Ein Grundstücksgeschäft der Stadt Nagold mit der Kreisbaugenossenschaft Calw ist eigentlich längst beschlossene Sache. Foto: Buckenmaier

Geschichte über ein Grundstücksgeschäft - sinnbildlich für aufgeheizte Goldgräberstimmung.

Nagold - Ein Grundstücksgeschäft der Stadt Nagold mit der Kreisbaugenossenschaft Calw ist eigentlich längst beschlossene Sache. An dem Gemeinderatsbeschluss rüttelt aber nun ein anderer Bauträger, der sich von der Stadt ungerecht behandelt fühlt. Eine Geschichte – sinnbildlich für Nagolds aufgeheizte Goldgräberstimmung auf dem Immobiliensektor.

Tobias Frey ist in diesen Tagen nicht gut zu sprechen auf Nagolds Stadtverwaltung: "Mir platzt der Kragen", sagt der 40-jährige Geschäftsführer der Frey & Ciger GmbH. Sein Kompagnon Ali Ciger (41) bezichtigt das Stadtoberhaupt gar offen der Lüge. Was hat die beiden Nagolder Unternehmer, die seit vier Jahren gemeinsam und erfolgreich als Bauträger in der Region agieren, so auf die Palme gebracht, dass sie die in dieser Branche ansonsten praktizierte emotionale Zurückhaltung in der Öffentlichkeit aufgegeben haben und eine Breitseite gegen das Rathaus abfeuern?

Ihren Anfang nimmt die Geschichte mit einer Mail. Am 29. Oktober 2015 sandte Frey & Ciger Stadtplaner Ralf Fuhrländer eine Mail, ob sie den freien Platz in der Georg-Wagner-Straße, 1900 Quadratmeter groß, erwerben könnten, um ihn zu bebauen.

Am nächsten Tag bekam man Fuhrländers Antwort, abermals per Mail: Die Fläche sei für den Bau eines Kindergartens reserviert. Fuhrländer räumte aber ein: "Grundsätzlich kann sich die Stadt hier einen Mietwohnungsbau vorstellen."

Die beiden Partner ließen sich nach eigenen Worten mit der Zusage vertrösten, dass man sie wieder kontaktieren würde, sollte sich die Sachlage ändern. Umso erstaunter waren sie Anfang 2017, als ihnen aus Gemeinderatskreisen die Nachricht zugetragen wurde, dass die Kreisbaugenossenschaft Calw den Zuschlag eben für besagtes Gelände erhalten sollte. Just also jenes Unternehmen, in dem Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann den Aufsichtsrat anführt und Stadtplaner Fuhrländer ebenfalls im Kontrollgremium sitzt. Ali Ciger witterte ein "Geschmäckle".

Aber die beiden Projektentwickler gaben nicht auf und wurden mehrmals im Rathaus vorstellig, wo sie der Stadtspitze ein ganz besonderes Angebot unterbreiteten: Man sei bereit, für die Fläche 100 Euro pro Quadratmeter mehr zu bezahlen als die Kreisbau – verbunden mit der Absicht, hier sozialen Wohnungsbau zu verwirklichen. Also genau jene Forderung zu erfüllen, die im Gemeinderat in jüngster Zeit, vor allem von der SPD-Fraktion, so vehement erhoben worden war.

"In Nagold müssen wir um jedes Grundstück kämpfen"

Im Gegensatz zur Kreisbau, der die Stadt das Grundstück zum Bodenrichtwert von runden 250 Euro pro Quadratmeter zu verkaufen bereit war, wollte Frey & Ciger also 350 Euro und im Zweifel sogar 400 Euro für den Quadratmeter hinlegen. Der Stadt lockten damit 190 000 Euro Mehreinnahmen.

Aber weder im Rathaus noch bei den Gesprächen mit den Stadtratsfraktionen von CDU, Freien Wählern, FDP und SPD überzeugten die beiden Partner offenbar mit ihrem Konzept. "Unseriös und widersprüchlich" befand es ein Kritiker aus dem Rat, der aber namentlich nicht genannt werden will. Wie könne man denn bitteschön mehr bezahlen für ein Grundstück und dann das Kunststück vollbringen, auch noch günstigen Wohnraum zu schaffen?

Für Tobias Frey ist das kein Widerspruch. Der Staat schieße für sozialen Wohnungsbau 30 Prozent zu, rechnete er vor. Damit könne man auch 30 Prozent unter dem Mietniveau – das sich derzeit in Nagold durchschnittlich bei acht bis zehn Euro bewege – Wohnungen auf den Markt bringen, die immer noch eine Rendite von bis zu fünf Prozent abwerfen würden. Voraussetzung sei freilich, dass der Grund und Boden zum Preis von maximal 400 Euro erworben werde könne.

Nur zum Vergleich: In der Stadtmitte wird der Quadratmeter von privaten Anbietern heute zum vierfachen Bodenrichtpreis gehandelt – bei 1000 Euro.

Doch die Stadt widerstand den finanziellen Verlockungen – und Ali Ciger und Tobias Frey verstanden die Welt nicht mehr: "In Nagold müssen wir um jedes Grundstück kämpfen – und dann wird es anderen zugeschanzt."

