Im Naturfreundehaus berichteten Mediziner über die Herausforderungen im Hausaztbereich. Foto: SPD Foto: Schwarzwälder Bote

Ärztemangel: SPD-Kreistagsfraktion widmet sich bei Vortragsabend dem drängenden Thema

Mit dem Hausärztemangel befasste sich die Kreistagsfraktion der SPD bei einer Veranstaltung mit dem Titel "Hausarzt früher und heute" in Nagold. Die Dringlichkeit des Themas wurde durch einen voll besetzten Vortragsraum im Naturfreundehaus mit reger Beteiligung der Ärzteschaft unterstrichen.

Nagold. Referenten waren die Allgemeinärzte Andreas Graf Luckner aus Tengen, Lehrbeauftragter der Uni Freiburg im Fach Allgemeinmedizin, Ernst Klumpp, Mitbegründer der Regiopraxis in Baiersbronn, und Ludwig Wäckers aus dem neugegründeten Medizinischen Versorgungszentrum in Klosterreichenbach. Sie wurden durch die Veranstalter Ursula Utters, Kreistagsfraktionsvorsitzende der SPD, und Daniel Steinrode, Nagolder SPD-Fraktionsvorsitzender, begrüßt. Albrecht Rieber, Allgemeinarzt in Nagold, hielt ein Grußwort.

Luckner zeigte Bedingungen auf, die zum Hausärztemangel geführt hätten: Ein über viele Jahre zu geringer Stellenwert der Allgemeinmedizin in Studium und Weiterbildung. Die Schaffung von mehr und kleineren Facharztgebieten führte zu einem Übergewicht von Fachärzten (bis 70 Prozent), vor allem in den Städten. Es gebe keinen absoluten Ärztemangel, aber eine ungleiche Verteilung.

Dies führte zum Nachwuchsmangel, vor allem in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten. Die Bevölkerung altere, ältere Menschen hätten häufig mehrere Krankheiten gleichzeitig und bräuchten eine ganzheitliche Gesundheitsbetreuung durch einen Hausarzt, der dann gezielt an Fachärzte überweise. Dies macht die Betreuung effektiver, kostengünstiger und persönlicher.

Ein weiterer Aspekt für den Mangel an Nachwuchs ist, dass 70 Prozent der Medizinstudenten Frauen seien. Nach Abschluss der Weiterbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin seien sie häufig in der Familienphase und bevorzugten, angestellt und in Teilzeit zu arbeiten. Um dies zu kompensieren, müssten mehr Bewerber zum Medizinstudium zugelassen werden. Um Nachwuchs für den ländlichen Bereich zu gewinnen, sollte man gezielt Medizinstudenten aus diesen Bereichen gewinnen und eventuell bei der Zulassung bevorzugen. Dies machten zwei Universitäten in östlichen Bundesländern. Für Studenten, die sich verpflichteten, in ländlichen Gebieten zu arbeiten, gebe es Stipendien - der Kreis Calw vergibt drei im Jahr.

Da nun die meisten Universitäten (bis auf drei) einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet hätten, steige allmählich ihr Stellenwert.

Praxen sollten bei den Anstellungsverträgen flexibel auf die persönliche Situation der jungen Ärzteeingehen, Teilzeitarbeit anbieten und bei der Suche nach Kinderbetreuung und Wohnung helfen.

Der Allgemeinarzt Klumpp stellte die 2012 in Baiersbronn gegründete Regiopraxis vor. Drei niedergelassene Allgemeinärzte schlossen sich zusammen, von neun Hausärzten standen damals in Baiersbronn sieben kurz vor der Rente. Sie fanden einen Investor, der ein neues Praxisgebäude erstellte, in das auch eine Apotheke, ein Orthopäde sowie eine Physiotherapie Praxis mit einzogen.

Wäckers berichtete, dass sich in Klosterreichenbach mehrere ältere Hausärzte entschlossen haben, sich zu einem Medizinischen Versorgungszentrum zusammen zu schließen, das von einem Geschäftsführer Ärzteverbunds verwaltet wird. Die Ärzte arbeiten angestellt, weitere Ärzte – auch in Teilzeit können sich anschließen.

In den Referaten und in der Diskussion wurde klar, dass sich das Berufsbild des Allgemeinarztes gewandelt hat: die zukünftigen Hausärzte streben mehrheitlich Arbeit in einem Ärzteteam an. Dies bietet Entlastung von Bürokratie und mehr Zeit für Familien.