Stefan Deislinger ist Direktor des Nagolder Ibis Styles Hotel. Foto: Kunert

Touristen machen um die Stadt eher einen Bogen. Alleinstellungsmerkmal benötigt

Nagold - Wenig hat die Stadt Nagold in der Vergangenheit so sehr verändert wie die Landesgartenschau von 2012. Ein absolutes – vor allem: touristisches – Highlight. Nachhaltig hat sich die Stadt damals ins Bewusstsein der Gäste gespielt. Doch wie nutzt man solch ein Kapital für die Zukunft?

Die Stadt selber hat sich – nach Erstellung eines entsprechenden Touristik-Konzepts – vor allem auf den Tagestourismus fokussiert. Vermarktung Nagolds als "städtisches Gesamtkunstwerk" aus idyllisch gelegener, historischer Innenstadt – hohem Freizeitwert an Waldach, Nagold und auf dem Schlossberg – und attraktiver Einkaufs- und Erlebnisstadt mit funktionierendem Einzelhandel, großen regelmäßigen Events und der ein oder anderen echten Sehenswürdigkeit wie etwa dem Hochseilgarten auf dem Eisberg – immerhin der größte Süddeutschlands.

Deislinger appelliert daran in Nagold noch größer zu denken

Für Stefan Deislinger, Direktor des Nagolder Ibis Styles Hotel, immerhin das "erste Haus am Platze", ist das zu wenig. "Nagold bleibt hinter seinen Möglichkeiten", macht er seine Enttäuschung gerade über die seinerzeitigen Schlussfolgerungen aus dem genannten Touristik-Konzept deutlich. Klar, als Hotel-Chef braucht Deislinger Übernachtungsgäste – keine Tagestouristen. Aber er versteht auch die Stadtverantwortlichen nicht, so gar nicht auf finanzkräftige Übernachtungsgäste setzen zu wollen – die ihr Geld ja immer auch im örtlichen Handel, der Gastronomie oder anderen Wirtschaftsbereichen ließen.

"Wir bräuchten hier in Nagold einen echten ›Leuchtturm‹ als auch überregional wirkendes Alleinstellungsmerkmal, erläutert Deislinger – der sich seine beruflichen Sporen im Feinschmecker-Paradies Baiersbronn und anschließend in Baden-Württembergs "wichtigster und erfolgreichster Sehenswürdigkeit", dem Europapark Rust, verdiente; Deislinger weiß also, wovon er spricht. "Entsprechende Ideen wurden auch damals in den Arbeitsgruppen zur Vorbereitung der Tourismus-Konzeption benannt", erläutert er: Erlebnisbad, Indoor-Spielplatz oder "Burgspiele" als Beispiele. Dass sich solche "Leuchttürme" lohnen, zeige in Nagold die in der vergangenen Wintersaison erstmals betriebene Eisbahn in der Innenstadt – die ebenfalls als Idee aus diesen Arbeitsgruppen heraus damals geboren wurde.

"Ein Schritt in die richtige Richtung", nennt Deislinger das. Appelliert aber auch daran, vielleicht noch "größer" zu denken. Bad Wildbad mit dem Baumwipfelpfad und dem Sommerberg oder Rottweil mit dem Thyssenkrupp-Testurm zeigten ja, wie sehr solche (auch) touristischen Groß-Projekte die Gäste anlocken könnten. Von denen, so Hotel-Chef Deislinger, sogar sein Haus hier in Nagold profitiere: "Wir haben regelmäßige Bus-Touristen bei uns, die eigentlich nach Rottweil wollen." Nagold selbst fahren diese Busse nur zum Übernachten an, und ließen es sonst "links liegen" – und "schönten" hier so ein wenig die Übernachtungsstatistik.

Apropos Übernachtungs-Statistik: Tatsächlich haben sich durch und seit der Landesgartenschau die Übernachtungszahlen laut Statistischem Landesamt mehr als verdoppelt – von 2009 mit 27 500 Übernachtungen auf über 61 400 im vergangenem Jahr. Aber schaut man genauer hin, stagnieren seit einiger Zeit die Werte für die ankommenden Gäste": Lag die Zahl hier 2017 noch bei knapp 32 200 schrumpfte dieser Wert 2018 (leicht) auf rund 31 900. Wobei auch die Zahl der Gästebetten in Nagold in letzter Zeit eher sinkt, als steigt – von 508 in 2017 auf zuletzt 493. Positiver Nebeneffekt dieses Betten-Rückgangs: Der Wert der Auslastung dieser Betten wuchs im Vergleichszeitraum von 31,9 Prozent auf 34,4 Prozent. Zum Vergleich: die Gourmet-Metropole Baiersbronn erreicht eine Auslastung von zuletzt 52,2 Prozent, insgesamt liegt die Quote im Nördlichen Schwarzwald bei rund 39 Prozent.

"Da wäre noch ordentlich Luft nach oben"

Bricht Stefan Deislinger diese Werte allein für sein Haus aber einmal im Detail herunter, bleibt jedoch nur wenig echter "regionaler Tourismus" übrig: In der Woche hat sein Haus zu 80 Prozent Business-Gäste, also Geschäftsleute, die etwa ansässige Betriebe besuchen – nur der kleine Rest sind "Freizeit-Gäste". Am Wochenende dann "der komplette Switch": Da sind es 80 Prozent Freizeit-Gäste und nur noch 20 Prozent Geschäftsleute. Bricht man die "Freizeit-Gäste" noch einmal herunter, "sind es ein Großteil Urlauber auf der Durchreise", die abseits der Autobahn A81 eine Übernachtungsmöglichkeit suchen – entweder auf der Reise in den Süden "oder eben retour".

Und noch eine andere ungewöhnliche Übernachtungsgruppe "verfälscht" ein wenig die Nagolder Übernachtungs-Statistik: "Die Nagolder selbst, die ein Zimmer bei uns buchen – etwa nach einen großen Event in der Innenstadt", weil man vielleicht den Weg nach Hause mit dem eigenen Auto nicht mehr riskieren will. "Oder weil man sich den umfassenden Hotel-Service einmal selbst als Geschenk gönnen möchte." Echte Touristen, die speziell hier her kommen, um Nagold (und die Region) zu besuchen, sind daher eher die absolute Ausnahme. "Da wäre noch ordentlich Luft nach oben", ist sich Deislinger sicher.

Und listet mal die ganzen "Pros" auf, die Nagold eigentlich für solche Gäste vorzuweisen hätte: "Gut gelegen – mit einer erstklassigen Verkehrsanbindung; alles ist schnell erreichbar" – eben Baiersbronn oder Bad Wildbad als Beispiel. "Eine wirklich tolle Altstadt – die Innenstadt wird von unseren Gästen immer sehr gelobt." Dazu "eine gute Gastronomie, mit echten Geheimtipps" – mit denen man ebenfalls bei den Gästen immer wieder richtig punkten kann.

Aber wenn das sprichwörtliche "Nagoldwetter" mal versagt und es einen Regentag gibt: "Wo schickt man die Leute dann hin?" Eine wirkliche Allwetter-Sehenswürdigkeit fehlt, zumindest in einem leicht erreichbaren Radius. Eben das Leuchtturm-Projekt, "eine Landesgartenschau für die Ewigkeit", wie es Deislinger deutungsreich nennt. Und seine Hoffnung ein wenig in Richtung künftigen, neuen Gemeinderat lenkt: "Ja, Nagold bräuchte mal wieder eine echte große Vision!"