an, sie soll dem Sigmar Gabriel in Berlin mal sagen, so geht’s nicht." Beim Außenminister persönlich vorsprechen wird man zwar nicht, doch Utters brachte einen möglichen Beschwerdebrief ins Spiel, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.

Was die Beteiligten an diesem Nachmittag auf jeden Fall geschafft hatten, war die angestrebte Sensibilisierung für das komplexe Thema.