Günther Schöttle sitzt für die AfD seit der vergangenen Kommunalwahl im Nagolder Gemeinderat. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Neu im Gemeinderat: Günther Schöttle (AfD) ist Unternehmer aus Leidenschaft

Günther Schöttle nimmt sich Zeit für das Gespräch. Sein Konferenzraum – das ist heute die kleine Küche in seinem Firmengebäude in Iselshausen. "Air motion" heißt sein Unternehmen, realisiert anspruchsvolle Klimatisierungssysteme für die Industrie. Für die AfD sitzt Schöttle seit diesem Sommer in Nagolder Gemeinderat.

Nagold. Die Konsequenz seines Weges, sagt er. In Berneck geboren und aufgewachsen. "Einfachste Verhältnisse." Die Eltern Arbeiter, die Großeltern Kleinbauern. "Zwei Kühe." Unvorstellbar heute, damit eine Familie durchzubringen. Der Großvater war aber auch (mal) Dolmetscher – "in Paris". Weltgewandt. Aber auch ein sturer Hund. "Wie ich auch." Lacht Günther Schöttle.

Sehnsucht nach dem "Früher" ist mit dabei

Seine Kindheit, Jugend klingt entbehrungsreich. Geboren 1955 – das Wirtschaftswunder kam gerade erst in Schwung. Aber Schöttle spricht auch mit einer gewissen Euphorie von dieser Zeit. Die Familie galt noch was. Hielt zusammen. Die Eltern zu pflegen, wird er später erzählen – für ihn eine Selbstverständlichkeit. So modern, rasant sein Leben heute ist – Schöttle mag schöne Autos, war Hubschrauber-Pilot, fliegt heute wieder ab und an Sportflugzeuge; arbeitet mit seinem Betrieb für die großen Konzerne der Republik – da ist eine Sehnsucht eben nach dem, wie es früher einmal in diesem Land war. Im Winter, so um Weihnachten, fährt er mit seiner Familie gerne nach Hinterzarten. Ein Gasthof, von mehreren Generationen unter einem Dach geführt. Heile Welt, intakte Familie, Heimat. Ja, auch ganz viel (Sozial-)Romantik. Da geht Schöttle das Herz auf.

Aber – die Uhren einfach zurück drehen in der Gesellschaft? Ist das rückwärtsgewandt – oder gelegentlich auch vernünftig, um Fehlentwicklungen in der Gesellschaft zu korrigieren? Günther Schöttle wagt für sich den Spagat. Rückwärtsgewandt sei er nicht – schon vom Beruf her immer auf Zukunft gedrillt. "Ich tüftle gerne", erfindet als Ingenieur echte Innovationen für sein Metier. Aber er war auch einmal der letzte Geschäftsführer der für Nagold so prägenden Teufel-Werke. Hat das Unternehmen als ehemaliger Angestellter – Schöttle hat bei Teufel schon seine Lehre absolviert – sogar zum Schluss gekauft, als es längst dem Untergang geweiht war. Nagolder Industriegeschichte. "Ich habe sehr an dem Unternehmen gehangen", sagt Schöttle. Und man spürt den Schmerz, dass er diese Industrie-Ikone nicht hat retten können.

Ist das sein Schicksal – für Dinge zu kämpfen, die in dieser Gesellschaft, in dieser Welt längst verloren sind? "Die Gesellschaft", bestätigt Schöttle, "läuft in eine verkehrte Richtung". Der Sozialstaat sei aus seiner Sicht "aus der Balance" – wenn 15 Millionen Netto-Steuerzahler den Rest dieser Gesellschaft finanzierten. Und gleichzeitig "ein Ausverkauf des Mittelstands" stattfinde – zu dem er sich mit seinem Unternehmen rechne.

Schöttle war 1995 in die CDU eingetreten, "beeindruckt von Ulrich Kallfass", dem damaligen Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung in der Region. 2013 trat er wieder aus – "wegen der Hinterzimmer-Diplomatie" in der CDU, wie Schöttle sagt. "Ich hab’ halt auch ’ne freche Klappe", kommentiert er vielsagend nicht nur diesen Schritt. Und trat in die AfD ein, ist heute deren Vorsitzender für den Wahlkreis Freudenstadt/Calw. Sitzt seit diesem Sommer auch im Calwer Kreistag. "Um zu zeigen, dass die AfD auch konstruktiv mitarbeiten kann."

"Ein sehr buntes Sammelsurium"

Die AfD: "Ein sehr buntes Sammelsurium", umschreibt Schöttle das bis ganz weit nach rechtsaußen reichende Meinungsspektrum in seiner Partei. Ein wirkliches Problem scheint er damit nicht zu haben. Möchte es offenbar lieber als ein Teil des "tatsächlichen" politischen Pluralismus in diesem Land verstanden wissen. Ein Gegengewicht für aus seiner Sicht zuviel (linken) Liberalismus. Der Nagolder Gemeinderat zum Beispiel: "Da saßen früher die Leute drin mit der meisten Lebenserfahrung." Die diese für ein ausgewogenes Gemeinwohl einbrachten. Das Heute – aus Schöttles Sicht: "Gruppen-Egoismen – die nehmen da echt überhand." Das sei für ihn die eigentliche Gefährdung des Zusammenhalts in der Gesellschaft.

Seine Kritik an der "unkontrollierten Zuwanderungspolitik von Merkel" steht für ihn dazu in keinem Missverhältnis. Sein Gesellschaftsbild, so wird deutlich, bildet eben allein die deutsche Gesellschaft ab. Oder – mit Schöttles Worten: Es gelte für ihn "mehr Verantwortung für unser Land" zu übernehmen.

Aber erst einmal (auch) für die Stadt Nagold. Eben als neuer Gemeinderat. Auf Schöttles Agenda stehen hier als Ziele zum Beispiel die Themen Mitbestimmung – also mehr Bürgerentscheide. Bezahlbares Wohnen. Kostenfreier ÖPNV – für die Jugend, für Senioren, eben "die, die sich Mobilität nicht selbst leisten können". Wobei beim Thema Jugend und Senioren Schöttle (wieder gesamtgesellschaftliche) Entwicklungen sieht, die er gerne – nicht umdrehen, sondern – in eine "andere Richtung" lenken würde. "Erziehung und Pflege an andere zu delegieren, ist der falsche Weg." Hier müsse jeder einzelne Verantwortung übernehmen. Aber Schöttle weiß auch, dass moderne Arbeitswelt und Lebensentwürfe damit im Widerspruch stehen. Und spricht von der Förderung von "neuen Wohnformen im sozialen Gefüge", die irgendwie "die alten Werte" mit "dem modernen Leben" in Einklang bringen könnten.

"Ich halte das für ein sehr positives Zeichen"

Am Ende bleibt irgendwie noch einmal die Frage: Ist dieser Wertekonservatismus von Günther Schöttle nun rückwärtsgewandt – und damit vielleicht "ewig gestrig"? Oder ist es ein legitimer Korrekturversuch, um Fehlentwicklungen in einer sich ja auch insgesamt neu orientierenden Gesellschaft zu korrigieren – damit das, was sich als Neues in der Gesellschaft entwickelt, wirklich alle Teile dieser Gesellschaft mitnimmt? Günther Schöttle zumindest selbst sieht seine Arbeit an seiner persönlichen gesellschaftlichen Utopie auf einem guten Weg. "Ich bin sehr offen und vorurteilsfrei im Nagolder Gemeinderat angenommen worden", sagt er. "Ich halte das für ein sehr positives Zeichen."