Die Second-Hand-Kleidung ist für Jedermann gedacht, nicht nur für Bedürftige. Foto: Schwarzwälder Bote

Mittendrin: Ehrenamtliche Hilfe im Sozialkaufhaus Kreuzermarkt / Nicht jeder darf hier einkaufen

Auspacken, Begutachten, Sortieren, Putzen, Einräumen. Jeden Morgen kümmern sich vor allem Ehrenamtliche des Sozialkaufhauses darum, den Kunden die Ware schmackhaft zu machen. Wer in den Genuss der Lebensmittel kommt, entscheiden Maria Zohil und ihre Helfer.

Nagold. Ich hole die Äpfel aus dem Plastikbeutel und schaue sie bedächtig an. Drücke zu, drehe sie herum und prüfe sie nach bestem Gewissen. "Weg", rät Rosa neben mir. "Wirklich?", frage ich misstrauisch mit Blick auf die kleine braune Stelle. Sonst sieht der hier eigentlich noch ganz gut aus. "Die Leute mögen das nicht. Aber dafür bekommen das die Tiere", erklärt sie mir. Na gut, dann wohl in die Tier-Kiste, denke ich und setze zum Wurf an. Aus der dürfen sich später Kunden mit Kühen, Hühnern, Hasen, Pferden oder anderen hungrigen Schützlingen bedienen.

Spenden von Lebensmittelmärkten

Jeden Morgen bringen zwei Mitarbeiter des Kreuzermarkts der Erlacher Höhe die Spenden von 21 Supermärkten, Bäckereien, Metzgern und Tankstellen aus der Umgebung mit einem Kühlfahrzeug zum Sozialkaufhaus. Nach der Ankunft wird die Ware dann geprüft, sortiert und frisiert, sprich Blätter werden abgezupft oder Stiele abgeschnitten.

Heute darf ich dabei helfen. Dafür bekomme ich erst einmal eine schwarze Schürze umgebunden. Die blauen Handschuhe schützen mich vor Schimmel und Co. "Was schlecht ist, kommt in die Tonne da, und was die Tiere noch essen können, in die Kiste. Was gut ist, legen wir in den Einkaufswagen", erklärt mir Rosa. So weit so gut.

Kiste für Kiste wird in die Küche getragen. Ein Ende der Lieferung ist noch lange nicht in Sicht. "Die Lebensmittel bekommen wir kostenlos von Supermärkten, als Spende quasi", erklärt Maria Zohil, Marktleiterin des Kreuzermarkts in Nagold. Darunter sind viele Lebensmittel, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen, aber auch einige makellose. Sogar auf sehr spezifische Lebensmittel wie vegane oder glutenfreie Produkte muss man beim Einkauf im Kreuzermarkt nicht verzichten. "Wir bekommen hier wirklich alles. Und somit bekommen die Leute, die sich solche Lebensmittel normalerweise nicht leisten können, auch Zugang dazu", so Zohil. Denn die Nachfrage nach Produkten wie diesen ist auch in ihrem Markt groß.

Obwohl der Kreuzermarkt gerade erst geöffnet hat, sehe auch ich beim Sichten, Schnippeln und Putzen immer mal wieder eine Kundin oder einen Kunden durch den Laden spazieren. Ungefähr 130 Menschen kaufen hier täglich ein. Wer bedürftig ist und wer sich nur den günstigen Preis zunutze machen will, das erkennen Zohil und ihr Team mittlerweile schnell. "Die meisten Leute, die hier einkaufen sind Stammkunden. Wenn dann doch mal jemand Fremdes kommt, nehme ich mir den kurz zur Seite und frage, warum er hier ist", erklärt die Marktleiterin ihr Auswahlverfahren.

Einmal beispielsweise sei eine Mutter von sechs Kindern im Markt gewesen, die nach dem Hausbau nicht mehr wusste, wie sie ihre Kinder noch mit Lebensmitteln versorgen soll. Damit traf sie bei Zohil auf volles Verständnis: "Da zeige ich dann natürlich schon Mitgefühl und fühle mich einfach auch verantwortlich, einer Frau in so einer Situation zu helfen." Wenn allerdings so viele Lebensmittel da sind, wie jetzt gerade in den Wochen nach Weihnachten, ist Zohil froh um jeden Abnehmer. Was abends noch übrig bleibt, gibt sie dann der Foodsharing-Gruppe in Neubulach. Denn die Planung ist gar nicht so leicht, wenn man nie weiß, welche und wie viele Lebensmittel einen am nächsten Tag erwarten.

22 Ehrenamtliche helfen im Kreuzermarkt mit

Als ich die Bananen mit einem Einkaufswagen in den Verkaufsbereich befördere, fallen mir auch die Kleidungsstücke auf, die im anderen Teil des Ladens hängen. Mein Blick fällt auf ein Paar Stiefeletten, das auch ich sofort tragen würde. "Unsere Second-Hand-Ware ist für alle gedacht und es ist sogar gewünscht, dass sich daran nicht nur Bedürftige bedienen", erklärt Zohil. Für die Haushaltswaren gelte dasselbe.

Eine Stunde lang stehe ich mit zwei der 22 Ehrenamtlichen in der Küche und begutachte Blumenkohl, Orangen und Kopfsalate ganz genau, bis auch die letzte Kiste leer ist. Dann erst ziehe ich mir die blauen Gummi-Handschuhe von den Fingern – und ernte dafür einen irritierten Blick von einer der Helferinnen. "Denkst du wir sind schon fertig? Da kommen noch ein paar Ladungen. Manchmal sind es drei pro Tag", sagt sie und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Natürlich, denn nach 15 Jahren Erfahrung muss ich ihr doch recht unbeholfen vorkommen, wie ich bei jeder dritten Orange frage, ob die denn noch gut ist und die braunen Flecken an den Bananen erst mal ein paar Minuten lang untersuche. Neben Ehrenamtlichen wie ihr arbeiten hier auch Gelegenheits-Arbeitskräfte und drei Personen mit sozialversicherungspflichtigen Verträgen.

Nicht nur für die Kunden, bei denen das Geld ein bisschen knapper ist, ist das Sozialkaufhaus ein großer Vorteil. "Es ist auch einfach nachhaltiger", findet Andreas Reichstein, Abteilungsleiter der Erlacher Höhe im Gebiet Calw und Nagold. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt auch bei der Entsorgung der schlechten, teilweise verfaulten Lebensmittel eine Rolle: Das Unternehmen Re Food holt diese ab und verwertet die Lebensmittel zu umweltfreundlicher Energie.

Und was sowohl dem Menschen als auch der Umwelt hilft, löst auch bei mir in der sehr kurzen aber intensiven Zeit als Ehrenamtliche ein richtig gutes Gefühl aus, denke ich, als ich meine Schürze ausziehe und sie zurück in den Schrank hänge.