Foto: Fritsch

Bernd Eder plant Wohnungen auf Areal von ehemaliger, denkmalgeschützter Deckenfabrik im Iselshäuser Tal.

Nagold - Man braucht viel Fantasie, wenn man in den heruntergekommenen Sheddachhallen der ehemaligen Calwer Deckenfabrik steht und sich hier Wohnraum vorstellen will. Bernd Eder (53) hat diese Fantasie. Und er hat eine Vision: Er will in und rund um diese denkmalgeschützte Fabrik im Iselshäuser Tal ein schickes Wohnquartier schaffen und verspricht: "Da ist nichts von der Stange".

Sein erstes Nagolder Projekt steckt noch mitten in der Umsetzung: der Umbau des ehemaligen Aufbaugymnasiums in 60 exklusive Wohneinheiten. Kaum waren die Pläne für Nagolds derzeit mondänste Baustelle, rund 23 Millionen Euro teuer, fertig, lenkte der Nagolder Peter Elter als Eders Berater dessen Interesse auf ein anderes Filetstück in dieser Stadt: auf das 40.000 Quadratmeter große Areal der ehemaligen Calwer Deckenfabrik an der Haiterbacher Straße.

Nicht zum ersten Mal warf ein Investor ein Auge auf das damals in privater Hand befindliche, letzte große Nagolder Baugelände in Tallage. Selbst ein Abriss der so bautypischen und denkmalgeschützten Sheddachhallen wurde erwogen. Aber letzten Endes scheiterten alle Ideen. Bis Bernd Eder mit seinen Visionen kam, das Denkmal in schicke Lofts zu verwandeln und drum herum Richtung Waldach zwölf Einfamiliendoppelhäuser und an der Haiterbacher Straße ein halbes Dutzend Mehrfamilienhäuser als Schallschutz für das Wohnquartier zu gruppieren.

Der 53-jährige Investor weiß auch um die Tücken des Projekts

Er überzeugte mit seinem Konzept nicht nur den Calwer Spediteur, das Grundstück zu verkaufen, sondern auch die Nagolder Stadtverwaltung. Eder: "Alle ziehen an einem Strang." Aber der 53-jährige Investor weiß auch um die Tücken des Projekts. Bereits beim ABG hat die Denkmalschutzbehörde manche Planungen verzögert oder infrage stellt. Dieser Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Anforderungen an modernes Wohnen auf der einen und denkmalpflegerische Aspekte auf der anderen Seite wird sich, das weiß Eder, hier im Iselshäuser Tal nicht vermeiden lassen. Aber er ist überzeugt: "Hier lässt sich Tradition und Geschichte in Einklang bringen." Und so steht er mitten in diesen von Betonstreben durchzogenen Baudenkmälern, in den Sheddachhallen und im ehemaligen Kesselhaus, und malt mit seinen Händen Stockwerke und Terrassen in die Luft. Damit genügend Licht in die Räume fällt, soll ein Teil der Hallenbebauung geöffnet werden und so grüne Atrien entstehen.

Die Idee, hier kleine Pflege-Apartments unterzubringen, musste er schnell wieder verwerfen: Die Heimstättenverordnung schob solchen Planungen einen Riegel vor. Jetzt denkt Eder an Zwei-Zimmer-Apartments ("Dafür ist der Markt da") und an Industrielofts als Bungalows: "ein Wohnort, den man sonst nirgendwo hat".

Und Eder drängt. Er zeigt beim Vor-Ort-Termin auf Stellen, wo der Zahn der Zeit an dem Baudenkmal nagt: "Es besteht akuter Handlungsbedarf. Eine Halle ist einsturzgefährdet."

Noch steht bislang alles nur auf dem Reißbrett. Und Ideen hat Eder viele: eine Windkraftanlage auf dem großen Schornstein, ein Tagescafé auf einer Holzbrücke am alten Wehr, ein öffentlicher Radweg, der mitten durchs Wohnquartier verläuft, schattenspendende alte Baumgruppen samt renaturierter Waldach.

Wenn das Projekt mit seinen 4500 Quadratmetern Wohnraum - Platz für bis zu 300 Menschen - umgesetzt wird, dann liegt es kostenmäßig in einer Größenordnung von 60 bis 70 Millionen Euro. Bernd Eder mit seinem Unternehmen Immoveritas übernimmt gemeinsam mit einem Münchner Unternehmen dessen Entwicklung. Die Frage, wer als passender Partner für den Bau der Einfamilienhäuser, der Mehrfamilienhäuser und für den Umbau der denkmalgeschützten Fabrikgebäude mit ins Boot geholt werden soll, soll später beantwortet werden, wenn der Bebauungsplan steht und der Projektentwickler selbst weiß, "wohin die Reise geht".

Und das kann dauern. "Vor einem oder anderthalb Jahren", sagt Eder, "wird hier nichts passieren".

Info: Calwer Deckenfabrik in Nagold

Die Geschichte der Calwer Deckenfabrik ist eng mit dem Namen Sannwald verbunden. Adam Sannwald war es, der im Mai 1837 zusammen mit einem A. F.  Hartranft eine Wollspinnerei eröffnete – damals noch auf den Safferwiesen ("links der Waldach") und auch nur mit geringem Erfolg. Der erste Versuch war unrentabel, doch Sannwald machte weiter, pachtete 1839 Räume in der Wollspinnerei Rentschler in Nagolds Freudenstädter Straße. 1844 schließlich kam die Rückkehr nach Iselshausen. An der damals noch anders verlaufenden Waldach wurde ein Gelände gekauft, und es entstand neben einem Wohnhaus auch der Bau einer von Wasserkraft betriebenen Spinnerei. Bald folgte der Ausbau des Geschäfts, weitere Zweige kamen dazu, das Geschäft florierte für viele Jahrzehnte.

Der Schulterschluss mit Calw folgte schon früh. Gründersohn Karl Sannwald trat in geschäftliche und schließlich auch private Beziehungen zur Firma Gustav Wagner aus Calw. 1866 heiratete er die Calwer Unternehmerstochter Ida Wagner, 1887 folgte der Zusammenschluss der beiden Firmen und in Iselshausen der Neubau der Sheddachhallen.

Als wichtiger Arbeitgeber prägte die Fabrik auch das Leben in Iselshausen. Die heutige Sommerhalde geht auf eine Siedlungsgründung der Calwer Decken zurück: 1953 wurde die Erwin-Sannwald-Siedlung eingeweiht, die Wohnraum für Betriebsangehörige schuf.

1997 endete die Firmengeschichte: Die Calwer Decken stellten Vergleichsantrag.

Info: Sheddach

Ein Sheddach (eingedeutscht auch Scheddach) oder Sägezahndach ist eine Dachform, die vor allem bei Bauten mit großen Grundflächen wie zum Beispiel Fabrikhallen konstruiert wird. Dabei werden mehrere kleine pult- oder satteldachartige Dachaufbauten hintereinander angereiht.