Christoph und Anna Leins (von links) übernehmen die Leitung des Modehauses Reichert von Klaus und Gaby Drissner. Foto: Thomas Fritsch

Anna und Christoph Leins übernehmen zum Jahreswechsel bei Modehaus das Ruder.

Nagold - Der Einzelhandel ist im Wandel – in Nagold auch ganz buchstäblich: In der Besitzerfamilie des Modehauses Reichert kündigt sich der nächste Generationswechsel an. Erstes sichtbares Indiz dafür: ein totaler Räumungsverkauf. Es wird Platz gebraucht für einen gewaltigen Umbau. Und neue Ideen.

Sie werden künftig – exakt ab dem 1. Januar 2018 – die Geschicke im Modehaus Reichert leiten: Anna und Christoph Leins, älteste Tochter und Schwiegersohn vom noch aktuellen Inhaber-Paar Gaby und Klaus Drissner. Ein echter "Glücksfall" für die mittlerweile über 160-jährige Firmengeschichte, wie Vater Klaus Drissner findet.

Denn die beiden "Neuen" bringen richtig viel Erfahrung aus dem Mode-Einzelhandel mit. Und eine extrem hohe Motivation, die Herausforderungen etwa aus der stetig wachsenden Konkurrenz aus dem Online-Handel anzunehmen. Kennen tun sich Anna und Christoph Leins seit den Schultagen, haben gemeinsam hier in Nagold Abitur gemacht. Zwar bereits ein Paar, trennten sich aber erst mal die Wege: Anna machte eine Ausbildung als Handelsfachwirtin in einem der führenden Modehäuser in Mannheim. Christoph absolvierte ein duales Studium – BWL mit Fachrichtung Handel, hier in Nagold beim Unternehmen Häfele.

Acht Jahre lebte das Paar eine Fernbeziehung, bis sich auch Christoph mit einem Aufbau-Studium an der LDT Nagold (Akademie für Modemanagement) ebenfalls in Richtung Textil-Einzelhandel orientierte. Es folgten "Wanderjahre", etwa beim Mode-Riesen Breuninger – mit Mannheim als Lebensmittelpunkt. Bevor im Laufe des letzten Jahres langsam die Entscheidung im Hause Drissner/Leins wuchs, dass Anna und Christoph Leins daheim in Nagold das Familien-Unternehmen "Modehaus Reichert" in der Marktstraße 4 mit seinen beiden Satelliten, den Boutiquen "Cecil" und "Street one", als nächste Generation übernehmen würden.

Seit April dieses Jahres arbeitet Anna Leins bereits im elterlichen Betrieb mit, hat mittlerweile von Gaby Drissner die Verantwortungsbereiche Personal und Einkauf komplett übernommen. Ganz so leicht sei die Entscheidung aber nicht gefallen, erzählt die 32-Jährige. "Ich hatte in meinem vorherigen Job in Mannheim schon sehr viel erreicht" – viel Verantwortung, Gestaltungsspielraum, eine gute, sichere Existenz. Aber auch hier in Nagold gebe es mit dem elterlichen Betrieb "optimale Voraussetzungen" und "tolle Chancen", an dem großen "Change" im Mode-Einzelhandel aktiv mitzuwirken.

Weil: Nagold als Standort sei "einfach eine tolle Modeeinkaufstadt" – mit einem bereits heute einzigartigen Angebot in diesen Sortimenten. Und einem exzellenten Ruf bei der Kundschaft. Das Modehaus Reichert habe sich hier mit seiner extrem hohen Beratungskompetenz der Mitarbeiter ("Wir investieren laufend in die Weiterbildung der Kollegen") und einem für die Region einzigartigem Sortiment – etwa bei "Anlass"-Mode wie Konfirmationen, Hochzeiten oder Abschlussbälle – eine große Stammkundschaft erarbeitet. Für die man nun mit dem Generationswechsel an die Gestaltung und Umsetzung neuer Service- und Angebotsideen herangehen will. Auch mit dem großen Umbau.

Bis Anfang des neuen Jahres werde der Totalausverkauf laufen. Danach werde das gesamte Geschäft zur Baustelle werden – "eine Etage nach der anderen", wie Christoph Leins erläutert. Man hoffe, während der Umbauphase auf den heute insgesamt 700 Quadratmetern Verkaufsfläche den Verkauf "einigermaßen reibungslos" weiterlaufen lassen zu können. Bis März, April soll der große Umbau abgeschlossen sein. Was sich verändern wird – da wollen sich Anna und Christoph Leins allerdings noch nicht in die Karten schauen lassen. "Die Kunden sollen neugierig bleiben", es soll eine echte Überraschung, ein wahrer "Knaller" werden. Aber es werde klar in die Richtung "mehr Erlebnis-Einkauf", vielleicht auch "Cross-Selling" (also Angebot ergänzender Warengruppen) gehen.

Eine Etage nach der anderen wird umgebaut

Gefeiert werden soll dann im nächsten Jahr gleich zwei Mal: Im Frühjahr die Neueröffnung nach dem Umbau. In Richtung Sommer dann auch offiziell den Generationswechsel in der Eigentümerfamilie. Bis dahin will Klaus Drissner als bisheriger Chef die Veränderungen im Stammhaus "aktiv mit begleiten." Was der dann 60-Jährige anschließend mit seiner neu gewonnenen Freizeit anfangen werde – da überlege er noch. "Ich bin ein neugieriger Mensch.

Da fällt mir bestimmt etwas ein." Was er nicht wolle, sei "der patriarchale Senior" zu werden: "Ich werde da sein, wenn man mich braucht. Aber ich will hier niemanden auf die Nerven gehen", sagt Drissner und lacht.