Nagold - Das Kammerorchester feierte seinen 25. Geburtstag mit einem hinreißenden Konzert im Burghof.

Es grenzte fast an ein meteorologisches Wunder, dass die Mannschaft um Stadtmusikdirektor Florian Hummel nach drei Jahren wieder unter freien Himmel auftreten durfte. Ihr eineinhalbstündiger Auftritt in der traumhaften Wehrturm-Kulisse avancierte trotz böigen Windes und beißender Kühle wieder Mal zum Höhepunkt des Keltenfestes.

Bereits zwei Stunden vor Konzertbeginn pilgerten die ersten Zuhörer hinauf zur Burgruine, dann besetzten ganze Besucherscharen die Bänke sowie umliegenden Mauern.

Die Jubiläums-Atmosphäre führten die feierlichen Bläser-Fanfaren der Ouvertüre zur Oper "Tannhäuser" (Richard Wagner) ein. Als dann das zarte Thema der Sinfonie "Pastorale" (Ludwig van Beethoven) zwischen den einzelnen Instrumentengruppen fröhlich zu wandern begann, staunten die Zuhörer über die rhythmische Präzision, klangliche Transparenz und dynamische Vielfalt der Aufführung.

Durch düstere Klangfarbe unterstrich das Orchester das Drama um Romeo und Julia in der gleichnamigen Ouvertüre von Peter Tschaikowsky, flehend leidenschaftlich dagegen erklang die Flöte von Christoph Kieser, der in Begleitung eines Streichquartetts die Gefühle des antiken Liebespaares Orfeus und Euridike im "Reigen seliger Geister" von Christoph W. Gluck ausdrückte.

Ganz nach dem Willen des Komponisten Bertold Hummel versahen die Musiker seinen "Marsch" mit bizarren Akzent-Verschiebungen, um dann mit "In der Halle des Bergkönigs" (Edvard Grieg) die Spannung im stetig zunehmenden Tempo zu steigern. Erneut erwies sich hier der Dirigent Hummel als eine künstlerische Autorität, der seine Leute stets freundlich, aber mit deutlicher Gestik unter Kontrolle hält und andauernd motiviert.

Teuflischer Ritt und Hahngeschrei paaren sich mit diabolischem Gekicher

In zwei Fragmenten aus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Musorgski paarten sich ein teuflischer Ritt und Hahngeschrei mit diabolischem Gekicher der Hexe Baba Jaga, dann erklangen die Kirchenglocken und feierlich-orthodoxe Gesänge vor dem "Großen Tor von Kiev". Das flotte "Libertango" (Astor Piazzolla) und ein Satz aus der Sinfonie "Aus der Neuen Welt" vervollständigten das vielfältige Programm.

Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann sparte nicht mit Lob für das "kleine Kammer-Pflänzchen, das während der vergangenen 25 Jahre zu einem symphonischen Baum gewachsen ist" und betonte das "große pädagogische Geschick" des Orchesterleiters Hummel sowie die beispielhafte Kooperation zwischen Musikschule und Otto-Hahn-Gymnasium, welche die Schüler und erwachsenen Laien-Instrumentalisten zu einer eingeschworenen Mehrgenerationen-Musikgemeinschaft zusammenschweißt.

Wobei Hummel mit lediglich neun Leuten 1992 angefangen hatte. Jetzt spielen unter seiner Hand mehr als 60 Laienmusiker ab 13 bis 80 Jahren (darunter drei standhafte "Altgardisten"). Unter Berücksichtigung der jährlichen Abitur-Abgänger eine imposante Bilanz, die sich sehen und vor allem hören lassen kann.

Der Orchesterleiter bedankte sich bei dem Publikum für den wohlwollenden Empfang seines Ensembles und würdigte Gönner und Förderer des Orchesters für die großzügige Unterstützung.

Während der stehenden Ovation huschte ein Hauch des Stolzes über das strahlende Gesicht von Hummel. Die gleichfalls zufriedenen Musiker boten dem Publikum lediglich zwei Zugaben aus ihrem Unterhaltungs-Repertoire. Unter optimalen Wetterbedingungen hätten sie sicherlich viel länger spielen müssen.

Kommentar: Aushängeschild

Von Heiko Hofmann

"Was wäre, wenn..." – es Florian Hummel nicht als Musikschulleiter nach Nagold verschlagen und er vor 25 Jahren nicht das Nagolder Kammerorchester gegründet hätte? Oberbürgermeister Jürgen Großmann stellte beim Konzert im Burghof dieses Szenario in den Raum. Hin und wieder tut man in Nagold gut daran, sich solche Fragen zu stellen.

Die Erfolgsgeschichte des Kammerorchesters, in dem 60 Instrumentalisten im Alter von 13 bis 80 Jahren auf hohem Niveau gemeinsam musizieren, ist nämlich keine Selbstverständlichkeit – auch wenn sie so wirkt. Sie ist das Ergebnis jahrzehntelanger Netzwerkarbeit und Kooperationen. Was wäre also? Der Stadt Nagold würde ohne Kammerorchester jedenfalls ein wichtiges Aushängeschild fehlen – nicht nur musikalisch, auch gesellschaftlich und nicht zuletzt ein Mehr-Generationen-Projekt der Extraklasse.