Die Schüler der CHR Nagold hören gebannt den Erzählungen des Holocoust-Überlebenden Ben Lesser zu. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Ben Lesser erzählt an CHR und OHG von Martyrium. "Choose Love, not Hate." Mit Kommentar

Nagold - Ben Lesser hat den Holocaust überlebt. Als Gast der Christiane-Herzog-Realschule und des Otto-Hahn-Gymnasiums berichtete er Nagolder Schülern von seinem Martyrium.

Es ist kalt in der Nagolder Remigiuskirche – und trotz der 130 anwesenden Schüler der Christiane-Herzog-Realschule, die großteils gebannt zuhören, wird es nicht wirklich wärmer. Doch das liegt nur zum Teil an den frischen Außentemperaturen. Denn im Kirchenraum erzählt der gebürtige Krakauer Ben Lesser seine Geschichte. Die führt von einem Ghetto im von Deutschland besetzten Polen über das Konzentrationslager Auschwitz bis zur Befreiung durch die US-Armee in Dachau (siehe auch unseren Bericht unten, "Mit elf Jahren beginnt seine Reise durch die Hölle").

Beklemmende Stille herrscht unter den Neuntklässlern

Und je mehr grausige Details der Überlebende erzählt, desto kälter wird es in der Kirche. Lesser spricht durchweg in Englisch. Wenn er sich an manchen Stellen kurz sammeln muss, herrscht beklemmende Stille unter den Neuntklässlern. Als der 89-Jährige von einer Strafaktion im Arbeitslager erzählt, an deren Ende drei erschossene und drei erhängte Menschen stehen, frieren den Zuhörern fast die Gesichtszüge ein vor Betroffenheit. Die Message, die Lesser immer wieder betont ist klar: "Die Nazis fingen nicht mit dem Töten an, nein. Alles begann mit Hass. Deshalb: Wählt Liebe und nicht den Hass."

Trotz allem, was die Nazis ihm angetan haben, spürt man bei Lesser keinen Hass. Er scheint mit seiner Vergangenheit abgeschlossen zu haben und vielmehr dankbar, das Martyrium überhaupt überlebt zu haben.

Als einige Schüler nach einer Weile etwas unruhig werden, bittet er freundlich um Ruhe. Ungerührt setzt er seine Geschichte fort, die nach dem Todesmarsch ins Lager Buchenwald in Dachau endete: Von 80 deportieren Juden, seien gerade ein Mal fünf aus dem Zugwaggon gelaufen. Darunter er. Der Rest halb tot, halb verhungert, am Ende ihrer Kräfte. Man mag sich die Zustände damals nicht vorstellen, kann es auch gar nicht. Das merkt man auch den Schülern an. Teils nachdenklich, teils schockiert richten sich die Blicke auf den Vortragenden.

Als Lesser nochmals mit dem Appell "choose love, not hate" endet, ist der Beifall groß für einen Mann, der sich seiner schrecklichen Vergangenheit nicht nur stellt, sondern auch aktiv Erinnerung betreibt. Er habe schlaflose Nächte nach solch einem Vortrag, aber: "Irgendjemand muss es machen. Und das werde ich tun, solange ich kann."

An diesem Morgen hat er es getan – und damit 130 Realschülern eindrucksvoll und bedrückend zugleich die Schrecken einer dunklen deutschen Vergangenheit in Erinnerung gerufen.

Anlässlich des Holocaust-Gedenktags war der Auschwitz-Überlebende Ben Lesser nicht nur an der Christiane-Herzog-Realschule zu Gast (siehe Bericht oben) sondern auch im OHG, wo er vor 140 Abiturienten über sein Leben sprach.

Kommentar

Von Sebastian Buck

Respekt muss man haben vor Ben Lesser. Dass sich der 89-Jährige mit seiner Lebensgeschichte quasi auf Welttournee begibt, um Aufklärung und Erinnerung zu betreiben, verdient Anerkennung. Schade nur, wenn die ihm nicht immer zu Teil wird – zum Beispiel in Form von einzelnen tuschelnden Schülern in der Remigiuskirche.

Klar war es nicht immer einfach Lesser zu folgen, der durchgehend englisch sprach. Und freilich ist das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte für junge Schüler schwer greifbar, trotz der Berichte von Überlebenden. Solche Momente der Unaufmerksamkeit sind respektlos. Sie zeigen aber auch, wie wichtig es ist, immer wieder an die Gräueltaten der Nazis zu erinnern. Genau das tun die Christiane-Herzog-Realschule und das OHG mit solchen Veranstaltungen. Und das ist ein wichtiger Impuls – nicht nur für Schüler.