Nagold - Die Stadt macht ernst mit dem sozialen Wohnungsbau: Der Technische Ausschuss (TA) des Nagolder Gemeinderats gab jetzt - außerplanmäßig - grünes Licht für Vertragsverhandlungen zum Verkauf von zwei Grundstücken an die Hoffnungsträger-Stiftung.

"Frisch reingekommen" sei die Mitteilung der Hoffnungsträger-Stiftung, so Oberbürgermeister Jürgen Großmann zum Ende der TA-Sitzung unter dem Tagesordnungspunkt "Bekanntgaben", in Nagold nun tatsächlich zwei ihrer im Kreisgebiet bereits aus Bad Liebenzell und Calw bekannten "Hoffnungshäuser" zu errichten. "Die Stiftung würde lieber früher als später loslegen dürfen", ergänzte der Leiter des Stadtplanungsamtes, Ralf Fuhrländer.

Weshalb der TA - ohne ausdrückliche Abstimmung, aber einmütig - dem Wunsch der Verwaltung nachkam, die nun startenden Grundstücksverhandlungen zu autorisieren. Ausgesucht für das Projekt sind gleich zwei Grundstücke am nordöstlichen Rand des Neubaugebiets Hasenbrunnen – die künftig direkt hinter einer gerade in Bau befindlichen Schallschutzmauer an der B463 / Haiterbacher Straße liegen werden. Auf Nachfrage von Stadtrat Ralf Benz (FWV) bestätigte Ralf Fuhrländer zudem, dass auch nach Norden hin zum dort befindlichen Gewerbegebiet (unter anderem mit dem Auto-Waschpark) später eine Schallschutzwand errichtet würde.

Dreigeschossiges Mehrfamilienhaus braucht keinen Aufzug

Geplant sei, auf dem ausgesuchten Areal zwei der sogenannten "Hoffnungshäuser" der Hoffnungsträger-Stiftung zu errichten - Gebäude in Holz-Modul-Bauweise mit bis zu drei Geschossen. "Wissen Sie, warum drei Geschosse?", startete OB Großmann eine kleine Quiz-Runde mit seinen Stadträten. Von denen wusste auf Anhieb nur SPD-Fraktionssprecher Daniel Steinrode die richtige Antwort: "Aus Kostengründen" - denn mit nur drei Geschossen braucht nach baden-württembergischer Landesbauordnung ein solches Mehrfamilienhaus ausdrücklich keinen eigenen Aufzug, einem der wesentlichen Kostentreiber im Wohnungsbau.

"Eigentlich dürfte an dieser Stelle viergeschossig gebaut werden", erklärte dazu der OB weiter. Weshalb es sich zu entscheiden gelte: Lieber höher bauen mit mehr realisierten Wohnungen und Wohnraum - oder kostengünstig, weil ohne Fahrstuhl, dafür mit letztlich weniger Wohnungen als eigentlich vom Bebauungsplan her möglich. Die hier geltenden Prioritäten waren im TA schnell klar: günstigerer Wohnraum wird dringender gebraucht als mehr, aber eben dann auch - wegen der geforderten Mindestausstattungen - teurerer Wohnraum. "Ein echter Spagat", der hier zu leisten sei, so der OB. Der auch für die Verwaltung die "günstigere Variante" mit eben drei Geschossen favorisierte.

Die Kaufverhandlungen über die zwei Grundstücke für die Hoffnungshäuser sollen jetzt zügig in Angriff genommen werden. Klappt alles, soll bis Herbst, spätestens Frühjahr 2021 Baubeginn sein. Baugleiche Hoffnungshäuser, wie jetzt für das Nagolder Baugebiet Hasenbrunnen geplant, gibt es bereits in Bad Liebenzell, wo die Hoffnungsträger-Stiftung mit der Liebenzeller Mission zusammenarbeitet. Dort leben in ebenfalls zwei Gebäuden bereits 32 Einheimische und Flüchtlinge unter einem Dach zusammen - womit eine der Grundideen der Hoffnungsträger-Stiftung umgesetzt wurde. Die auch hier dreigeschossigen Häuser wurden auf einem Grundstück der Liebenzeller Mission errichtet, das die Hoffnungsträger-Stiftung gepachtet hat. Die Baukosten für die beiden Häuser hat die Stiftung alleine getragen. Ein weiteres, ähnliches Projekt wird aktuell in Calw-Wimberg umgesetzt.

Info: Hoffnungshäuser

In einem Hoffnungshaus leben Menschen mit und ohne Fluchterfahrung gemeinsam unter einem Dach. Ziel des Hauses ist es, Geflüchteten den Start in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in ihrer neuen Heimat zu ermöglichen. Ein Hoffnungshaus wird von einer professionellen Leitung koordiniert und das Zusammenleben von allen Bewohnern gemeinsam gestaltet. Je nach Standort und Ressourcen kann es zusätzliche begleitende Angebote für Sozialarbeit, Sprachbildung und Arbeitsmarktintegration geben, wie zum Beispiel Sprach- und Nähkurse sowie gemeinschaftsstiftende Aktionen. Die preisgekrönten Hoffnungshäuser (Integrationspreis Baden-Württemberg) zeichnen sich durch ihre modulare Bauweise, ihre Flexibilität, die Verwendung von Holz als zentralem Baustoff und ihre Nachhaltigkeit aus. Sie sind darüber hinaus sehr schnell zu bauen. Die "Hoffnungshäuser" sind nicht für eine temporäre, sondern für eine dauerhafte Nutzung vorgesehen. Eine Weiternutzung auf dem freien Wohnungsmarkt sei längerfristig möglich, so die Hoffnungsträger-Stiftung.

Kommentar: Unsinn

Günstig bauen - das wollen und sollen aktuell alle Kommunen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Daher ist es gut, dass nun auch im Neubaugebiet Hasenbrunnen dafür die Bedingungen geschaffen werden. Ein wesentlicher Kostentreiber im Wohnungsbau: Fahrstühle. Nach geltendem Baurecht müssen alle Gebäude über 13 Meter Höhe einen eigenen Fahrstuhl haben - zumindest bei Neubauten. Das ist gut gemeint - Stichwort Barrierefreiheit, Personenrettung. Aber es gibt auch in Baden-Württemberg historisch bedingt reichlich Mehrfamilienhäuser mit mehr als 13 Meter Höhe ohne Fahrstuhl. Warum also diese Selbstbeschränkung bei dringend benötigten günstigen Wohnungsneubauten? Das ist Unsinn! Wir haben eine Notlage auf dem Wohnungsmarkt - da müssen Ausnahmen von der sonst guten Regel möglich sein.