Und dass OB Großmann in der letzten Gemeinderatssitzung 2017 zu diesem Thema öffentlich äußerte, dass es derzeit keinen Akteur für sozialen Wohnungsbau in Nagold geben würde, brachte bei den beiden das Fass zum Überkochen. Hatten sie doch der Stadt ein entsprechendes Engagement in Aussicht gestellt, falls sie das Grundstück erhalten sollten. "Wir zahlen hier Gewerbesteuer", sagt Tobias Frey, "und wollen auch anständig behandelt werden".

Andernfalls, so Kompagnon Ciger, würde man eben seinen Firmensitz dorthin verlegen, wo man als Projektentwickler willkommen sei. Zum Beispiel nach Sindelfingen, wo man neben Gärtringen und Schönaich weitere Projekte am Laufen hat.

Breitling: "So können wir mit Eigentum Gestaltung betreiben"

Im Nagolder Rathaus versuchte man die Wogen derweil zu glätten. Finanzbürgermeister Hagen Breitling befand, es sei "grundsätzlich eine gute Botschaft", wenn sich ein Akteur für den sozialen Wohnungsbau melde. Oberbürgermeister Jürgen Großmann hatte sich, wie bei den entscheidenden Rats- und Ausschusssitzungen in diesem Fall, auf Anfrage unserer Zeitung wegen seines Aufsichtsratsmandats bei der Kreisbaugenossenschaft für befangen erklärt und wollte die Vorwürfe der Unternehmer nicht kommentieren.

Breitling verwies darauf, dass Anfang 2017 die Kreisbau der "einzig bekannte Akteur" gewesen sei, der hier das umsetzen wollte, was der Nagolder Gemeinderat auf dem Grundstück für sinnvoll befunden habe: Wohnungsbau. Frey & Ciger habe sich 2015 explizit nur für eine Bebauung beworben.

Und die Kreisbau, die in der Vergangenheit schon mehrere Projekte im Bächlen in unmittelbarer Nachbarschaft des besagten Areals realisiert hatte, kenne eben die Situation vor Ort, so der Schultes. Als Frey & Ciger mit dem höheren Gebot eingestiegen seien, sei die Entscheidung im Gemeinderat für die Kreisbau schon gefallen gewesen. Breitling: "Die Messe war gelesen."

Ohnedies habe man die Referenzen der beiden Unternehmer im sozialen Wohnungsbau vermisst: "Diesen Beweis gibt’s halt noch nicht." Aber der Finanzbürgermeister lud die Nagolder Unternehmer dazu ein, im neuen Baugebiet Hasenbrunnen im Iselshäuser Tal diesen "realen Beweis" anzutreten.

Dass der Stadt bei diesem Grundstücksdeal mit der Kreisbau 190.000 Euro weniger einnimmt als beim Geschäft mit den beiden Nagolder Bauträgern, ist für Breitling kein Beinbruch: "So können wir mit Eigentum Gestaltung betreiben – wenn ein Konzept dahinter steht und die Akteure das machen, was wir uns wünschen. Das ist es uns wert." Und zudem wolle man durch die gemäßigte Preispolitik bei Grundstücksgeschäften an der Preisspirale nicht noch weiter drehen und damit dem Nachfragehype, der die Mieten auf bis zu 13 Euro pro Quadratmeter getrieben hat, zu begegnen: "Das ist die Freiheit, die wir haben. Damit das Angebot die Nachfrage bestimmt und nicht anders herum."

Dem Verkauf des Areals an die Kreisbaugenossenschaft hat der Gemeinderat zwar schon seinen Segen gegeben, notariell wurde dieser aber noch nicht besiegelt. Martin Hammer, Rechtsbeistand von Frey & Ciger, schließt nicht aus, dagegen juristisch zu intervenieren. Schon einmal, vor Jahren, habe er, Hammer, bei einem anderen Nagolder Immobiliengeschäft mit seiner Intervention erreicht, dass das Land als Eigentümer dieser Immobilie fürderhin den Verkauf seiner Häuser und Grundstücke öffentlich ausschrieb. Ein solches Prozedere mahnt der Anwalt auch in Nagold an. "Was dem Land recht und billig ist", sagt Hammer, "sollte auch der Stadt Nagold recht und billig sein."

Info: Spitzenpreise

 Bis zu 1000 Euro pro Quadratmeter werden in Nagolds Stadtmitte für Bauland bezahlt. Der Bodenrichtwert, für den die Stadt gewöhnlich verkauft, liegt bei 248 Euro.

 Bis zu 17 Euro werden in Nagold in Spitzenimmobilien Miete bezahlt. In Neubauten zahlt man bis zu 13 Euro. Der Durchschnitt liegt bei neun bis 10 Euro Miete pro Quadratmeter. Einen Mietspiegel gibt es in Nagold nicht.

 Bis zu 5600 Euro pro Quadratmeter zahlt man in Nagold mittlerweile für exklusive Neubauwohnungen – fast Stuttgarter Verhältnisse.

 Auch die Renditen bei Wiederverkauf von Immobilien sind enorm. Eine Neubauwohnung in der Stadtmitte, gekauft 2015 für 250 000 Euro, geht heute für 330 000 Euro weg. Ein Plus von mehr als 30 Prozent.