Renni Lehmann hat momentan alle Hände voll zu tun beim Einpacken der Spenden. Foto: Geisel

Pandemie stellt Verein "Hilfstransporte und Waisenhilfe" vor völlig neue Herausforderungen.

Nagold-Mindersbach - Im Hilfsgüterlager "Haldenhof" stapeln sich derzeit die Kartons. Die große Spendenbereitschaft ist toll, doch bringt sie die Ehrenamtlichen aktuell an ihre Grenzen. Auch sollte nur abgegeben werden, was wirklich noch verwendet kann.

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Der Verein "Hilfstransporte und Waisenhilfe" wurde 2011 ins Leben gerufen und hat seinen Sitz auf einem ehemaligen Bauernhof in Mindersbach. Vorsitzende Karin Wahr ist seit über 30 Jahren in der humanitären Hilfe tätig, in der Vergangenheit in Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen und Organisationen.

Mit der Gründung eines eigenen Vereins konzentrierten sie und ihre ehrenamtlichen Helfer sich auf Bedürftige in Ungarn und Rumänien, "um dort effektiv helfen zu können", erklärt Wahr. Zudem bestanden hier bereits Kontakte vor Ort, was für Hilfsorganisationen ungemein wichtig ist. So wisse man, was gebraucht wird und dass es auch benutzt und nicht verkauft wird.

Etwa 60 Freiwillige engagieren sich

Etwa 60 Freiwillige engagieren sich im Verein, inklusive Fahrer wie Roland Lutz. Schon mehr als 40 Mal war er mit dem LKW in beiden Ländern und hat Spenden abgeliefert. Werden alle sechs Stationen beispielsweise in Rumänien angefahren, bedeutet das für die Fahrer fünf Tage on Tour. Da bis auf drei von ihnen alle noch berufstätig sind und ein bis zwei Fahrten monatlich stattfinden, ist das ein ordentliches Pensum. Eigentlich steht noch eine Anfrage eines Kinderheims am Schwarzen Meer aus. Diesen Monat hätte ohne Corona die erste Fahrt dorthin stattfinden sollen. Dann sind die Fahrer noch mal zwei bis drei Tage länger unterwegs.

Die Corona-Pandemie hat den Verein vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Zum einen ist das Lager inzwischen bis oben voll. Am 2. März konnten zuletzt Spenden ausgeliefert werden. Die Hälfte der beiden LKWs war mit Lebensmitteln beladen, berichtet Roland Lutz. In der zweiten Märzhälfte schickte der Verein noch zweimal eine Spedition mit Lebensmittelspenden los. So konnte alles übergeben werden, ehe es im Lager verfallen wäre. "Das hat super geklappt", freut sich Karin Wahr.

Risiko der Quarantäne wird keinem zugemutet

Im Moment dürften LKW zwar fahren, erklärt Roland Lutz, allerdings werde an der Grenze Fieber gemessen. Bei nur leicht erhöhter Temperatur bestehe die Gefahr, 14 Tage in Quarantäne festzusitzen. Ein Risiko, das man keinem der ehrenamtlichen Fahrer zumuten könne. Also bleiben die Spenden im Lager. Dazu kommt, dass die Menschen wohl gerade mehr Zeit haben und zuhause ausräumen, sodass mehr reinkommt als sonst.

Der Verein musste reagieren und hat die Spendenannahme daher auf komplett neue Füße gestellt. Bislang konnten dienstags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr sowie samstags vom 11 bis 16 Uhr Spenden einfach durch ein offenes Tor ins Lager gestellt werden. Seit der Corona-Beschränkungen war gar keine Spendenabgabe möglich. Seit wenigen Tagen sind die Tore wieder geöffnet, allerdings zunächst nur dienstags und donnerstags von 9 bis 12 Uhr.

Ein Ehrenamtlicher wird die Spenden in dieser Zeit annehmen und direkt prüfen. Sind mehrere Personen da, müssen sie im Auto warten. Ein Mundschutz ist Pflicht. Außerdem werden derzeit nur Artikel für Baby- bis Teenageralter, also alles rund ums Kind, angenommen. "Wir werden sehen, wie das funktioniert", meint Anja van Dorsten, Beirat und Datenschutzbeauftragte im Verein. Im Regelfall nimmt der Verein deutlich mehr an, beispielsweise Kleidung, Lebensmittel, Schulsachen, Schulmobiliar und Fahrräder.

Spenden sind seit Corona stark eingebrochen

Dazu kommt nun noch ein ganz anderes Problem für die "Hilfstransporte und Waisenhilfe": Es fehlt an finanziellen Mitteln. Erst Ende 2019 hat der Verein nur mit Spenden die dringend nötige Anschaffung eines neuen gebrauchten LKWs gestemmt. Seit Beginn der Corona-Krise sind die Geldspenden nun "stark eingebrochen", berichtet van Dorsten. Dabei ist die finanzielle Unterstützung gerade die einzig mögliche für den Verein. Beispielsweise werden Kräfte in einer Schreinerei und einer Nähwerkstatt vor Ort bezahlt.

"Neben Geld- und Sachspenden erhoffen wir uns eine weitere Hilfe über die Aufnahme in das Amazon-Smile-Programm", erzählt Karin Wahr. Amazon-Kunden können bei ihrem Einkauf eine Hilfsorganisation auswählen, die einen Anteil des Einkaufswertes erhält.

Zwei Probleme gab es schon vor der Corona-Krise. Zum einen würden Spenden vor geschlossenem Tor abgestellt. Regnete es, wurde alles unbrauchbar. Zum anderen würde viel Müll abgegeben, wie Helferin Renni Lehmann erzählt. Abgelaufene Lebensmittel, Tapetenreste, vollkommen zerstörte und verdreckte Kleidung, Medikamente – das sind nur einige Beispiele. "Jeder Mensch hat eine Würde", sagt Karin Wahr dazu, "und die gilt es zu achten." Egal wie arm jemand ist, er habe ein Recht auf saubere Kleidung. Deswegen soll nur gespendet werden, was sauber, gewaschen und nicht kaputt ist.

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